Im Namen des Volkers

SACHSPENDEN, TAUSCHEN, „DEALEN“
MÖGLICHKEITEN UND GRENZEN

A. Voraussetzungen


Einleitung · A. Voraussetzungen · B. Schnorren und Sachspenden · C. Was woher? · D. Schenken, Klauen, Teilen · Links

Voraussetzung 1: Organisieren statt finanzieren
Wer in seinem/ihrem Lebensalltag monatlich 5000 DM oder mehr ausgeben will, hat kaum eine Chance zur Selbstorganisation. Der Ansatz selbstverwalteter oder pseudo-alternativer Betriebe, zwar hierarchiefrei, aber doch hochprofitabel zu arbeiten, hat nur zu kollektiver Selbstausbeutung oder enormen Modernisierungsstrategien geführt – nicht aber zu einer Befreiung von den Markt- und Herrschaftszwängen (und ganz nebenbei noch die Modernisierung des Kapitalismus insgesamt vorangetrieben – eine klare Niederlage gegenüber der alten Idee, Gesellschaft stückweise von den Marktzwängen zu befreien). Selbstorganisation hat dort Chancen, wo es gelingt, den Bedarf an auf dem Markt eingekauften Waren drastisch zu senken – mit dem Ziel Null. Denn „Markt“ bedeutet immer die anonyme Vermittlung von Werten ohne jegliche direkte Vereinbarungsebene zwischen Menschen. Und sie schafft den Zwang, für das allgemeingültige Tauschmittel im Markt, eben das Geld, selbst wieder im Markt die Wertschöpfung zu betreiben, d.h. sich zu verkaufen, Lohnarbeit nachzugehen.
Die Alternative muß lauten, den Aufwand für die materielle Reproduktion zu minimieren und diese im direkten Verhältnis zu organisieren, weil es nur dann gestaltbar ist. Tausch, gemeinsames Eigentum oder organisiertes „Schenken“ bzw. „Nehmen statt Kaufen“ können dazu Ansätze bieten.

Voraussetzung 2: Alltag und Politik verbinden
Unendliche Ressourcen ... fast alle Gruppen in den Industrieländern verfügen, den Besitz und die Verfügungsrechte aller beteiligten Menschen sowie den Besitz der Gruppe zusammengerechnet, meist über einen unglaublichen Reichtum. Was für das Auto allgemein bekannt ist (es bindet extrem viel Geld und Zeit bzw. zwingt zur fremdbestimmten Arbeit), gilt auch für viele, viele andere (eigentlich alle?) „Güter“: Computer stehen bei fast jeder Person herum – genutzt oft nur wenige Minuten durchschnittlich am Tag. Fahrräder, Klamotten, Werkzeug, Küchengeräte, Waschmaschinen usw. – alles steht oder liegt die meiste Zeit ungenutzt herum. Noch einfacher: Bücher und Zettelsammlungen schlummern in Regalen. Das Privateigentum bindet unglaubliche Mengen an Geld und Zeit. Wenn aus Privateigentum Kollektivbesitz wird, und das dann noch mit einem politischen Projekt verbunden wird, entsteht meist sofort ein unglaublicher Reichtum: Eine ansehnliche Bibliothek, wenn einfach nur die Bestände aller Beteiligten zusammengeworfen werden. Eine beeindruckende Heim- oder Fahrradwerkstatt. Ein Computerraum mit perfekter Ausstattung (meist noch mehr ... und eventuell kann jedeR noch einen eigenen Computer für einfache Sachen haben, denn alte Kisten schmoren überall in Kellern, Dachböden oder Schränken herum). Das und vieles mehr sind Beispiele für die massive Reduzierung des materiellen Bedarfs. Entweder die beteiligten Menschen bauen einen Raum auf, wo politischer Raum und kollektives Leben örtlich verbunden und damit alle Ressourcen gemeinsam (von den Menschen gemeinsam und gemeinsam für politische Arbeit – dann auch von anderen – und das Alltagsleben) nutzbar sind. Oder dann, wenn alle getrennt leben, kann ein gemeinsamer Raum für das politische Zentrum plus kollektiver Räume (Waschmaschine, Werkstatt, Computerräume, Bibliothek) geschaffen werden. Das reduziert auch den Raumbedarf pro Person sehr stark. Und all das spart Geld, spart Zeit, beendet eine materielle Verschwendung (und damit wieder den Zwang zum Geldbeschaffen/-verdienen), die durch die Orgie des totalen Privatbesitzes hervorgerufen wurde.
Kollektive Strukturen der Kooperation von Nützlichkeit sind eine wichtige Basis der Selbstorganisation. Kollektivität bezeichnet hierbei nicht den Mythos der Art alter selbstverwalteter Projekte, wo kollektiv immer gut sein sollte, auch wenn dadurch alles schwieriger, anstrengender usw. wurde und die harte Orientierung der Produktion für den Markt blieb.

Voraussetzung 3: Phantasie, Kreativität und das richtige Gespür für „Deals“
Selbstorganisation ist nicht nur ungemein praktisch und ein Weg hieraus aus den Abhängigkeiten von Markt und Staat. Es ist auch ein Bruchstück visionärer Entwurfe, hereingeholt in das konkrete Handeln hier und jetzt. Eine emanzipatorische Vision der „Freien Menschen in Freien Vereinbarungen“ wird noch einige Schritte weiter führen müssen – dann geht es nicht mehr um gegenseitige Unterstützung, sondern alle Fähigkeiten, aller materieller Reichtum ist allen zugänglich, schafft immer weitere Möglichkeiten für alle. Das ist weit weg. Doch ein Hauch davon ist erreichbar, wenn Menschen auf kreative Art gucken, wo sie sich gegenseitig helfen können als Form des punktuellen Ausbruchs aus herrschafts- und marktförmigen Verhältnissen. Darum geht es – um das Vermitteln der Idee von gleichberechtigter Unterstützung. Das ist ein deutlicher Unterschied zum Betteln, einem Bitten um eine Unterstützung als Wohltat oder Almosen. Betteln ist als Notmaßnahme oder als Lebensentwurf so akzeptabel wie alle anderen unterwürfigen Formen der fremdbestimmten materiellen Reproduktion. Selbstorganisation aber will etwas ganz anders. Selbst beim Versuch, eine Firma um eine Sachspende anzuschnorren, geht es darum, die Idee der Unterstützung auf gleichberechtigter Ebene zu vermitteln.
Das gilt selbst für das zunächst unterwürfig erscheinende „Schnorren“. Die Form der Kontaktaufnahme zwecks „Schnorrens“ (Überschüsse und Spenden für sich gewinnen) oder „Dealens“ (kreative Vereinbarungen treffen der ganz unterschiedlichen Art – vom Tausch bis zur politischen Aktion) kann und sollte auf dem gleichberechtigten Gespräch basieren. Der Ausgang ist offen. Es geht nicht nur um ein Ja oder Nein, sondern um vielfältige Möglichkeiten. Kann sein, daß ein Gespräch beginnt, weil eine politische Gruppe einen Computer sucht – und am Ende kommt heraus, daß sie etwas ganz anderes bekommt oder die/der GesprächspartnerIn die politische Zeitung abbonniert oder was auch immer. Angetrieben ist das Gespräch von der Nützlichkeit und von politischen Ideen. Die Kunst ist das kreative Diskutieren, das Gespür für den richtigen Augenblick und die passenden Vorschlag, die Wendigkeit im Denken ... all das ist etwas, was in dieser Gesellschaft wenig geübt wird, aber die Übung kommt, wenn die Gespräche mutig geführt werden. Selbst ein absurder Vorschlag kann helfen – das Gespräch bleibt in Erinnerung.

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