Im Namen des Volkers

NATION UND VOLK

Nationalismus von links


1. Nationalismus und seine Entstehung
2. Nation und Volk in der Verfassung
3. Nationalismus von links
4. Mischen, mischen ... Nationalismus kommt (fast) überall vor
5. Deutschland
6. Links


Ganz Amerika als Kollektiv ... Schlagzeile Junge Welt, 5.11.05 (Titel)


Aus Broskamp, 2001: Ökologie und Bevölkerungsentwicklung, per Email; hingewiesen sei, daß die Konstruktion der kollektiven Identität eines "Volkes" auch in sogenannten linken Gruppen - z.B. Antideutsche, Antiamerikanismus, Pro- und Anti-Israel- sowie Pro- und Anti-Palästina-Positionen - weit verbreitet sind
Ein zweites Element rechtsextremer Ideologie ist ein "völkischer Nationalismus"; er geht von einer homogenen Völksgemeinschaft aus, deren Zugehörigkeit durch das "Blutsprinzip" bestimmt wird. Das Volk wird nicht nur als Ansammlung von Individuen betrachtet, sondern als Kollektivsubjekt überhöht und mit Eigenleben ausgestattet und meist als höherwertig konzipiert. Innere wie äußere Feinde dieses "Völkskörpers" werden bekämpft.

Völkische Antiimperialisten ...
  • ständig mit Fahnen auf Demonstrationen (Palästina, Irak, Sowjetunion)
  • sammeln Geld u.a. für den islamistischen Bürgerkrieg im Irak (Quelle: Interview mit Initiativ e.V. in: Junge Welt, 14.4.2004, S. 2)

Aus Andreas Wehr, "Abschied von der Einheit", in: Junge Welt, 6.3.2008 (S. 10 f.)
Wahrung nationaler Souveränität
Dort, wo bis heute an der sozialistischen Orientierung festgehalten wird, in Kuba, China, Vietnam und Nordkorea, besitzt die Verteidigung der nationalen Souveränität einen zentralen Stellenwert. Die Leistungen der kommunistischen Parteien bei der Befreiung von Kolonialismus und Imperialismus und als Garanten nationaler Einheit sind fest im Alltagsbewußtsein verankert. Ähnliches beobachten wir heute in Venezuela, Bolivien, Nicaragua oder Ecuador. Die Verteidigung der nationalen Souveränität richtet sich dort vor allem gegen die imperialistische Politik der USA.
Doch selbst dort, wo man offiziell von der sozialistischen Orientierung Abschied nahm, etwa in Rußland oder in Serbien, sind die alten, antiimperialistischen Impulse weiterhin lebendig. Offensichtlich haben sich diese Völker ganz eigene Vorstellungen von Souveränität und eigenständiger Entwicklung bewahrt. Ihre Unterordnung unter Strategien des Westens gelingt immer weniger.


Aus dem Vorschlag der DKP Berlin für ein Programm zu Europawahl, dokumentiert in: Junge Welt, 6.1.2008 (S. 10 f.)
Eine in diesem Sinne souveräne Nation bildet erst die Grundlage für eine gleichberechtigte zwischenstaatliche Kooperation, die zu einem sozialistischen Europa führen kann.

Hoch lebe das Volk!
Das Volk wird häufig als positiver Begriff gesetzt, durchzogen von Mitbestimmung und Menschlichkeit. Dabei ist Volk immer ein Konstrukt von oben. Es gibt keine Masse Menschen auf einem künstlich eingegrenzten Raum (Nation u.ä.), das mit sich identisch ist, gleiche und von anderen unterscheidbare Interessen hat usw. Das Volk wird durch die selbsternannten Sprachrohre des Volkes (Führer, Regierungen usw.) erst geschaffen, erhält sich aber durch den darauf aufbauenden Diskurs vom Gemeinsamen, von Interessen, Standorten und Identität selbst. Damit ist Volk selbst schon ein Begriff von Herrschaft. Volks-Herrschaft folglich auch nichts emanzipatorisches - aber die richtige Übersetzung für Demokratie, die ebenfalls nicht Befreiung, sondern integrative Herrschaft bedeutet.

Untertitel von Daniel Schily, "Plädoyer für ein europaweites Referendum" in: Zeitschrift für direkte Demokratie, 1/04 (S. 10)
In der Demokratie soll das Volk herrschen. Wenn die EU demokratisch werden soll, bedarf es folglich eines EU-Volkes.

Rechts: Antifas retten das Volk ... (Junge Welt, Mai 2005)

Und die Rosa-Luxemburg-Stiftung will es auch retten ... vor den Nazis!
Aus Roland Bach, "Volksfront" von rechts, rls-Standpunkte 3/2005)
Die "Volksfront von rechts" ist eine Provokation gegen die Arbeiterbewegung und die antifaschistische Einheit. ... Sie bleibt gegen das Volk mit seinen demokratischen, sozialen und kulturellen Bewegungen gerichtet.


Theoriebildung für völkisches Denken in der Bahamas
Aus dem Text "Al-Quaida proudly presents: eine Lektion in Demokratie" von Justus Wertmüller (bahamas 44/2004, Quelle hier ...)
Mancher erinnert sich sicherlich noch an die ersten öffentlichen Worte des amerikanischen Präsidenten nach den Anschlägen vom 11.09.2001: ?America is at war? ? Worte, mit denen er nicht nur auf die kürzest denkbare Weise auf den Begriff brachte, was die Anschläge bedeutet hatten und allein bedeuten konnten, sondern zugleich auch die Maßnahmen umriß, die nun zu ergreifen seien. Nicht daß nicht auch die New Yorker und Millionen anderer Amerikaner öffentlich um die Toten getrauert und ihre Kerzen und Blumen nach Ground Zero getragen hätten, wie es auch in Europa aus jedem, zumeist schlechten Anlaß üblich ist. Auch die Behauptung, der Anschlag habe ?uns allen? gegolten, war vor zweieinhalb Jahren in Amerika genauso verbreitet wie kürzlich in Spanien und darüber hinaus in ganz Europa. Während es die europäische Öffentlichkeit aber beim ebenso pflichteifrig abgespulten wie betroffenheitsschwer inszenierten Selbstdarstellungstheater beließ, trieb die Amerikaner schon damals mehr und anderes um: Zuvörderst der Unwille, die Bedrohungssituation als ein unabwendbares Schicksal hinzunehmen ? stattdessen wurden aus dieser simple logische Schlüsse gezogen: Wenn die Anschläge eben ?uns allen? galten ? ist man es da nicht nur sich selber, sondern auch den Toten schuldig, etwas gegen Menschen, Organisationen, Landesregierungen und vielleicht ja auch gegen eine bad religion zu unternehmen, die dergleichen zu verantworten hatte? Zum anderen war der selbstbewußte nationale Zusammenhalt, den die Amerikaner damals übten, einer, der das kollektive ?Wir? nicht einfach voraussetzte, sondern bei dem die Antwort auf die Frage, wer das eigentlich sein könnte, ?wir alle?, erst zu finden war, und der deshalb über sich selbst als nationalen Konsens hinauswies. Mit der durchaus naiven, aber gerade in ihrer Allgemeinheit wahren Feststellung, daß es ihre Art zu leben sei, die ?die Terroristen? von Grund auf haßten, begann eine reichlich unbeholfene und von zum Teil unerträglicher Rhetorik gekennzeichnete Wertediskussion, die für interessierte europäische und auch amerikanische Linksintellektuelle nur die vorab unterstellte typisch amerikanische Großmannssucht und den Auserwähltheitsglauben bestätigte. Daß diese nationale Aussprache über ?uns alle? im Zusammenhang mit Ground Zero und War on Terrorism vielleicht der ? wenn auch untaugliche ? Versuch war, sich über universale Standards zu verständigen, hinter die die Menschheit bei allen Unterschieden nicht zurückfallen dürfe, das konnte sich in Europa niemand vorstellen. Gerade die höhnischen Kritiker, die jederzeit mit universalen Vokabeln wie Emanzipation, menschliche Würde, Demokratie oder Selbstbestimmung hausieren gehen, wollten den Faden nicht aufnehmen, sondern bereiteten stattdessen ideologisch den Boden für die nächste Katastrophe, die sich dann in Spanien ereignete.

Aus dem Schwur von Buchenwald (KZ im Nationalismus)*
Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht!
*Der Schwur selbst ist im damaligen zeitlichen Kontext anders zu bewerten als heute, wo sowohl die Konstruktion von Völkern als auch der Gerechtigkeitsmythos von Gerichten angezweifelt werden sollte. Problematisch erscheint aber, wenn der Schwur auch heute noch unkommmentiert als Leitlinie genutzt wird, wie es z.B. in der Mobilisierung zu antifaschistischen Protesten gegen den Hess-Gedenkmarsch am 21.8.2004 in Wunsiedel geschah.

Ein Volk entsteht durch die Konstruktion über seine Sprecher/Führer ...
Aus "Arafats letzter Sieg" in Junge Welt vom 12.11.2004 (S. 10, Autor: Werner Pirker)
Sein bleibendes Verdienst ist es, das palästinensische Volk auf das Niveau eines selbständigen Subjekts in der Weltpolitik gehoben ... zu haben.

Aus der Rede von Martin Walser, 1998 (Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels)
Und: "Wir dürften, sage ich vor Kühnheit zitternd, die BRD so wenig anerkennen wie die DDR. Wir müssen die Wunde namens Deutschland offen halten." Das fällt mir ein, weil ich jetzt wieder vor Kühnheit zittere, wenn ich sage: Auschwitz eignet sich nicht, dafür Drohroutine zu werden, jederzeit einsetzbares Einschüchterungsmittel oder Moralkeule oder auch nur Pflichtübung. Was durch Ritualisierung zustande kommt, ist von der Qualität des Lippengebets. Aber in welchen Verdacht gerät man, wenn man sagt, die Deutschen seien jetzt ein ganz normales Volk, eine ganz gewöhnliche Gesellschaft?

Aus Christoph Dieckmann, „Das Gift für den Boden der Demokratie“ in: Publik Forum, 9.7.2004 (S. 8f), auch als Vortrag vor der „Regionalkonferenz der Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus“
Aber ich musste begreifen, dass es auch Kollektiv-Subjekte und –Erfahrungen gibt. Es gibt Volk, es gibt Heimat und Nationalität, es gibt auch kulturelle Konkurrenzen; darüber zu reden sollten wir nicht den Rechtsextremen überlassen. Unser liberales Reden neigt zur Privatisierung des Freiheitsbegriffs. Doch Bindungen und Gemeinerfahrungen gehören zur freien Einzelexistenz wie das Dorf zum Haus; und jedes Dorf verludert, das, statt Gemeinsinn zu organisieren, alle paar Jahre die Bewohner austauscht.
Gemeinsinn teilt man mit immer weniger Menschen. Das ist nicht nur eine Ost-Erfahrung. Flexibilität, oft von der Not erzwungen, wird zum Freiheitswert umgeschwindelt. Wir wandeln uns zum Volk von Flachwurzlern. Patchwork-Biografien werden normal. Arbeitsverhältnisse, Wohnzeiten, Ehen verkürzen sich, damit auch unsere Loyalitäten. Das Volk beginn zu nomadisieren. Gerade deshalb wächst sein Bedürfnis nach kollektiver Selbstvergewisserung.
Schon vor zehn Jahren ging Ohnmacht durchs Volk: als die Asylantenheime brannten. Damals halfen Lichterketten. Das Volk schaffte es, sein Entsetzen zu bündeln und zu artikulieren. Pathetisch gesprochen, hat es damals Rechtsextremismus und rassistische Gewalt für „undeutsch“ erklärt. Lichterketten und Justiz – beides signalisierte, dass es ein Erreichtes geben muss, hinter das Gesellschaft und Staat ohne Verlust ihrer Würde nicht zurückfallen können, so unstrittig wie keine deutsche Regierung die Todesstrafe wieder einführen darf. Ebenso unstrittig ist jede deutsche Regierung der sozialen Marktwirtschaft verpflichtet, damit das Volk nicht zerfällt in Sieger und Menschen vom Müll. Jeder Dauerarbeitslose geht als Demokrat verloren. Solche Leute stützen keine Gesellschaft. Schon gar nicht betreiben sie einen Aufstand der Anständigen.


Überschrift in "Die Woche" vom 9.10.1998 (S. 37)

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