Ende Gelände

PROZESS UM FARBATTACKE AUF JUSTIZGEBÄUDE

Vor dem ersten Termin: Anklageschrift, Verteidiger-Beiordnung


1. Vor dem ersten Termin: Anklageschrift, Verteidiger-Beiordnung
2. Vorab ... 4. Dez. 2003: Staatsschutz und Polizei in der Projektwerkstatt
3. 4.9.2006: Der erste Prozesstag
4. Das Drama des 4.9.: Versuchte Manipulation
5. Das absurde Gutachten: Schlechte Bilder besser zur Erkennung des Gewünschten!
6. 11.9.2006: Der zweite Prozesstag
7. 25.9.2006: Der dritte Prozesstag
8. Der vierte Verhandlungstag
9. 2.11.2006: Der fünfte Prozesstag
10. 20.11.2006: Der sechste Prozesstag
11. 20.11.2006, Urteil erster Instanz: Einzelauszüge und Gesamttext
12. Auf dem Weg zur zweiten Instanz
13. Die spannenden Fragen des Prozesses
14. Am 4. August 2008 sollte die Berufung starten ... aber es wurde nix!
15. Die Justiz gibt auf ... Einstellung - politisch brisant, juristisch spektakulär!

Siehe auch: Anti-Knast-Seiten ++ Übersicht zu politischen Prozessen
Antirepression ++ Polizeigewalt ++ Absurde Justiz in Gießen
Fehlender Rechtsschutz gegen Polizei & Justiz +++ Dokumentation zu Polizei-/Justizwillkür

Am 11.8.2005 erhielt ein Projektwerkstättler eine Anklageschrift - Staatsanwalt Vaupel, Oberverfolger politischer Opposition und Schutzengel prügelnder Polizisten, lügender PolitikerInnen & Co., ist wieder mal tätig. Zielobjekt ist wieder mal ein ohnehin schon in mehreren skandalösen Verfahren verurteilte Aktivist. Aus dessen 8 Monaten Haft ohne Bewährung soll offenbar mehr werden, damit die Einsatzhundertschaften den Knast noch ein bißchen länger bewachen müssen. Der nun anrollende Prozess kommt nicht überraschend, in dieser Sache hat es schon Hausdurchsuchungen, rechtswidrige DNA-Tests und mehr gegeben. Der neue Prozess ist einer von vielen Prozessen, die zur Zeit gegen Personen aus dem Umfeld der Projektwerkstatt laufen - und einer von vielen absurden Handlungen der Gießener Justiz.

Foto: Überwachungskamera im Amtsgericht ... "getarnt" i, Griffloch eines Aktenordners

Politisch betrachtet wird dieser Prozess aber besonders spannend. Zum ersten ist anzumerken, dass die Tat, die zur Anklage kommt, immerhin überhaupt stattgefunden hat. Das ist bei Verfahren in Gießen eher die Ausnahme. Meistens denken sich Polizei, Staatsanwalt und Gerichte die Anklagen einfach aus. Als Belege gibt es denn auch regelmäßig keine Beweise oder ZeugInnen, sondern Logiken wie die im Fall der prügelnden Grünen-Politikerin Gülle, wo der Geprügelte verurteilt wurde mit der Beweisführung, dass er die Politikerin beleidigt haben müsse, weil sie ja sonst nicht zugeschlagen hätte mitten in der FussgängerInnenzone. Weitere Belege gab es nicht ... Wenn nötig, bastelt die Polizei auch schon mal selbst einen Brandsatz, um ihn dann irgendwelchen Festgenommenen unterzuschieben. Oder ein Bürgermeister erfindet eine Bombendrohung. Usw. Diesmal gilt: Amtsgericht und Staatsanwaltschaft wurden tatsächlich getroffenen - von Farbe (das war offen sichtbar) und möglicherweise auch, wie in der Anklage beschrieben, von anderen Aktionen (Schlösser unbrauchbar ...). Der Rest ist aber mehr die Phantasie der Polizei im Wahn, den jetzt Angeklagten immer länger hinter Gitter zu bringen ...
Spannend aber wird das Politische: Es war ein Angriff auf Amtsgericht und Staatsanwaltschaft. Der Hintergrund dürfte den dort hinterlassenen Parolen nach genau das Treiben in diesen beiden widerlichen Einrichtungen der Durchsetzung von Herrschaftsinteressen sein. Will heißen: Der Prozess im Amtsgericht thematisiert einen Angriff auf das Amtsgericht und die Staatsanwaltschaft - und genau diese beiden werden, sicherlich in gewohnter und durch diesen Anschlag kritisierter Manier, den Prozess auch durchziehen. Damit thematisiert der Prozess sich selbst - eine spannende Konfrontationsstellung im Gerichtssaal. Und eine Absurdität: Nicht nur die herrschaftsorientierten, verfilzten Gießener Staatsanwalte und RichterInnen werden durch wieder die Messer wetzen, sondern die Betroffenen des Anschlag. Diejenigen, denen die Attacke galt, treten an Anklage und "neutrale" RichterInnen auf. Niemand muss groß Prophet sein, um Befangenheitsanträge in dieser Sache vorherzusehen. Über solche Anträge entscheiden in diesem Herrschaftssystem namens "Rechtsstaat" die betroffenen RichterInnen selbst. Das Ergebnis ist als vorher klar. Wie sie begründen, warum sie unbefangen sind, obwohl sie die Angegriffenen sind - das allerdings darf mit Spannung erwartet werden.


Flugblatt der Initiative Sicheres Gießen nach der Farbattacke - als Vermittlung der Aktion


Der politische Konfliktstoff des Prozesses ist also sichtbar. Bei diesem Prozess geht es ums Prinzip - Kriminalisierte politische Opposition gegen die Handlanger der Interessen von Innenminister Bouffier, Law-and-Order-Bürgermeister Haumann, die Gießener Polizeiführung und weitere Scharfmacher der Region.


Im Original (Auszüge aus der Anklage)




Kommentierung: Punkt a) wurde von der Staatsanwaltschaft auf Druck der Verteidigung selbst zurückgezogen, um nicht nachweisen zu müssen, dass Gerichte irgendeinen öffentlichen Nutzen hätten (haben sie nämlich nicht ...). Bleibt also Punkt b), der ein Anzeigedelikt ist. Die Staatsanwalt bejahte aber das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung (siehe Folgeseite).
Der umfangreiche Katalog der vorgeworfenen Straftaten ist schon für sich absurd ... da muss aber jemand lange aktiv gewesen sein, denn es gibt keinen Hinweis auf MittäterInnen.


Lustig ist noch der letzte Absatz, eine Art Regieanweisung an die Hausleitung - offenbar gibt es Angst, im Vorfeld des Prozesses könnte sich das dort zu Verhandelnde wiederholen ...


Das erste ist eine glatte Lüge - wie Staatsanwalt Vaupel auch im Verfahren einräumen musste. Recherchiert hatte das der Angeklagte, nicht der Staatsanwalt. Der hatte das reinfach reingeschrieben, weil der Staatsschutz das behauptet hat. Der Gegenbeweis befand sich bereits in den Akten - aber da guckt Vaupel ohnehin nicht hin.
Ebenso übernahm der die Lüge des Staatsschützers Broers, auf dem Video sei eine Person beim Sprühen von Parolen zu sehen gewesen. Auf dem Bereich der Gerichtswand, die die Kamera überwachte, gab es gar keine Parolen.


Der Vermerk zu den Fußspuren ist auch gelogen. Der später als Täterspur behandelte Gipsabdruck stammte nicht vom Tatort, sondern war an einem noch unbekannten Ort erstellt oder gefunden worden - möglicherweise von der Polizei einfach selbst, um einen Beweis zu erzeugen.
Auch die Behauptung zu den Nägel blieb nicht haltbar - es war nicht nachweisbar, dass überhaupt die Nägel aus den Schlössern benutzt wurden oder das ganze Gutachten auf einer Fälschung beruhte.






Verschwiegen wird zur Jeanshose, dass die Untersuchung gegen den Beschluss des Landgerichtes erfolgte.



In der gesamten Anklage sind alle vom Angeklagten wegzeigenden Spuren weggelassen.

Schon vor erster Instanz: Diesmal Pflichtverteidigung verordnet
Sehr absurd: Im großen Prozess gegen Projektwerkstättler (13 Anklagepunkte, über 30 Zeugen ...) wurde bis auf höchste Ebene entschieden, dass keine Pflichtverteidigung zugelassen wird. Nun soll sie erzwungen werden. Was verfolgt Richter Wendel (ja genau: der vom großen Prozess in der ersten Instanz mit dem absurden Urteil der Marke "Wenn eine Politiker jemanden verprügelt, muss der Verprügelte eine Straftat begangen haben, sondern täte sie das ja nicht" usw. - damaliges Urteil hier) mit dieser Strategie? Will er den aufmüpfigen Angeklagten mit einem Rechtsanwalt bremsen??? Und der wird nicht einmal mehr gefragt, ob er einen Rechtsanwalt haben will ...


Schreiben von Richter Wendel vom 22.5.2006 (Az. 5406 Ds - 501 Js 26964/03)


Der Angeklagte antwortete zunächst darauf:

Guten Tag,
wie Sie mir schrieben, soll mir diesmal kein Rechtsanwalt verwehrt werden, sondern diesmal soll ich einen aufgezwungen bekommen. Jenseits der Frage, ob ich darauf eingehe, bitte ich vorab um Mitteilung, wieso Sie - auch gerade im Kontext mit dem vorausgegangenen Verfahren - die Auffassung vertreten, dass nun die Sach- und Rechtslagen schwierig ist. Wie gesagt: Ich will dem nciht widersprechen, aber bei einem Sachbeschädigungsanklagepunkt davon auszugehen, während in einem anderen Verfahren bei 13 Anklagepunkten dieselbe Frage verneint wurde, ist nach nicht selbsterklärend.
Ich erwarte Ihre Rückäußerung und werde mich dann schnellstmöglich bei Ihnen melden. Ich möchte Sie bitten, diesen Brief nicht zu missachten und so zu tun, als wäre er keine Reaktion, so dass Sie nach einer Woche (noch dazu einer Verlängertes-Wochenende-Woche) einfach entscheiden. Ent-täuschen würde mich das zwar nicht, aber das liegt bei Ihnen.

Antwort von Richter Wendel:

in Ihrer Strafsache wegen Sachbeschädigung u.a. sehe ich die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage darin, dass nach Anklage fünf Gutachter gehört werden müssen.

Danach hat Richter Wendel einen nach dieser Antwort vom Angeklagten benannten Anwalt beigeordnet.

Presseinfos vor Prozessbeginn

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