Ende Gelände

BERUFUNGSVERHANDLUNG ZWEITER ANLAUF: BEFANGEN?

Befangenheitsantrag Nr. 2 gegen Richter Wendel


1. Vor dem ersten Termin: Anklageschrift, Verteidiger-Beiordnung
2. 4.9.2006: Der erste Prozesstag
3. Befangenheitsantrag Nr. 2 gegen Richter Wendel
4. 25.9.2006: Der dritte Prozesstag
5. 2.11.2006: Der fünfte Prozesstag
6. 20.11.2006: Der sechste Prozesstag

Richter Wendel lässt sich durch sachfremde Themen und Aspekte in seiner Verhandlungsführung beeinflussen. Das lässt eine unbefangene Durchführung der Hauptverhandlung kaum möglich erscheinen.

1.
Der Beschluss von Richter Wendel zur Frage der Verwertung des im Prozess als Beweismittel nun gegen den Willen der Verteidigung und des Angeklagten Videos war in der Form, wie er vorgebracht wurde, zunächst unbegründet. Als Ergebnis der heute geschilderten Abwägung bleibt er abwegig, da deutlich sichtbar Grundrechte gegenüber einer höchstens geringen Sachbeschädigung überwiegen müssen. Richter Wendel steht aber im Verdacht, seinen Beschluss aus einem ganz anderen Grund gefällt zu haben. Am 4.9.2006, dem ersten Verhandlungstag dieses Prozesses, versuchte ein noch unbekannter Personenkreis, durch eine gezielte Manipulation des Verfahrens über eine inszenierte Falschaussage die weitere Verwertung des Videos sicherzustellen. Eine Überprüfung der Frage, ob die Videoüberwachung rechtmäßig erfolgte, hätte nicht nur ergeben, dass das nicht der Fall war, sondern auch die Falschaussage offen gelegt. Damit wäre ein Verfahren wegen dieser Falschaussage notwendig geworden. Der Beschluss, dass die Frage der Legalität irrelevant sei, dient allein dem Interesse, den Manipulationsversuch zu vertuschen. Es besteht der Verdacht, dass Richter Wendel in diesem Prozess nicht mehr nur das Ziel verfolgt, die Sachfragen der Verhandlung aufzuklären (falls er das überhaupt noch tut), sondern gleichzeitig auch noch, offensichtliche Falschaussagen und Rechtsbrüche aus seinem eigenen Amt und weiteren verbundenen Personen zu decken. Fraglos stellt ein solches Nebeninteresse eine Befangenheit dar. Es birgt die Gefahr, dass sich der Richter von verfahrens- und sachfremden Zielen leiten lässt.
Die näheren Gründe, warum aus dem Beschluss zur Videoverwertung der Verdacht der Befangenheit resultiert, sind der Gegendarstellung zum Beschluss zur Videoverwertung zu entnehmen.

2.
In dem genannten Beschluss zur Frage der Beweisverwertung hat Richter Wendel – ohne jegliche Begründung – festgestellt, dass das Beweismittel unabhängig von der Frage, ob es rechtmäßig entstanden ist, verwertet werden kann. Damit zeigt Wendel, dass er es nicht für wichtig hält, sich an das geltende Gesetz zu halten. Ein Richter, der die Beachtung der Gesetze und der gültigen Rechtsprechung aber nicht für bedeutend hält, z.B. indem er (wie in diesem Fall) bei einer zu entscheidenden Frage nicht für bedeutend hält, ob etwas rechtskonform war, handelt sachfremd.
Dieser Punkt ist auch deshalb von Bedeutung, weil Richter Wendel nicht das erste Mal zeigt, dass ihm geltendes Recht gleichgültig ist. In der absurden Verurteilung meiner Person am 15.12.2003 hat Richter Wendel schon mal etwas sehr ähnliches gemacht. Dort schrieb er in der Urteilsbegründung: „Der Angeklagte Bergstedt ist daher schuldig des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Die Diensthandlung des Zeugen Walter (Verbringung zum Polizeibus) war rechtmäßig. Dabei kann dahinstehen, ob die Versammlung des Angeklagten und seiner Anhänger als Spontandemonstration erlaubt war oder nicht. Denn jedenfalls störte der Angeklagte eine angemeldete Wahlveranstaltung durch lautstarke Ansagen mittels Megaphon. Dies durfte durch die Polizei mit den von ihr gewählten Mitteln unterbunden werden, unabhängig davon, wer letztlich die Anordnung zum Polizeieinsatz gegeben hatte.“ Damit vertritt Wendel die Auffassung, dass ein Polizeiangriff auf eine Demonstration immer erlaubt ist, wenn die Polizei meint, von der Demonstration ginge eine Störung anderer aus. Die konkreten rechtlichen Voraussetzungen sind ihm also schlicht gleichgültig.
Zusammenfassend muss ich zwar anerkennen, dass die von Richter Wendel nachweislich bereits mehrfach gezeigte politische Orientierung einer Abneigung gegenüber Recht und Ordnung zwar bei mir durchaus auf Sympathie stößt. Das „Legal, illegal, scheiß egal“, dass Richter Wendel hier zeigte, könnte ja auch auf eine herrschaftskritische Grundeinstellung hindeuten, schließlich gibt es gute Gründe, das geltende Recht als Recht der Stärkeren (weil es eben von diesen gemacht und durchgesetzt wird) abzulehnen. Allerdings deutet einiges darauf hin, dass Richter Wendel nicht Recht und Gesetz insgesamt ablehnt, sondern die geltenden Gesetze, die ihn bei der rücksichtslosen Durchsetzung seiner oder der Interessen der Obrigkeit stören, erkennt er nicht an. Er bastelt also eher ein eigenes Rechtsinstrumentarium bzw. benutzt das, was ich in Gießen schon öfter mit der Polemik „Bouffiersches Recht“ umschrieben habe: Was den Herrschenden nützt, ist Recht. Das andere gibt es nicht bzw. es muss, wie Richter Wendel hier im Prozess deutlich zeigt, nicht beachtet werden.
Ich denke aber, es ist verständlich, dass ich einen Richter ablehne, der das geltende Recht für unwichtig empfindet, aber gleichzeitig meint, dieses (nun von ihm selbst umgebastelte) Recht als Keule gegen unerwünschte Personen einsetzen zu können. Herr Wendel: Anarchie entsteht nicht in schwarzer Robe und von oben herab. Wenn Sie Gesetze überflüssig halten, bauen Sie mit an einer horizontalen Gesellschaft.

Ich beantrage zudem, dass die Entscheidung über die Befangenheit nicht von Richterinnen und Richtern des Amtsgerichts Gießen bearbeitet wird, weil diese selbst Angegriffene der Tat sind, die im laufenden Verfahren zur Aufklärung steht.

Gestellt am 2.11.2006 (5. Prozesstag)

Beschluss des Richters am 2.11.
Wendel entschied über seine Befangenheit selbst und erklärte sich nicht für befangen.

Gegendarstellung am 20.11.
Nach meiner Auffassung hat Richter Wendel bei der Ablehnung des Befangenheitsantrags die Dimension und die Argumentation des Antrags nicht richtig erfasst. Der Befangenheitsantrag zielte im Kern darauf ab, bei Richter Wendel das Bemühen offenzulegen, den laufenden Prozess so zu führen, dass der Schaden für Bedienstete mindestens des Amtsgerichts Gießen, möglicherweise auch der Polizeistrukturen der Region möglichst gering bleibt – vor allem in strafrechtlicher Hinsicht.

Zwei Handlungen des Richters waren dabei besonders auffällig. Zum einen versuchte er mit der Ablehnung des Beweisverwertungsverbotsantrags eine Auseinandersetzung über die Frage der Beschilderung zu umgehen, in dem er formulierte, dass das Beweismittel unabhängig von der Frage der Rechtsmäßigkeit benutzt werden dürfe. Es entstand zumindest der Verdacht, dass die konkrete Formulierung dem Ziel dient, eine Aufarbeitung des Wahrheitsgehalts der Zeugenaussage des Justizangestellten Weiß zu verhindern. Dass dieses im weiteren Prozessverlauf nicht gelang, ist auf andere Gründe zurückzuführen als auf die Verhandlungsführung von Richter Wendel. Vielmehr waren es weitere skandalöse Aussagen verschiedener Polizeiangehöriger, die eine Prüfung doch notwendig machten.

Zum zweiten hat Richter Wendel trotz begründetem Antrags den Zeugen Weiß nicht mehr geladen. Am 19.9.2006 habe ich in einem Antrag auf Zeugenladungen formuliert: „Herrn Weiß (Justizwachtmeister) zu der Frage, was mit den Nägeln nach dem Entfernen aus den

Schlössern geschehen ist.“ Dieser Antrag war wohlbegründet. Bis heute ist in diesem Verfahren kein Nachweis erfolgt, woher die im HLKA-Gutachten verwendeten Nägel eigentlich stammen. Das Gutachten ist deshalb wertlos, weil nicht bewiesen ist, dass überhaupt die Nägel zur Untersuchung kamen, die auch in den Schlössern stammten. Vielmehr ist denkbar, dass die Nägel aus dem Bauwagen an der Projektwerkstatt stammten, was dann auch leicht erklären könnte, warum sie Ähnlichkeiten mit Nägeln aus dem Bauwagen an der Projektwerkstatt aufwiesen. Die Aufklärung wurde von Richter Wendel behindert. Da ein Grund nicht ersichtlich ist, warum Herr Wendel das Nagelgutachten selbst torpedieren wollte, entsteht der Verdacht, dass er den Zeugen Weiß aus dem Verfahren heraushalten wollte. Ob er damit nun die Person Weiß schützen wollte (wofür ich Verständnis habe) oder den gesamten Sachverhalt nicht weiter aufklären wollte (was ich skandalös fände) – so oder so wäre seine Verhandlungsleitung von sachfremden Motiven beeinflusst, was eine Befangenheit sehr wohl begründet.

Daher bleibe ich bei meiner Auffassung. Es liegt bei Richter Wendel selbst, ob er den Verdacht ausräumt, in dem er auf den bislang nicht behandelten Antrag auf Zeugenladung noch reagiert.


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