Im Namen des Volkers

EINS, ZWEI, VIELE AKTIONEN!

Rechtliches

Damit aber die Antifa- oder Jugendgruppen bei all ihren Aktionen nicht ins rechtliche Fettnäpfchen treten, sind die nächsten Seiten mit einigen wichtigen Rechts-Tips gefüllt. Sie sind aber lediglich als Orientierungshilfe und erster Einblick gedacht. Bevor mensch sich Hals über Kopf in die nächste Aktion stürzt, sollten lieber noch einmal alle unklaren Fragen anhand von landes- oder bundesrechttlichen Unterlagen geklärt werden. Die Rechts- und Ordnungstips geben dennoch einen ganz brauchbaren Einblick in die Mühlen der Bürokratie. Broschüren und Bücher, die ausführlicher auf dieses Thema eingehen, werden in den Literaturhinweisen erwähnt.

Ärger mit dem Gesetz?

Wer nicht jedem Streit aus dem Weg geht, muß damit rechnen, daß eine politische Auseinandersetzung gegebenenfalls auch zur rechtlichen wird. Die Drohung mit einer Klage gehört zum üblichen Repertoire von PolitikerInnen und Rechten. Aber das ist kein Grund zu übertriebener Vorsicht. Die Aktiven sollten vielmehr über die rechtliche Situation bei Aktionen Bescheid wissen. Ein Brief vom Anwalt ist kein Grund zur Panik, gerade hier wird viel und oft "geblufft". Generell sind zwei Formen möglich, juristisch gegen eine Aktion vorzugehen: Bei der zivilrechtlichen Klage versucht der/die KlägerIn, die Gruppe zur Unterlassung einer Aussage zu bewegen oder für erlittene Nachteile Schadenersatz zu erhalten. Bei einer Strafanzeige hingegen prozessiert gegebenenfalls der Staat. Hier geht es darum, ob Handlungen einzelner TeilnehmerInnen im Sinne des Strafrechtes "verboten" waren.

Zivilrecht: Die zivilrechtliche Klage richtet sich normalerweise gegen die Gruppe als ganze. Wer dabei letztlich beklagt wird, hängt von der Formalstruktur ab. Handelt es sich z.B. um einen eingetragenen Verein, wird der Verein beklagt - nicht eine Einzelperson, auch nicht der Vorstand. Gibt es keine formale Struktur, so kann jede/r Beteiligte für alles haftbar gemacht werden, auch mit privatem Geld.

Unterlassungsklage: Bei der Unterlassungsklage versucht der/die KlägerIn, die Grup pe gerichtlich zu zwingen, eine Äußerung in Zukunft zu unterlassen. Normalerweise kommt zuerst ein Schreiben von einem Anwalt, das die Gruppe auffordert, eine Erklärung zurückzusenden, mit der sie sich verpflichtet, in Zukunft z.B. 2.000,- DM an den/die "GegnerIn" zu zahlen, wenn sie behauptet, daß er/sie ein/e FaschistIn sei; sonst würde Unterlassungsklage eingereicht. Hier heißt es, sich nicht einschüchtern zu lassen! Wer unterschrieben hat, hat sich wirklich verpflichtet (!!!); das kann ziemlich dumm sein. Mit einer Unterlassungsklage hat der/ die KlägerIn normalerweise nur eine Chance, wenn wirklich etwas Unrichtiges behauptet wurde. Wenn die Argumente stichhaltig zu begründen sind und die Fakten glaubwürdigen Quellen entstammen, kann nicht viel passieren.

Haftung und Schadenersatz: Der/die "GegnerIn" kann die Gruppe für Folgen der Aktion haftbar machen wollen. Das heißt, entstandene Schäden sollen ersetzt werden. Wichtig ist, daß eine Schadenersatzklage nur Erfolg haben kann, wenn der/die Geschädigte dabei in seinen/ihren Rechten verletzt wurde. Wegen eines Presseartikels, der auffordert, ein Produkt nicht zu kaufen oder wegen eines Boykottaufrufs gegen eine Firma, hat niemand eine Chance, für den Verdienstausfall Schadenersatz einzuklagen. Gelegentlich kann es auch zu Schadenersatzansprüchen kommen, wenn im Rahmen einer Aktion versehentlich jemand geschädigt wurde - z.B. eine umkippende Stellwand am Infostand ein Auto zerbeult hat. Hier ist eine gute Haftpflichtversicherung ratsam - sie zahlt in solchen Fällen für den Schaden.

Strafrecht: Eine Strafanzeige richtet sich immer gegen eine Einzelperson, nie gegen die Gruppe insgesamt. Im Strafprozeß muß der betoffenen Person konkret eine strafbare Handlung nachgewiesen werden. Die Organisationsform der Gruppe ist dabei normalerweise egal. Strafrecht bei Aktionen ist ein kompliziertes und heikles Kapitel, dieser Abschnitt kann es nur anreißen. Ein gutes Rechtshilfebuch kann hilfreich sein, wenn zu befürchten ist, daß die "GegnerInnen" versuchen werden, strafrechtliche Schritte zu gehen. Wenn es Probleme gibt kann mensch sich auch an folgende Adresse wenden: Rote Hilfe, c/o Buchladen Rote Straße, Rote Straße 10, 37073 Göttingen

Verleumdungsklage: Relativ häufig ist die Verleumdungsklage. Anders als bei der Unterlassungsklage geht es hier nicht darum, die Gruppe zu zwingen, eine bestimmte Behauptung zu unterlassen, sondern ein Bußgeld wegen Verleumdung zu verhängen. Ob eine Aussage Verleumdung ist, ist oft nicht einfach zu beurteilen. Zunächst muß zwischen Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung unterschieden werden. Es gibt ein Grundrecht auf freie Meinungsäußerung - die Behauptung einer Tatsache ist aber keine Meinungsäußerung. Der Unterschied ist manchmal minimal: "Ich denke, Herr X hat rechtsextremistische Kontakte" ist eine Meinungsäußerung, "Herr X hat rechtsextremistische Kontakte" hingegen eine Tatsachenbehauptung. Auch eine Tatsachenbehauptung ist nur dann eine Verleumdung, wenn die behaupteten Fakten nicht sicher bewiesen werden können. Bei Sätzen wie "Herr X ist in der Wiking Jugend aktiv" ist das relativ einfach - bei "Herr X hat rechtsextremistische Kontakte" ist es eine Ermessensfrage des Gerichtes, ob die Behauptung den Fakten angemessen ist. Je klarer argumentiert wird und Fakten auf den Tisch kommen, desto schwieriger wird es, eine Verleumdung zu unterstellen. Wenn mensch eine Behauptung wirklich beweisen kann, ist es sinnvoll, vor Gericht zu gehen und mit Hilfe von Pressearbeit das ganze in der Öffentlichkeit publik zu machen.

Sachbeschädigung: Als Sachbeschädigung wertet das Gesetz Handlungen, die bewußt Eigentum anderer zerstören oder beschädigen. Eine Anklage wegen Sachbeschädigung erfolgt unabhängig von einem etwaigen Zivilprozeß wegen Schadenersatz. Es gibt keinen "Mindestschaden" für Sachbeschädigung. Während normalerweise nur bei größeren Beschädigungen mit einer Anklage zu rechnen ist, reicht in politisch angespannter Situation unter Umständen schon ein mit Farbe bekleckerter Schuh aus (hat es schon gegeben !!!).

Nötigung: Nötigung ist, wenn jemand mit Gewalt daran gehindert wird, etwas zu tun. Lange Rechtsstreitereien gab es dabei um den Begriff "mit Gewalt" bis das Bundesverfassungsgericht hier Stellung bezog. Passive Behinderung ohne Materialeinsatz, z.B. das Sitzen auf der Straße, ist danach keine Nötigung. Trotzdem kann es immer zu einer Nötigungsklage kommen, wenn jemand irgendwo "im Wege steht". Nötigung ist z.B. jemanden festhalten, Bau von Barrikaden, Türen mit Fahrradschlössern dichtmachen. Weit schwerer als Nötigung wird "Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr oder Schienenverkehr" bestraft. Diese Paragraphen sind aber nur anwendbar, wenn Menschen gefährdet werden und z.B. ein erhöhtes Unfallrisiko provoziert wird. Da aber auch Prozesse, die mit Freispruch enden, belastend sind, wird gelegentlich eine Anklage "zum Einschüchtern" auch dann benutzt, wenn keine "Chance" auf Verurteilung besteht.

Hausfriedensbruch: Hausfriedensbruch ist das widerrechtliche Betreten eines Privatgrundstückes. Bei öffentlich zugänglichen Grundstücken (z.B. Läden, Bahnhöfe, Tankstellen, etc.) ist Hausfriedensbruch nur gegeben, wenn der/die EigentümerIn oder jemand anderes mit Hausrecht die AktionistInnen auffordert, das Grundstück zu verlassen und sie dem nicht folgen. Das Hausrecht eines Eigentümers/einer Eigentümerin endet an der Grundstücksgrenze. Findet die Aktion auf öffentlichem Gelände statt, z.B. vor einem Buchladen, der rechte Propagandamaterialien vertreibt, kann das kein Hausfriedensbruch sein. Aber Achtung: Auch viele öffentlich zugängliche Plätze, z.B. Bahnhöfe, Einkaufspassagen etc. können Privatgrundstücke sein. Ärger kann es auch dann geben, wenn sich eine Aktion gar nicht gegen die EigentümerInnen richtet. Hier ist wichtig, sich im Vorfeld schriftlich eine Einverständniserklärung zu besorgen.

Widerstand gegen die Staatsgewalt: Wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt kann angezeigt werden, wer sich aktiv gegen PolizistInnen wehrt. Bloßes Nichtbefolgen von Aufforderungen oder Weglaufen sind kein Widerstand, wohl aber jemanden festhalten, schubsen, sich aneinanderklammern etc. Problematisch dabei ist, daß es oft schwer ist, im nachhinein eine Situation vor Gericht noch zu rekonstruieren, und ZeugInnenaussagen oftmals widersprüchlich sind.

Wenn die Polizei kommt ... : Bei Aktionen kommt es oft vor, daß jemand die Polizei ruft oder PolizistInnen auf Streife einfach so kontrollieren. Je nach Aktion ist es wichtig, daß im Vorfeld notwendige Genehmigungen (z.B. für einen Infostand) besorgt und bei der Aktion griffbereit sind. Bei einer Versammlung oder Demonstration gelten die Bestimmungen des Demonstrationsrechtes - wesentliche Aspekte sind oben erläutert. Gelegentlich kann es vorkommen, daß die Polizei die Personalien überprüfen will. Dann ist es wichtig, einen gültigen Personalausweis (Reisepaß genügt nicht!) dabei zu haben. Sonst kann die Polizei entsprechende Leute zur Wache mitnehmen, bis die Personalien überprüft sind - das ist nervig und kann Stunden dauern. Mensch ist verpflichtet, die Angaben auf dem Personalausweis und eine allgemeine Berufsbezeichnung anzugeben - aber nicht mehr!!! (z.B. Beruf "BusfahrerIn", aber keine/n ArbeitgeberIn).

Aussageverweigerungsrecht: Gegenüber der Polizei hat jede/r ein Recht auf Aussageverweigerung, d.h. auf Fragen von PolizistInnen muß keine Antwort gegeben werden - außer den genannten Angaben zur Person. Fast immer ist es ratsam, von diesem Recht Gebrauch zu machen: Alles, was gegenüber der Polizei gesagt wird, kann vor Gericht verwendet werden. Und da fast niemand unvorbereitet die oft komplizierten Rechtsfragen überschauen kann, passiert es leicht, daß mensch etwas sagt, was ihm/ihr selbst oder anderen schaden kann. Wenn nach einer Aktion eine Vorladung zur Polizei im Briefkasten liegt, muß mensch nicht hingehen - wer höflich ist, ruft kurz an und sagt, daß er/sie keine Aussage machen will. Etwas anderes ist eine Vorladung der Staatsanwaltschaft. Wenn eine solche kommt, sollte ohnehin ein/e Rechtskundige/r hinzugezogen werden.

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