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ZWANGS-PSYCHIATRIE ÜBERALL: ZWANG, FOLTER, RECHTSBRÜCHE

O-Ton: Sprache der TäterInnen


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Aus "Unglück, Liebe, Rache - alles live" (Interview mit dem Forensikgutachter Hans-Ludwig Kröber), in: Spiegel 17/2017 (S. 54ff)
Resozialisierung war der Zentralbegriff. Das ist passé. Seit 20 Jahren geht der Mainstream des Fachs in Richtung Sicherheit vor dem Täter. ...
Die meisten, die froh sind, in die Psychiatrie zu kommen, überblicken nicht, dass sie dort drei- oder fünfmal so lange sitzen, als wenn sie eine Strafe bekämen. ...


Zu Disziplinarmaßnahmen
Ich erlebe oft, dass Klinikmitarbeiter an solchen Patienten ihre eigenen Erziehungsvorstellungen exekutieren - und das für Verhaltenstherapie halten. Ständig führen sie dem Patienten seine Schwächen vor. Mit Strafen und Zurücksetzungen will man einen braven Patienten aus ihm machen. Alles, was davon abweicht, kann gegen ihn verwendet werden, auch enn es mit seiner Delinquenz nicht das Mindeste zu tun hat. Da haben Psychologen und Ärzte einfach sehr viel Macht. ...

Zur Resozialisierungsfrage
Ob er es dann schafft, ohne Straftaten durchs Leben zu gehen hängt stärker, als ich früher dachte, von den Situationen ab, in die jemand hineinkommt. ... Diese situativen Faktoren sind etwas, das wir forensischen Psychiater unterschätzen. Wir suchen immer nach der Täterpersönlichkeit. Wir glauben, kriminelles Handeln liegt im Inneren eines Menschen begründet.
Ist es das etwas nicht?
Viele Taten sind ein punktuelles Versagen eines normalen Menschen in einer Situation, die ihn moralisch überfordert, in der er sich aus Affekten heraus - Wut, Gekränktheit, romantischen Gefühlen - falsch entscheidet. Aber die schlimme Tat gibt nicht wirklich Aufschluss darüber, dass seine Persölnlichkeit anders wäre als die anderer Menschen. ...
Von unseren mittlerweise 32 Verwahrten sind nur 3 wieder zurück im Gefängnis, aber keiner mit wirklich katastrophalen Taten. Die anderen haben sich so durchgeschlagen. Darunter an uch einige, die ich selbst zuvor als ungünstig begutachtet hatte. Wir haben uns um jeden Einzelnen sehr intensiv gekümmert - Sozialleben, Freizeitaktivitäten, Wohnungssuche. Ich mus sagen, das war verblüffend erfolgreich.
Sicherheit entsteht auch durch Zuwendung?
Ja. So gesehen ist die ambulante Nachsorge nach der Entlassung mindestens so wichtig wie die therapeutische Arbeit hinter Gittern. Viele langjährig Kriminelle sind völlig vereinsamt.


Verhältnisse als Ursache
Die meisten Gewalttäter sind mit Gewalt aufgewachsen. Als Zuschauer, wenn der Vater die Mutter zusammengeschlagen hat. Oder sie wurden selbst misshandelt. Hasserfüllte Gewalt gegen das Kind birgt ein hohes destruktives Potenzial für später. Auch beim Erwachsenen können schlimme Erlebnisse noch schwere Schäden anrichten. Dieser Mann waf Fremdenlegionär ...

Politische Psychiatrie
Richterin B. am 02.11.2015 (LG-Coburg 3 cs 123 Js 10673/12)
Der Sachverständige B. gelangte unter Zugrundelegung der daraus gewonnenen Erkenntnisse aus psychiatrisch-psychologischer Sicht zu dem Ergebnis, dass beim Angeklagten jedenfalls eine forensisch relevante wahnhafte Störung vorliegt. Diese ergebe sich daraus, dass der Angeklagte in der Vergangenheit in einer Vielzahl von Schreiben an bundesdeutsche Justizbehörden zum Ausdruck gebracht hat, dass er Justizbehörden allgemein für weitgehend korrupt hält und sich von ihnen ungerecht behandelt fühlt.


Aus der Beschreibung zur Veranstaltung am 29.11.2014 "Qualitätssicherung in der Forensischen Psychiatrie" mit Rüdiger Müller-Isberner und Beate Eusterschulte
Die Organisation und Durchführung des Maßregelvollzuges ist – mit starken regionalen Unterschieden - einer Vielzahl von Kontrollen und Vorgaben teils großer Eingriffstiefe und Regelungsdichte und umfangreichen Berichtspflichten ausgesetzt. Der Umfang von Kontrolle und Steuerung durch übergeordnete Administrationen ist teils ganz erheblich. Im krassen Gegensatz dazu interessiert sich kaum jemand für die Kernfrage, ob ein forensisches Versorgungssystem mit den ihm zur Verfügung gestellten Ressourcen eine effiziente und effektive Kriminaltherapie betreibt. Angesichts der enormen Kosten, die der Maßregelvollzug verursacht, ist dies erstaunlich.

Aus "Psychiatrie in Westfalen", herausgegeben vom LWL-Psychiatrieverbund Westfalen (2010)
Dabei dominierten jahrhundertelang Unterbringungsformen, die aus heutiger Sicht mehr an Gefängnisse erinnern als an Krankenzimmer. ... (S. 7)
Gleichzeitig verhinderten die Kommunen frühzeitige Entlassungen, um die Patienten nicht auf eigene Kosten weiter ambulant versorgen zu müssen. Die Anstaltsärzte kritisierten das Verhalten der Gemeinden bei der Entlassung von Patienten, weil dadurch die angestrebte Verkürzung des stationären Aufenthaltes verhindert wurde. ... (S. 45)
Viele, die an Zwangssterilisationen und "Euthanasie"-Morden beteiligt waren, blieben im Amt und wurden in den folgenden Jahren sogar befördert. Die Tabuisierung der jüngsten Vergangenheit und der in der Nachkriegsgesellschaft verbreitete Wunsch nach einem Schlussstrich ermöglichte auch im Bereich der Anstaltspsychiatrie skandalöse personelle Kontinuitäten. ... Zahlreiche nationalsozialistische Psychiatrieopfer mussten in den Nachkriegsjahren Unverständnis und erneute Diskriminierung ertragen. ... (S. 63)
Es ist sicherlich ein historische Verdienst des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, nicht von Trägeregoismen geleitet zu sein. Im Gegenteil war es in den 1980er und 1990er Jahren so, dass die LWL-Einrichtungen bewusst den Kurs der Verkleinerung, der Reduktion psychiatrischer Betten wählten, um den Aufbau psychiatrischer Abteilungen an Krankenhäusern in fremder Trägerschaft zu fördern. ... Eindrucksvoll spiegelt sich in den Zahlen ein dramatischer Rückgang. Die Kliniken hatten früher ohne großes eigenes Zutun "sichere Zuweisungen" aus einer großen Versorgungsregion. Heutzutage müssen sie gute diagnostische und therapeutische Angebote machen, um zuweisende Ärzte, Patienten und Angehörige von der Qualität ihrer medizinischen Leistung zu überzeugen. ... (S. 83)
Bundesweit ist die Zahl der psychiatrischen Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern von Anfang der 1990er Jahre von 21 bis auf heutzutage 180 sprunghaft angestiegen. Diese Akzeptanz psychisch Kranker hatte und hat durchaus auch handfeste ökonomische Hintergründe. im Jargon mancher Geschäftsführer von Allgemeinkrankenhäusern gelten psychisch Kranke als "Milchkühe". Bei vergleichsweise hohen Plegesätzen wird oft ein relativ geringer Aufwand für psychisch Kranke betrieben. Dadurch subventionieren psychisch Kranke mit ihren Pflegesätzen die relativ teuren operativen Disziplinen ... (S. 85)
(Zu einem Fallbeispiel:) Heute ist als Folge der "Normalisierung" und als Resultat des Postulats, dass auch Psychiatrie kein "rechtsfreier Raum" sein soll, dieser Mann ein gefährlicher Brandstifter und seine Unterbringung auf Jahre in einer hoch gesicherten Forenikklinik fest unausweislich. Dort verbleibt er, bis eine Vielzahl von internen und externen Prüfgremien und vor allen Dingen die Justiz feststellen, dass nunmehr so gut wie kein Gefährdungsrisiko mehr von ihm ausgeht. Wer will das aber im skizzierten Fall je sagen können? ... (S. 94)
Unterbringung in einer sogenannten Maßregel der Besserung und Sicherung, so lautet der juristische Begriff für die strafgerichtlich verfügte Behandlung von Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen und Suchtleiden (auf der Grundlage der Paragraphen 63 und 64 des Strafgesetzbuches), erfordern heute unter dem juristischen, politischen und gesellschaftlichen Druck ein immer höheres Maß von Sicherung ... Die Gefahr besteht zweifelsohne, dass in der Forensik eine neue Form von Verwahrpsychiatrie entsteht. (S. 94)


Geheuchelte Kritik
Während in Deutschland erweiterte Befugnisse für Zwangsmaßnahmen in die Maßregelvollzugs- und Psychisch-Kranken-Gesetze formuliert wurden, hielt die neue Präsidentin der Weltpsychiatervereinigung eine Rede, in der sie die Meinung vertrat, Zwangsmaßnahmen seinen falsch und sollten auch nicht durch Gesetze erlaubt werden. Soweit zu Theorie und Praxis, Schein und Sein ...
Genauer: Die neue Präsidentin der World Psychiatric Association (WPA), Helen Herrman, hat in einem "Präsidenten-Symposium" am 9. Oktober beim Weltkongress der Psychiatrie ihre Kolleginnen und Kollegen angewiesen: "In den Psychiatrie-Gesetzen muss die Zwangsbehandlung ausgeschlossen werden".

Im Original
Der Text von der Internetseite (Google-Übersetzung des Abstract):
Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (CRPD) hat einen Paradigmenwechsel in der Art und Weise bewirkt, wie die Gesellschaft die Rechte von Menschen mit Behinderungen wahrnimmt, einschließlich Menschen mit psychischen Erkrankungen und geistigen Behinderungen. Die CRPD legt Wert darauf, die Rechtsfähigkeit aller Menschen mit Behinderungen jederzeit zu achten. Die CRPD verlangt daher, dass Gesundheitsdienste einschließlich psychiatrischer Dienste nur auf der Grundlage einer freien und informierten Zustimmung Dienstleistungen erbringen. In der Praxis bedeutet diese Anforderung, die Rechtsfähigkeit zu respektieren, dass die Gesundheitsdienste von einer substituierten Entscheidungsfindung zu einem unterstützten Entscheidungsfindungsparadigma übergehen sollten. Sie ermutigt die Gesundheitsdienste, innovative Lösungen zu finden, um den Willen und die Vorlieben von Menschen mit geistiger Behinderung zu respektieren und Modelle der Leistungserbringung abzuschaffen, die auf dem "besten Interesse" von Menschen mit geistiger Behinderung beruhen.
Das CRPD stellt somit die herkömmliche Form der Bereitstellung von Dienstleistungen im Bereich der psychischen Gesundheit in Frage - insbesondere die unfreiwillige Betreuung und Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen. Länder, die das Übereinkommen ratifiziert haben, sind verpflichtet, ihre Gesetze und Richtlinien zu ändern, um sie mit den Zielen des Übereinkommens in Einklang zu bringen. In vielen Ländern müssen die Gesetze zur psychischen Gesundheit geändert oder ersetzt werden, um die Ziele des Übereinkommens zu erreichen.
Dieses Symposium diskutiert die Herausforderungen, mit denen psychiatrische Dienste bei der Einhaltung des Übereinkommens konfrontiert sind, und bietet gleichzeitig sichere und angemessene Dienste an. Die Referenten des Symposiums werden sich auf die praktischen Auswirkungen dieser Änderungen konzentrieren und diskutieren, wie diese Ziele in ressourcenarmen Umgebungen erreicht werden können.

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