BALLUNGSZENTREN UND KNOTENPUNKTE:
DIE HOCHBURGEN DER SEILSCHAFTEN
Es begann im Namen Gottes: IPK und die ersten Bioparks in Gatersleben
1. Einleitung
2. Es begann im Namen Gottes: IPK und die ersten Bioparks in Gatersleben
3. AgroBioTechnikum in Groß Lüsewitz, Uni Rostock und die Felder bei Sagerheide
4. Der letzte Versuch: BioTechFarm - Gehirnwäsche per Kaffeefahrt
5. Versteckspiel in Braunschweig: Wo die Bundesbehörden ihre Felder anlegen ...
6. Limburgerhof: Das Agrarzentrum der BASF
7. Gemeinsame Adresse: Mauerstraße in Berlin
8. Die Karte: Was ist wo in München?
9. Links und Materialien
Über Gatersleben findet sich ein
Text ab Seite 10 der Broschüre "Organisierte
Unverantwortlichkeit" (Infoseite ++ PDF)
Es folgt eine kleine Reise zu den (ehemaligen) Agro-Gentechnikhochburgen dieses Landes. Nicht dass nur dort Felder zu finden sind - in den vergangenen Jahren fanden sich weitere auch andersorts verteilt, mal mehr, mal weniger. Regionale Schwerpunkte entstanden dort, wo sich Einzelne, z.B. Agrarbetriebe, für diese Technik haben finden oder kaufen lassen. Die Hochburgen der Agro-Gentechnik, die hier gemeint sind, haben etwas anderes Kennzeichnendes: Hier liegen mehrere Versuchsfelder neben Versuchslaboren, Bürotrakten von Lobbygruppen, Firmen und Instituten, mitunter sogar Behörden. Das schafft eine Konzentration der AkteurInnen, von deren direkter Kommunikation und Kooperation das Netzwerk lebt. Genau solch ein Schmelztiegel der Seilschaften war und ist das Gelände des IPK in Gatersleben. Begeben wir uns auf eine Zeitreise in dieses Projekt, das seit über 10 Jahren Knotenpunkt der Agro-Gentechnikgeflechte ist. Unsere erste Station auf dem Flug in die Vergangenheit ist der 29. März 2007: Wir landen neben Gewächshäusern - ganz frisch erbaut. Kameras und wichtig gekleidete Menschen stehen herum. Dann kommt - in voller Montur - ein Kirchenmann und segnet die Glasflächen. Sollen wir lachen? Andere jubeln, z.B. der Biopark Gatersleben: "Katholische Kirche investiert in Grüne Gentechnik".
Wir reiben uns die Augen? Eine Kirche, die in die ökonomische Nachbesserung der Schöpfung investiert? Das kann doch wohl kaum sein. Und doch - es stimmt. Sogar noch mehr. Der Immobilienspekulant GERO AG, eine kircheneigene Firma, war Investor der Gentechniklabore nebst Büros. Er hatte satte 35 Mio. Euro gemeinsam mit dem Land Sachsen-Anhalt in den Aufbau des Bioparks Gatersleben gesteckt - und damit gleich eine der wichtigsten Einrichtungen in Gefahr gebracht, die die Vielfalt jahrhundertealter bäuerlicher Kultur erhalten sollte: Die Saatgutbank auf dem gleichen Gelände wie die sakrale Bastelstube für neues Leben und die später entstehenden Freilandexperimente. Die Geschichte, bis es dazu kam, ist lang und muss erzählt werden, um zu begreifen, wie genau dort, wo die Sortenvielfalt von Getreide- und Hülsenfrüchten auf Dauer erhalten bleiben sollte, ein Zentrum der Agro-Gentechnik entstand.
Wer gottesgläubig ist und trotz solcher Hiobsbotschaften bleiben will, dem sei eine Beruhigungspille verabreicht: Gott hatte ein Einsehen und ließ den Immobilienspekulanten GERO AG bankrott gehen. Den Biopark mitsamt seinen Firmen ließ er leider unbehelligt ...
Der Blick zurück führt in düstere Zeiten. Der Vorläufer des heutigen IPK entstand unter den Nationalsozialisten. 1943 schufen sie nahe Wien das Kaiser-Wilhelm-Institut für Kulturpflanzenforschung (Zeittafel zur Geschichte des IPK). 1945 erfolgte der Neuaufbau im sachsen-anhaltinischen Gatersleben, ein Jahr später übernahm die Universität Halle das Institut. 1991 wurde es als Folge des Einigungsvertrages mit neuem Namen versehen (aaO) und später in eine Stiftung umgewandelt.51 Richtig Fahrt nahm das IPK aber erst um die Jahrtausendwende auf. Gentechnik und die vorher in Braunschweig ansässige Saatgutbank rückten in den Mittelpunkt der Tätigkeiten. Ab 1998 leitete der Biotechnologe Prof. Uwe Sonnewald die Abteilung Molekulare Zellbiologie, im gleichen Jahr folgte die Gründung der ersten lupenreinen Gentechnikfirma: SunGene, heute eine reine Tochter der BASF. Zwei Jahre später entstand das nächste Unternehmen dieser Art, Novoplant. Parallel wurden zwei Bereiche ausgebaut, die sich eigentlich ausschließen: Die Saatgutbank, die vorhandenes Saatgut durch Vermehrung und Einlagerung in Sortenreinheit zu erhalten versucht - und die Gentechnik, die durch Freisetzung manipulierter Pflanzen genau diese Sortenreinheit in Gefahr bringt. Im IPK Gatersleben jedoch standen sie auf einem Gelände nebeneinander. Daran entzündete sich Protest. Das IPK war der einzige heftig umstrittene, konkrete Standort deutscher Gentechnik. Ansonsten reduzierte sich bisher die Kritik, wenn sie überhaupt aus den bildungsbürgerlichen Schichten der Metropolen herauskam, auf die Schelte der Firma Monsanto und deren Produkt MON810. Allerdings konnten selbst über 30.000 Unterschriften und Einwendungen die Gentechnik in Gatersleben nicht verhindern. Im Gegenteil: Das BVL forderte die viel ältere Saatgutbank auf, auszuweichen, damit die Gentechnik ungestört angewandet werden könne.47
Neben Konzernen, Lobbyisten und den verfilzten Behörden beteiligte sich die katholische Kirche lange Zeit über die kircheneigene Firma GERO daran, mit Hilfe von 35 Mio. € und gefördert vom Land Sachsen-Anhalt, einen Biopark aufzubauen und zwei eigene Firmen am Gelände zu betreiben: Futura und BGI Biopark.50 Erst im April 2008 beendete eine beherzte Aktion von freiwilligen FeldbefreierInnen den Gentechnikanbau in Gatersleben.48 Seitdem herrschte überwiegend Ruhe in der Landschaft um Gatersleben. Hinter Mauern und Glas jedoch wird weiter experimentiert. Nur die Firma BASF meldete für 2009 einen ihrer Kartoffelversuche an.49 Am 7. September gleichen Jahres unterzeichneten VertreterInnen der IPK- und der BioTechFarm-Seilschaften (siehe S. 19) dann einen Vertrag, der eine Verlagerung der Freilandversuche zum neuen Standort nach Üplingen vorsieht.85
In und um das IPK entwickelte sich ein bemerkenswerter Filz von Lobbygruppen, Neugründungen von Gentechnikfirmen und Aktivitäten der großen Konzerne. Es war die erste große Seilschaft der praktischen Gentechnikanwendung, gefüttert mit Forschungsmillionen aus Töpfen der Bundesministerien und des Landes Sachsen-Anhalt, in dem über etliche Jahre der FDPler Horst Rehberger Wirtschaftsminister und der spätere Chef-Lobbyist Uwe Schrader sein Referent war. „Um das IPK herum setzte der langjährige sachsen-anhaltische Wirtschaftsminister Horst Rehberger (FDP) großzügig Fördergelder ein: Knapp 150 Millionen Euro machte er 2003 für die Biotech-Offensive locker, um Firmen in die Region zu holen“.30 Jährlich erhält das IPK eine Grundfinanzierung, im Jahr 2005 beispielsweise 23,5 Mio. € vom Land und 3,4 Mio € von der EU. Für Projekte flossen im gleichen Zeitraum über 3,6 Mio. € Förderung vom BMBF, 0,6 Mio. € der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), 262.000 € vom Land und 305.000 € von der EU.51 Der behaupteten Wirtschaftsförderung oder dem Sichern von Arbeitsplätzen dienten die Gefälligkeiten für die Gentechnik kaum, vielmehr wurden die mit 13 Mio. € geförderten Biotechnologieprojekte und der gesamte Biopark Gatersleben (BGI) zum „Flop“ mit inzwischen 5 Mio. € Schulden: „Mit mehreren Millionen Euro hielt die landeseigene Investitionsbank IBG jahrelang eine Firma am Leben, die eine Antikörper produzierende Freilanderbse gegen Schweinedurchfall entwickelt hatte, die keiner haben wollte. ,Geld verdienen wir mit Q-Cells', sagt Haseloff leicht sarkastisch, einer inzwischen weltbekannten Solarfirma, die das Land mitbegründet hat“.52
Die Tage der offenen Tür im IPK oder speziell in den Bioparks zeigen die politische Ausrichtung. Die Agro-Gentechnik spielt regelmäßig eine herausragende, wenn nicht die entscheidende Rolle. Im Vordergrund steht weniger die Information, noch seltener die Transparenz. Hier herrschen die übliche Ideologie und Polemik. Gentechnik ist ein Spiel mit Chromosomen, alles ist leicht und locker ... BesucherInnen berichten von einer "Verherrlichung der heutigen marktwirtschaftlich orientierten Wissenschaft im Vergleich zu denen zu DDR-Zeiten". Die Ursprünge in der Nazizeit hingegen werden still beseite gelassen oder unkritisch gesehen.
Verdummung beim Tag der offenen Tür am 6.6.2009 durch Wortspiele der Gleichsetzung von Gen und Gentechnik
BASF und IPK gründeten hier ihre zunächst gemeinsame Firma SunGene, die später komplett von BASF übernommen wurde, aber ihren Sitz auf dem IPK-Gelände behielt. Sie war eine von vielen Kleinfirmen, die wie Pilze aus dem Boden wuchsen, aber schnell auch wieder verschwanden, wenn die staatlichen Fördermittel ausblieben und kein "Großer" zum Aufkauf bereit war. Sowohl von den Feldern her als, von gemeinsamen Projekten und von den Mitgliedern in verschiedenen IPK-Gremien her ist die Gentechnikszene aus Gatersleben bestens mit dem Großkonzernen der Agrogentechnik verflochten.
Beide Felder, also das mit Erbsen und das mit Weizen, mussten vor ihrer Anlage vom BVL genehmigt werden - was glatt ging und bei der 100%igen Genehmigungsquote dieser Behörde auch keine Überraschung war. Zudem musste die vermeintlich unabhängige Expertenkommission ZKBS über die Felder entscheiden. Sie befand: Ungefährlich. Doch so ganz schienen die gentechnikfreundlichen Behörden das wohl selbst nicht zu glauben. Als 2007 das Erbsenfeld ausgesät wurde, war auf der Biosicherheits-Propagandaplattform zu lesen, dass "das IPK im Jahr der Freisetzung keine zum Sortiment der Genbank gehörenden Erbsen auf dem Freigelände des Instituts kultivieren" würde. Sichtbar schränkte der Gentechnikversuch die Saatgutbank ein - das Verursacherprinzip stand auf dem Kopf. Das steigerte sich beim Weizenversuch. Auch der wurde durchgewunken, d.h. die ZKBS befang ein Feld mit gv-Weizen neben Saatgutbank ebenso unproblematisch wie das BVL. Doch diesmal machte das BVL einen überraschenden Vorschlag: Es schlug der Saatgutbank vor, den Sitz zu verlegen. Dieselbe Behörde, die ein gv-Feld neben einer Saatgutbank genehmigte, empfahl dann der Saatgutbank den Umzug!
2008 wurde die Mantelsaat viel zu spät eingesät. Sie soll die Drift des Pollens behindern. Doch das Feld war Winterweizen. Die Mantelsaat aus Phacelia wurde erst im Mai ausgesät. Den Pollen dürften die später bunten Randpflanzen kaum noch gesehen haben ...
Diesem Weizen waren Gene aus Ackerbohne und Gerste eingefügt worden, um den Proteingehalt zu erhöhen. Außerdem enthält der Weizen Resistenzgene gegen Antibiotika und eine Resistenz gegen das Pestizid „BASTA“ bzw. „Liberty“ der Firma BAYER. Die Kombination dieser Merkmale, aber vor allen Dingen die Nähe zu den Erhaltungsflächen der Genbank, war es, die einen Sturm an Protesten und Einwendungen von Privatpersonen, Verbänden, WissenschaftlerInnen, Züchtern, Ärzten und Verarbeitern hervorrief. Die Gaterslebener Genbank ist mit ca. 28.000 Akzessionen allein vom Weizen die wichtigste Erhaltungsstelle für diese Pflanze weltweit. Nichts desto Trotz wurde der Versuch genehmigt - und, wie beschrieben, kaltschnäuzig der davon betroffenen Genbank ein Umzug empfohlen. Wie auf deutschen Gentechnikfeldern mit Sicherheitsauflagen umgegangen wird (siehe auch das Gengerstefeld), zeigte der Umgang mit der Mantelsaat. Deren Anlage war im Freisetzungsantrag benannt und als Genehmigungsauflage vorgeschrieben. Sie sollte aus Phacelia bestehen. Damit sollte „die Ausbreitung des Pollens verhindert werden.“ (Freisetzungsantrag vom 10.4.2006, S.10). Wie einem späteren Schreiben des IPK-Anwaltes Horst Rehberger vom 18.2.2009 zu entnehmen ist erfolgte „im Versuchsjahr 2006/2007 […] die Aussaat am 17.4.07, im Versuchsjahr 2007/2008 am 14.5.2008.“ Damit war der Weizen bei Anlage der Mantelsaat schon ziemlich hoch gewachsen und stand kurz vor der Blüte. Bei einer derart späten Aussaat, insbesondere im zweiten Versuchsjahr, konnte die Phacelia keinerlei Funktion mehr als Mantelsaat haben. Das beim Landesverwaltungsamt angestrebte Ordnungswidrigkeitsverfahren wurde jedoch abgelehnt mit der Begründung, dass die Auflagen des Genehmigungsbescheids keine Vorgabe zum Aussaattermin der Phacelia mache (Schreiben vom 2.7.2009, Az. 6786–01-0178). Die Ablehnung unterschrieb Dr. Röllich, der auch für die Kontrolle des Freisetzungsversuchs zuständig war. In einer persönlichen Mitteilung des Dr. Röllich an Rechtsanwältin Katrin Brockmann teilte er mit, dass er das Vorhandensein der Phacelia-Mantelsaat nie überprüft habe, da er Phacelia als Mantelsaat grundsätzlich für ungeeignet halte. Eine Sicherheitsauflage, die eine Mantelsaat vorschreibt, ist egal, wenn die viel zu späte Aussaat mit einer ohne völlig ungeeigneten Pflanzenart erfolgt?
Dubios ging es auch bei der Finanzierung des Feldversuches zu. Die Akten des Genehmigungsvorgangs, der Fördergeldbeantragung beim Kultusministerium und des Zivilverfahrens gegen die sechs FeldbefreierInnen erweckten den Anschein, dass hier öffentliche Fördermittel benutzt wurden, um private Züchtung voranzutreiben. Vor allem die Nordsaatzucht GmbH wurde zum Nutznießer hoher Fördersummen, die das IPK erhielt für Leistungen, die tatsächlich aber von der Nordsaat durchgeführt wurden. Dessen zu leistender, finanzieller oder materieller Anteil wurde im Förderantrag mit Null beziffert. Der Förderungsbescheid enthielt dazu keine Auflage, obwohl die Sortenkreuzungen von der Nordsaat auf agronomische Eigenschaften hin geprüft werden sollten. Dies roch von Beginn an nach Sortenzucht. Im Text des Antrages fand sich zudem die Bemerkung „Mögliche Einnahmen würden sich dann aus den Züchterlizenzen ergeben und entfallen sowohl auf den Kooperationspartner Nordsaat als auch auf das IPK.“ Profite für die Industrie, doch der Geldeinsatz kam vom Steuerzahler! Für die zahlende Landesregierung dürfte das aber sogar der Zweck gewesen sein. Sie agierte stets als Propagandist der Agro-Gentechnik, unter anderem mit der verharmlosenden Behauptung, dass bei Selbstbefruchtern wie Weizen kein Pollenflug vorkäme und daher keine "Maßnahmen ... zur Vermeidung von Auskreuzungen mit gentechnisch veränderten Pollen" nötig wären. Die Aussage ist falsch: Auch bei selbstbestäubenden Pflanzen kommt es zur Fremdbefruchtung, weil ein kleiner Teil der Pollen in die Umwelt gelang und dann andere Pflanzen befruchten kann.
Aus den FDP-Cliquen entsprang auch die Zentrale Person beim Aufpäppeln der grünen Gentechnik war Uwe Schrader, unter Rehberger Referent im Wirtschaftsministerium und schon 1999 als „Experte“ beim Magdeburger Unternehmen tti mit der Entwicklung eines Konzepts zur Ankurbelung der Gentechnik befasst. Dieses mündete in eine millionenschwere Förderung „InnoRegio“. Damals hatte Uwe Schrader noch keine Kreide gefressen, sondern bezeichnete die grüne Gentechnik als das, was sie auch ist: Eine profitträchtige Sparte der Chemiebranche. Der Absatz von Spritzmitteln würde stark steigen, prognostizierte und freute sich Uwe Schrader: „Die Aussicht, in dem stagnierenden Pflanzenschutzmittelmarkt durch Anwendung der Pflanzenbiotechnologie Positionsverbesserungen zu erzielen, erklärt die für das Marktvolumen und die Profitabilität der Branche unerwartet hohe interne und externe F&E- Intensität.“ Regionen, in denen der Pestizidabsatz durch die Gentechnik steigt, werden von Uwe Schrader als positive Beispiele angeführt: „Die sich abzeichnenden Erfolge in der Einführung von transgenen Kulturpflanzen in Nordamerika, Argentinien und Brasilien haben der durch Übernahme und Fusion von Pflanzenschutzmittelherstellern erfolgten Marktkonsolidierung weiteres Momentum gegeben und zu einer regen Akquisitionstätigkeit der Unternehmen in die Biotechnologie- und Saatzuchtbranche geführt.“50
Uwe Schrader blieb den Bioparks im IPK nach 2006 als FDP-Landtagsabgeordneter treu, während Rehberger u.a. als Anwalt half. Ihnen gelang die Einbindung einer Vielzahl von Konzern- und BehördenvertreterInnen. Im wissenschaftlichen Beirat des IPK sitzt Thomas Kühne vom JKI, im Genbank-Beirat sein Kollege Prof. Frank Ordon. Kühne ist auch im Vorstand von InnoPlanta aktiv, der im IPK untergebrachten Lobbyorganisation. Im Stiftungsrat sind die Ministerien direkt vertreten: Joachim Welz, Thomas Reitmann (Kultusministerium), Martin Köhler und Jürgen Roemer-Mähler (beide BMELV). Offen sichtbare Aktivitäten externer Konzerne waren trotz der Verflechtungen eher selten. Nur die BASF Plant Science pflanzte mehrfach Kartoffeln am IPK an,49 ihr Vize-Präsident Ralf-Michael Schmidt sitzt im Wissenschaftlichen Beirat des IPK. Jens Lerchl, Geschäftsführer der am IPK ansässigen Firma SunGene und Sprecher des „Green Gate Gatersleben - The Plant Biotech-Center“, einer Standortinitiative aller in Gatersleben ansässigen Biotechnologiefirmen einschließlich des IPKs, brachte die gesamte Situation treffend auf den Punkt: „Der Standort fasst das zusammen, was ein guter Standort haben sollte: Forschung mit internationaler Ausstrahlung, Innovation ..., eine starke Unterstützung aus Politik und Verwaltung.“ (Broschüre „Die Zukunft braucht Ideen“, herausgegeben vom Green Gate Gatersleben, 2008, Seite 3, www.green-gate-gatersleben.com)
Eine besondere Rolle spielte zudem Prof. Uwe Sonnewald.53 Seit 1992 im IPK, leitete er ab 1998 die Abteilung für molekulare Zellbiologie. Uneingeschränkt warb er für die Gentechnik - einfach alles werde besser: „Die Grüne Gentechnik wird in absehbarer Zeit dazu beitragen, den Ressourcenverbrauch in der Landwirtschaft zu optimieren. Die Verbraucher profitieren, weil Gentechnik die Lebensmittelqualität durch Optimierung der Inhaltsstoffe verbessern hilft, die Eliminierung von Allergenen ermöglicht und die Herstellung hochwertiger Moleküle für pharmazeutische Anwendungen erlaubt. Darüber hinaus ist eine verbesserte Produktion pflanzlicher Rohstoffe zu erwarten. Schließlich werden Pflanzen künftig industrielle Enzyme und Feinchemikalien liefern. Die Landwirte können mit weiteren Ertragssteigerungen rechnen, weil Verbesserungen bei Resistenzen und Stoffwechseloptimierungen möglich werden.“54 Zeitgleich mit der Übernahme der Abteilungsleitung gründete Sonnewald zusammen mit BASF die Firma SunGene - Forschung und Konzerne waren direkt verbunden. Ab 1996 saß er in der ZKBS, d.h. er kontrollierte die eigenen Projekte und die der KollegInnen in den Gentechnik-Seilschaften. Das setzte er fort, als er 2004 an die Uni Erlangen wechselte - und von dort die Forschungen an transgener Gerste zusammen mit dem Gießener Prof. Karl-Heinz Kogel vorantrieb.
Joachim Schiemann, staatlicher Grenzwertforscher und Vielfach-Funktionär in den Gentechnik-Seilschaften, arbeitete selbst viele Jahre im IPK und wechselte dann zur Bundesfachanstalt JKI, wo er selbst mit Gentechnik experimentieren und gleichzeitig an den Genehmigungsanträgen beratend mitwirken konnte. Ob fürs AgroBioTechnikum oder fürs IPK - Schiemann engagierte sich stets für den Ausbau der Agro-Gentechnik. 2009 trat er als Hauptredner beim Tag der offenen Tür am Biopark in Gatersleben auf.
Hauptvortrag beim Tag der offenen Tür am 6.6.2009 durch Joachim Schiemann
Eveline Nettlau päppelte als Geschäftsführerin der regionalen Wirtschaftsförderungsagentur die Gentechnikschmiede in Gatersleben hoch. Dabei verschaffte sie sich auch selbst einen guten Posten - als Geschäftsführerin des Gründerzentrums für Biotechnologie (www.startupbiotech.de). Damit nicht genug: Nettlau ist auch Schatzmeisterin des Lobbyverbandes InnoPlanta e.V. - die Frau für Geldfragen an allen Schaltstellen.
Ohnehin: Für die Einbettung des IPK in die deutschen Gentechnik-Seilschaften ist noch bedeutend, dass der wichtige Lobbyverband InnoPlanta hier seinen Sitz hat. Nirgendwo sind die Drähte zwischen LobbyistInnen, Konzernen, ihren Tochterunternehmen und verschiedenen Kleinstfirmen, staatlichen Behörden und sogenannter Wissenschaft so intensiv und dicht wie in Gebäuden und auf den Versuchsfeldern in Gatersleben. Zumal viele Wege zu weiteren Gentechnikinstitutionen nicht weit sind. Die Börde und angrenzende Flächen sind die Hauptregion deutscher Agrogentechnik. Von Gatersleben bis Quedlinburg (Sitz des JKI), Dreileben (KWS-Einrichtungen) und Üplingen (BioTechFarm) sind es nur wenige Autominuten. Zwischen der BioTechFarm und den GentechnikerInnen aus Gatersleben wurde am 7.9.2009 auch ein Vertrag geschlossen, die größeren Flächen in Üplingen zukünftig für Freilandversuche zu nutzen - und umgekehrt die gut ausgestatteten Gewächshäuser und Labore am IPK den GenbastlerInnen aus Üplingen zur Verfügung zu stellen.
Text ab Seite 10 der Broschüre "Organisierte
Unverantwortlichkeit" (Infoseite ++ PDF)
Es folgt eine kleine Reise zu den (ehemaligen) Agro-Gentechnikhochburgen dieses Landes. Nicht dass nur dort Felder zu finden sind - in den vergangenen Jahren fanden sich weitere auch andersorts verteilt, mal mehr, mal weniger. Regionale Schwerpunkte entstanden dort, wo sich Einzelne, z.B. Agrarbetriebe, für diese Technik haben finden oder kaufen lassen. Die Hochburgen der Agro-Gentechnik, die hier gemeint sind, haben etwas anderes Kennzeichnendes: Hier liegen mehrere Versuchsfelder neben Versuchslaboren, Bürotrakten von Lobbygruppen, Firmen und Instituten, mitunter sogar Behörden. Das schafft eine Konzentration der AkteurInnen, von deren direkter Kommunikation und Kooperation das Netzwerk lebt. Genau solch ein Schmelztiegel der Seilschaften war und ist das Gelände des IPK in Gatersleben. Begeben wir uns auf eine Zeitreise in dieses Projekt, das seit über 10 Jahren Knotenpunkt der Agro-Gentechnikgeflechte ist. Unsere erste Station auf dem Flug in die Vergangenheit ist der 29. März 2007: Wir landen neben Gewächshäusern - ganz frisch erbaut. Kameras und wichtig gekleidete Menschen stehen herum. Dann kommt - in voller Montur - ein Kirchenmann und segnet die Glasflächen. Sollen wir lachen? Andere jubeln, z.B. der Biopark Gatersleben: "Katholische Kirche investiert in Grüne Gentechnik".
Wir reiben uns die Augen? Eine Kirche, die in die ökonomische Nachbesserung der Schöpfung investiert? Das kann doch wohl kaum sein. Und doch - es stimmt. Sogar noch mehr. Der Immobilienspekulant GERO AG, eine kircheneigene Firma, war Investor der Gentechniklabore nebst Büros. Er hatte satte 35 Mio. Euro gemeinsam mit dem Land Sachsen-Anhalt in den Aufbau des Bioparks Gatersleben gesteckt - und damit gleich eine der wichtigsten Einrichtungen in Gefahr gebracht, die die Vielfalt jahrhundertealter bäuerlicher Kultur erhalten sollte: Die Saatgutbank auf dem gleichen Gelände wie die sakrale Bastelstube für neues Leben und die später entstehenden Freilandexperimente. Die Geschichte, bis es dazu kam, ist lang und muss erzählt werden, um zu begreifen, wie genau dort, wo die Sortenvielfalt von Getreide- und Hülsenfrüchten auf Dauer erhalten bleiben sollte, ein Zentrum der Agro-Gentechnik entstand.
Wer gottesgläubig ist und trotz solcher Hiobsbotschaften bleiben will, dem sei eine Beruhigungspille verabreicht: Gott hatte ein Einsehen und ließ den Immobilienspekulanten GERO AG bankrott gehen. Den Biopark mitsamt seinen Firmen ließ er leider unbehelligt ...
Der Blick zurück führt in düstere Zeiten. Der Vorläufer des heutigen IPK entstand unter den Nationalsozialisten. 1943 schufen sie nahe Wien das Kaiser-Wilhelm-Institut für Kulturpflanzenforschung (Zeittafel zur Geschichte des IPK). 1945 erfolgte der Neuaufbau im sachsen-anhaltinischen Gatersleben, ein Jahr später übernahm die Universität Halle das Institut. 1991 wurde es als Folge des Einigungsvertrages mit neuem Namen versehen (aaO) und später in eine Stiftung umgewandelt.51 Richtig Fahrt nahm das IPK aber erst um die Jahrtausendwende auf. Gentechnik und die vorher in Braunschweig ansässige Saatgutbank rückten in den Mittelpunkt der Tätigkeiten. Ab 1998 leitete der Biotechnologe Prof. Uwe Sonnewald die Abteilung Molekulare Zellbiologie, im gleichen Jahr folgte die Gründung der ersten lupenreinen Gentechnikfirma: SunGene, heute eine reine Tochter der BASF. Zwei Jahre später entstand das nächste Unternehmen dieser Art, Novoplant. Parallel wurden zwei Bereiche ausgebaut, die sich eigentlich ausschließen: Die Saatgutbank, die vorhandenes Saatgut durch Vermehrung und Einlagerung in Sortenreinheit zu erhalten versucht - und die Gentechnik, die durch Freisetzung manipulierter Pflanzen genau diese Sortenreinheit in Gefahr bringt. Im IPK Gatersleben jedoch standen sie auf einem Gelände nebeneinander. Daran entzündete sich Protest. Das IPK war der einzige heftig umstrittene, konkrete Standort deutscher Gentechnik. Ansonsten reduzierte sich bisher die Kritik, wenn sie überhaupt aus den bildungsbürgerlichen Schichten der Metropolen herauskam, auf die Schelte der Firma Monsanto und deren Produkt MON810. Allerdings konnten selbst über 30.000 Unterschriften und Einwendungen die Gentechnik in Gatersleben nicht verhindern. Im Gegenteil: Das BVL forderte die viel ältere Saatgutbank auf, auszuweichen, damit die Gentechnik ungestört angewandet werden könne.47
Neben Konzernen, Lobbyisten und den verfilzten Behörden beteiligte sich die katholische Kirche lange Zeit über die kircheneigene Firma GERO daran, mit Hilfe von 35 Mio. € und gefördert vom Land Sachsen-Anhalt, einen Biopark aufzubauen und zwei eigene Firmen am Gelände zu betreiben: Futura und BGI Biopark.50 Erst im April 2008 beendete eine beherzte Aktion von freiwilligen FeldbefreierInnen den Gentechnikanbau in Gatersleben.48 Seitdem herrschte überwiegend Ruhe in der Landschaft um Gatersleben. Hinter Mauern und Glas jedoch wird weiter experimentiert. Nur die Firma BASF meldete für 2009 einen ihrer Kartoffelversuche an.49 Am 7. September gleichen Jahres unterzeichneten VertreterInnen der IPK- und der BioTechFarm-Seilschaften (siehe S. 19) dann einen Vertrag, der eine Verlagerung der Freilandversuche zum neuen Standort nach Üplingen vorsieht.85
In und um das IPK entwickelte sich ein bemerkenswerter Filz von Lobbygruppen, Neugründungen von Gentechnikfirmen und Aktivitäten der großen Konzerne. Es war die erste große Seilschaft der praktischen Gentechnikanwendung, gefüttert mit Forschungsmillionen aus Töpfen der Bundesministerien und des Landes Sachsen-Anhalt, in dem über etliche Jahre der FDPler Horst Rehberger Wirtschaftsminister und der spätere Chef-Lobbyist Uwe Schrader sein Referent war. „Um das IPK herum setzte der langjährige sachsen-anhaltische Wirtschaftsminister Horst Rehberger (FDP) großzügig Fördergelder ein: Knapp 150 Millionen Euro machte er 2003 für die Biotech-Offensive locker, um Firmen in die Region zu holen“.30 Jährlich erhält das IPK eine Grundfinanzierung, im Jahr 2005 beispielsweise 23,5 Mio. € vom Land und 3,4 Mio € von der EU. Für Projekte flossen im gleichen Zeitraum über 3,6 Mio. € Förderung vom BMBF, 0,6 Mio. € der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), 262.000 € vom Land und 305.000 € von der EU.51 Der behaupteten Wirtschaftsförderung oder dem Sichern von Arbeitsplätzen dienten die Gefälligkeiten für die Gentechnik kaum, vielmehr wurden die mit 13 Mio. € geförderten Biotechnologieprojekte und der gesamte Biopark Gatersleben (BGI) zum „Flop“ mit inzwischen 5 Mio. € Schulden: „Mit mehreren Millionen Euro hielt die landeseigene Investitionsbank IBG jahrelang eine Firma am Leben, die eine Antikörper produzierende Freilanderbse gegen Schweinedurchfall entwickelt hatte, die keiner haben wollte. ,Geld verdienen wir mit Q-Cells', sagt Haseloff leicht sarkastisch, einer inzwischen weltbekannten Solarfirma, die das Land mitbegründet hat“.52
Im Original: Finanzkrise trotz Millionensubventionen
Aus "Leere Labore", in: Spiegel 41/2008 (S. 93 f.)
Um das IPK herum setzte der langjährige sachsen-anhaltische Wirtschaftsminister Horst Rehberger (FDP) großzügig Fördergelder ein: Knapp 150 Millionen Euro machte er 2003 für die Biotech-Offensive locker, um Firmen in die Region zu holen. Die „Mitteldeutsche Zeitung“ sah die Pflanzenbiotechnologie zwischen Harz und Magdeburg auf dem Weg in die „Weltklasse“. Um diesen Mythos zu verkaufen und die Initiative zu lenken, holte Rehberger Jens Katzek. Der Biochemiker hatte beim BUND jahrelang gegen Gentechnik gekämpft, bevor er zum Saatguthersteller KWS wechselte. „Ich hab die Ideologie irgendwann mal ausgeschaltet und fand viele Antworten der Industrie überzeugend“, sagt Katzek. Sein Seitenwechsel wurde ihm hoch angerechnet: Bei der Bio Mitteldeutschland GmbH verdiente er fast so viel wie der Ministerpräsident. ...
Mit mehreren Millionen Euro hielt die landeseigene Investitionsbank IBG jahrelang eine Firma am Leben, die eine Antikörper produzierende Freilanderbse gegen Schweinedurchfall entwickelt hatte, die keiner haben wollte. "Geld verdienen wir mit Q-Cells", sagt Haseloff leicht sarkastisch, einer inzwischen weltbekannten Solarfirma, die das Land mitbegründet hat. ...
Im hinteren Teil des Gaterslebener Biotech-Zentrums ist vor gut einem Jahr ein neues Gelände eingeweiht worden. Doch in diesem „Biopark“ herrscht Leere. Erst zwei Firmennamen stehen auf dem großen Schild. „Wir hatten uns da mehr erhofft“, gibt Katzek zu. Offenbar hat hier nicht mal der Beistand von oben geholfen. An der 35-Millionen-Förderung des Bioparks hatte sich neben dem Land auch das Bistum Magdeburg über die kircheneigene Gero AG mit 3 Millionen Euro beteiligt. Die Gentechnik-Begeisterung ihres zuständigen Seelsorgers stieß vielen Gläubigern damals bitter auf. Doch der ließ sich nicht beirren und besprenkelte das Gebäude bei der Einweihung sogar mit Weihwasser.
Aus "Biopark in der Krise", in: Mitteldeutsche Zeitung, 3.7.2009
Eigentlich sollten sich hier auf rund 2600 Quadratmetern Fläche möglichst viele innovative Biotechnologie-Firmen ansiedeln und dem Land zu Fortschritt und Arbeitsplätzen verhelfen. Dafür zahlten die EU, der Bund und das Land insgesamt rund 13 Millionen Euro an Fördermitteln. Zweifel an der Seriosität des Ganzen waren nicht angebracht. Neben der zur Gemeinde gehörenden Gaterslebener Wirtschaftsförderungs GmbH (GWG) beteiligte sich auch die der schwer angeschlagenen Gero-Gruppe (...) zuzurechnende Futura GmbH mit einem Anteil von 49 Prozent als Gesellschafterin an BGI. Das war im Dezember 2003. Seitdem hat sich das Projekt in einen Flop verwandelt. Die verfügbaren Bilanzen der Parkbetreiberin BGI belegen für die vergangenen Jahre hohe Verluste. Die Verbindlichkeiten hatten sich trotz des Einsatzes erheblicher Fördergelder Anfang 2008 auf rund fünf Millionen Euro summiert. ...
In der ersten Etage sitzt eine Sekretärin. Hier arbeitet auch die ehrenamtliche Bürgermeisterin als Repräsentantin ihrer Gemeinde. Sie ist bei der Parkbetreiberin BGI angestellt und gleichzeitig noch in deren freiwillig gebildetem Aufsichtsrat. Einige Schritte weiter, auf der anderen Seite des Flures, hat BGI-Geschäftsführer Eric Schreyer sein Büro. Hier firmiert, neben den Betreibern oder Gesellschaftern praktischerweise auch die Mittelstandsberatung Eric Schreyer. Innovative Biotechnologiefirmen sind hier in diesem Gebäude nicht zu finden. ...
Mit den bereits ausgezahlten 13 Millionen Euro Fördermittel sind hier bisher 15 Arbeitsplätze entstanden. Ein Blick in die Bilanzen bestätigt den Eindruck. Zum 31. Dezember 2007 musste die Gesellschaft einen "nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag" von 1,1 Millionen Euro ausweisen. Die rechnerischeÜberschuldung, heißt es in der Bilanz, sei durch stille Reserven beseitigt. Die Verbindlichkeiten waren vom Vorjahr um rund 1,6 Millionen auf 5,29 Millionen Euro gestiegen. In dieser Bilanz steht vermerkt: "Das Unternehmen befindet sich in der Krise."
Die Lage dürfte in absehbarer Zeit kaum besser werden. Zwar will die BGI jetzt die eigene, ursprünglich knapp drei Millionen Euro teure Energiezentrale verkaufen. Dann allerdings muss die BGI Fördermittel für die Anlage in Höhe von einer Million Euro zurückzahlen. Gleichzeitig ist noch ein Rechtsstreit mit dem Land anhängig, das wegen angeblich fehlender Verwendungsnachweise rund zwei Millionen Euro Fördermittel zurückfordert.
- Juli 2009: GERO AG wird liquidiert
- Dezember 2011: Der Konzern Bayer CropScience "schluckt" den katholisch erbauten Biopark in Gatersleben und baut ein Weizenzuchtzentrum auf (aus: MZ, 1.12.2011)
Die Tage der offenen Tür im IPK oder speziell in den Bioparks zeigen die politische Ausrichtung. Die Agro-Gentechnik spielt regelmäßig eine herausragende, wenn nicht die entscheidende Rolle. Im Vordergrund steht weniger die Information, noch seltener die Transparenz. Hier herrschen die übliche Ideologie und Polemik. Gentechnik ist ein Spiel mit Chromosomen, alles ist leicht und locker ... BesucherInnen berichten von einer "Verherrlichung der heutigen marktwirtschaftlich orientierten Wissenschaft im Vergleich zu denen zu DDR-Zeiten". Die Ursprünge in der Nazizeit hingegen werden still beseite gelassen oder unkritisch gesehen.
Verdummung beim Tag der offenen Tür am 6.6.2009 durch Wortspiele der Gleichsetzung von Gen und Gentechnik
Im Original: BesucherInnen-Bericht
Hier ein Bericht von der Fahrt zum IPK Gatersleben, seines Zeichens Biotechnologie-Hochburg Deutschlands, aufgepfropft auf die weltweit renommierte Erhaltungsbank (Genbank) für Pflanzenarten und -sorten aus aller Welt.
Der Tag der offenen Tür dort startete mit der Begrüßung durch den Direktor Prof. Graner, der viel Lobenswertes über das IPK im Allgemeinen sagte und zur Überleitung auf Prof. Schiemann, amtlicher Gentechnikbefürworter, die üblichen Textbausteine zur "wachsenden Weltbevölkerung" und "Herausforderung der Nahrungsmittelproduktion" auf "gleich bleibenden bzw. sich verringernden landwirtschaftlichen Flächen" unter Berücksichtigung der "Unwägbarkeiten des Klimawandels" verwendete.
Prof. Schiemann (Mitglied des EFSA-GMO-Panels, das immer wieder Empfehlungen für neue gv-Pflanzen auf der Grundlage der Konzernergebnisse aussprach, Mitglied in den Lobbyagenturen Wissenschaftlerkreis Grüne Gentechnik (WGG) und Public Research & Regulation Initiative (PRRI) auf europäischer Ebene, Wissenschaftler am Julius-Kühn-Institutsstandort Quedlinburg und Prof. an der Lüneburger Universität) startete seinen Vortrag zur "Sicherheitsbewertung und weltweiten Nutzung gentechnisch veränderter Pflanzen" mit einem Fanal:
Er stehe gerührt an diesem Ort, an dem er vor ca. 20 Jahren (also 1989!) selbst tätig war, und wo sie sich "einer wissenschaftlich prostituierten Institutsleitung entledigt" hätten. Damals hätte ja "ein fast gesetzloser Zustand" geherrscht, und sie hätten stattdessen "Freiheit der Forschung" und "Unabhängigkeit der Forschung" eingeführt...
Die Verherrlichung der heutigen marktwirtschaftlich orientierten Wissenschaft im Vergleich zu denen zu DDR-Zeiten bedarf sicherlich einer kritischen Betrachtung. Positive Bezüge zur Nazizeit werden im IPK im Vergleich dazu nicht gescheut: das 50-jährige Jubiläum 2003 schmähte die Wiedererrichtung des Instituts 1945 und bezog sich lieber auf die Gründung 1943...
Danach folgte die übliche rhetorisch geschulte "sachliche" Darstellung der Sicherheitsmaßnahmen in Deutschland im Bereich der Gentechnik, beginnend mit der Feststellung, dass konventionell gezüchtete Pflanzen mit neuen Eigenschaften in Deutschland keinerlei Sicherheitsprüfungen unterliegen... und das gv-Pflanzen immer nur mit ihren zugrunde liegenden konventionell gezüchteten Pflanzensorten verglichen werden müssten, um evtl. Probleme aufzudecken... Wissenschaftliche Langzeitversuche könne man ja immer viel fordern, aber man müsse auch die praktische Durchführbarkeit prüfen...
Schiemann ging auf das Gentechnikgesetz ein, das Monitoring, die drei Stadien, die ein GVO-Produkt durchlaufen müsse (Untersuchungen im Gewächshaus, im Freiland und die Prüfung zur Marktzulassung), die gründliche Kontrolle durch die EFSA (European Food Safety Authority, in der Schieman selbst tätig ist), die heutzutage in die politische Kritik geraten ist... Dabei war es ihm wichtig, eine klare Trennung zw. Risikobewertung (EFSA) und -management (EU-Kommission) zu machen.
Auch ansonsten streute Schiemann die Betonung, dass Entscheidungen auf diesem Gebiet bitte nur auf wissenschaftlicher Basis gefällt werden sollten und bedauerlicherweise das von der Politik anders gehandhabt wird, immer wieder in seine Rede ein...
Inzwischen kann mit einer neuen Stellungnahme der EFSA zu MON810 gerechnet werden...
Bei der Diskussion im Anschluss an den Vortrag war tatsächlich Zeit für drei (!) Nachfragen... Christian Pratz (Feldbefreier in Gatersleben 2008) und ich ließen es uns nicht nehmen, uns zu Wort zu melden. Ich fragte Prof. Schiemann nach der Praxis der theoretischen Sicherheitsmaßnahmen, die er aufgezählt hatte, zB die Verflechtungen der Kontroll- und prduzierenden Institutionen, wie sie in der Broschüre "Organisierte Unverantwortlichkeit" dargestellt werden. Ein dritter forderte Prof. Schiemann auf, den ZuhörerInnen mal das Gruselkabinett der konventionellen Züchtungsmethoden vorzustellen, á la radioaktive Bestrahlung, Behandlung mit chemischen Stoffen etc. Der Großteil des Publikums war anscheinend ohnehin mit Prof. Schiemann d'accord. Als dieser nach Christians Beitrag feststellte, Feldbefreiungen seien seiner Meinung nach eine Straftat, klatschte ein Großteil der Leute. Aber es gab auch etwas Applaus für Christians Beitrag. Im Anschluss kamen leider nur wenige Menschen auf mich zu, um eine Broschüre mitzunehmen. Eine fand unser Auftreten "couragiert".
Es gab viele Führungen durch das IPK unter verschiedenen Gesichtspunkten. Viele dienten dazu, den BesucherInnen die Arbeit mit der Gentechnik als alltäglich darzustellen, was sie im IPK sicher auch ist. Die Gründerfirmen, die aus der staatlichen Forschung des IPK in private Firmen überführt wurden, scheinen hauptsächlich der Biotechnologie-Sparte zuzuarbeiten: Analysen von Gensequenzen, Aufzucht von gentechnisch veränderten Pflanzen... Die BASF-Tochter SunGene, die auf dem gleichen Gelände residiert und zB den Öffentlichkeitsauftritt des Gründerzentrums finanziert, arbeitet auch selbst an der Züchtung gentechnisch veränderter Pflanzen. Zur Zeit gibt es auch ein Feld der BASF mit Amflora-Stärke-Kartoffeln (GVO) auf dem Gelände des IPK.
Auch Führungen über die Vermehrungs- und Erhaltungsflächen der Genbank gab es. Und einige Führungen über besondere Eigenschaften von (nicht-gv) Pflanzen: "östrogen wirkende Substanzen", "Mykorrhizapflanzen - kleine Helfer beim Gärtnern", "Untersuchungen von gesundheitsfördernden sekundären Inhaltsstoffen" etc. Ein Mitarbeiter der Genbank ist zuversichtlich, dass die Genbank auch weiterhin als grundlegender Bestandteil des IPK angesehen wird, auch wenn sie direkt kein Geld abwirft und viel Arbeit bedeutet. Hoffentlich behält er Recht.
Die 500 m Abstand zw. den Weizen-Erhaltungsfeldern und dem gentechnischen Versuchsfeld 2007 und 2008 hält er für ausreichend. Außerdem seien noch Baumreihen und ein Gerstenfeld dazwischen gelegen. Zwischen den einzelnen zu erhaltenden Weizensorten besteht nur ein Abstand von 2 m, jeweils mit Gerste oder Hafer gefüllt. In einer Untersuchung von Saatbeständen aus ca. 20 Jahren wurden kaum veränderte Eigenschaften der einzelnen Sorten entdeckt.
Allerdings äußerte er sich auch nicht zustimmend zum Kommentar einer Mitarbeiterin, dass sie nicht verstehen könne, wie jmd dieses Weizenfeld zerstören könne, bei dem Know-how, das am IPK bestehe. Da fehlten ihr die Worte ...
Und in meinem Garten wachsen nun hoffentlich Salbei, Liebstöckl, Ysop und eine Blume (die ich nicht kenne..) aus Gatersleben! ;-) Viele, viele Pflanzen wurden an die BesucherInnen verschenkt, wie das seit Jahrzehnten die Aufgabe der Genbank ist.
BASF und IPK gründeten hier ihre zunächst gemeinsame Firma SunGene, die später komplett von BASF übernommen wurde, aber ihren Sitz auf dem IPK-Gelände behielt. Sie war eine von vielen Kleinfirmen, die wie Pilze aus dem Boden wuchsen, aber schnell auch wieder verschwanden, wenn die staatlichen Fördermittel ausblieben und kein "Großer" zum Aufkauf bereit war. Sowohl von den Feldern her als, von gemeinsamen Projekten und von den Mitgliedern in verschiedenen IPK-Gremien her ist die Gentechnikszene aus Gatersleben bestens mit dem Großkonzernen der Agrogentechnik verflochten.
Im Original: Pressetexte zu Firmen am IPK
2009: IPK und Bayer gründen Joint Venture zur Entwicklung von gv-Raps. Aus Agrarheute vom 18.2.2009:
Bayer CropScience und das Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) haben eine Forschungsvereinbarung zur gemeinsamen Entwicklung von gentechnisch modifiziertem Hybridraps geschlossen.
Im Rahmen der Zusammenarbeit sollen in Zukunft die in Gatersleben bei Magdeburg entwickelten Innovationen in das InVigor Raps-Saatgut von Bayer CropScience eingekreuzt werden. "Wir freuen uns sehr, gemeinsam mit einem starken Partner wie dem IPK innovative Lösungen zu entwickeln, um der steigenden Nachfrage der Industrie nach Pflanzenölen begegnen zu können.
Das Verursacherprinzip steht Kopf: GVO-Beete direkt neben Saatgutbank!
Den traurigen Höhepunkt rücksichtsloser Anpflanzungen mit gv-Sorten bildeten zwei Felder in unmittelbarer Nähe zu den Vermehrungsflächen der auf dem Gelände beheimateten Saatgutbank. Die ist immerhin die Größte in Deutschland: "Mit einem Gesamtbestand von 146.966 Mustern aus 2.649 Arten und 779 Gattungen zählt die Genbank des IPK zu den weltweit größten Einrichtungen ihrer Art. Sie leistet einen wichtigen Beitrag zur Verhinderung des Aussterbens (Generosion) von Kulturpflanzen und von mit ihnen verwandten Wildarten." Obwohl auch Getreide und Hülsenfrüchte in dieser Saatgutbank erhalten und deshalb immer wieder ausgepflanzt und möglichst sortenrein geerntet werden müssen wurde zunächst mit gentechnisch veränderten Erbsen, dann mit Weizen experimentiert. Am sensibelsten Ort, der in Deutschland überhaupt denkbar war, wurde mit der Gefahr von Auskreuzung gespielt. Waren die hier agierenden WissenschaftlerInnen so unaufmerksam oder kaltschnäuzig, dass ihnen die Gefahr gleichgültig war? Oder war es schlimmer: Nämlich dass die Anpflanzungen absichtlich neben die Saatgutbankflächen gelegt wurden, um die Auskreuzung und damit das Ende der Gentechnikfreiheit beim Saatgut zu beschleunigen? Diese Frage lässt sich nicht abschließend klären - aber Gatersleben war und ist kein Einzelfall. Die Systematik erzeugte den Verdacht, dass Verunreinigungen sogar gewollt oder zumindest billigend in Kauf genommen wurden.Beide Felder, also das mit Erbsen und das mit Weizen, mussten vor ihrer Anlage vom BVL genehmigt werden - was glatt ging und bei der 100%igen Genehmigungsquote dieser Behörde auch keine Überraschung war. Zudem musste die vermeintlich unabhängige Expertenkommission ZKBS über die Felder entscheiden. Sie befand: Ungefährlich. Doch so ganz schienen die gentechnikfreundlichen Behörden das wohl selbst nicht zu glauben. Als 2007 das Erbsenfeld ausgesät wurde, war auf der Biosicherheits-Propagandaplattform zu lesen, dass "das IPK im Jahr der Freisetzung keine zum Sortiment der Genbank gehörenden Erbsen auf dem Freigelände des Instituts kultivieren" würde. Sichtbar schränkte der Gentechnikversuch die Saatgutbank ein - das Verursacherprinzip stand auf dem Kopf. Das steigerte sich beim Weizenversuch. Auch der wurde durchgewunken, d.h. die ZKBS befang ein Feld mit gv-Weizen neben Saatgutbank ebenso unproblematisch wie das BVL. Doch diesmal machte das BVL einen überraschenden Vorschlag: Es schlug der Saatgutbank vor, den Sitz zu verlegen. Dieselbe Behörde, die ein gv-Feld neben einer Saatgutbank genehmigte, empfahl dann der Saatgutbank den Umzug!
Im Original: Saatgutbank und Genversuchsfelder
Verkehrte Welt I: Erbsensaatgutbank muss wegen Genversuch Anbau aussetzen!
Auszug von www.biosicherheit.de, Text vom 25.4.2007
Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit hat einen Freilandversuch mit gentechnisch veränderten Erbsen in Gatersleben (Sachsen-Anhalt) unter Auflagen genehmigt. ...
In der Vegetationsperiode 2007 dürfen insgesamt 600 transgene Pflanzen auf einer Fläche von 100 Quadratmetern ausgebracht werden. Das BVL hat sich davon überzeugt, dass von dem Versuch keine schädlichen Einflüsse auf Menschen und Tiere sowie die Umwelt ausgehen. Vorsorglich wurden jedoch Sicherheitsauflagen erlassen, die über die im Antrag vorgesehene Maßnahmen hinausgehen.
Erbsen sind überwiegend Selbstbefruchter und haben in Europa keine verwandten Arten. Auskreuzungen sind wenig wahrscheinlich, jedoch durch Insekten grundsätzlich nicht auszuschließen. Zudem werden im Pollen der gv-Erbsen keine Antikörper gebildet.
Etwa 75.000 Bürger haben sich durch ihre Unterschriften gegen den Freisetzungsversuch ausgesprochen. Befürchtet wird vor allen, dass gv-Erbsen in die Bestände der Genbank Gatersleben einkreuzen könnten. Ein Teil der zahlreichen dort gelagerten Erbsenproben wird jedes Jahr im Freiland vermehrt. Die Genbank hat eine langer Erfahrung, wie eine Vermischung der verschiedenen Proben ausgeschlossen werden kann. Zudem wird das IPK im Jahr der Freisetzung keine zum Sortiment der Genbank gehörenden Erbsen auf dem Freigelände des Instituts kultivieren. Der landwirtschaftliche Anbau konventioneller Erbsen muss mindestens 1000 Meter von Versuchsparzelle entfernt sein.
Verkehrte Welt II: Gv-Weizen neben Saatgutbank - Saatgutbank soll weg!
Presseinformation des NABU zum Vorschlag des BVL, die Saatgutbank zu verlegen (15.3.2007)
Der NABU hat den Vorstoß des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zur Verlegung der Genbank für Kulturpflanzen im sachsen-anhaltinischen Gatersleben als ein Stück aus dem bürokratischen Tollhaus bezeichnet. Das BVL hatte den Eigentümer der Genbank, das Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK), aufgefordert, die Vermehrungsflächen für die Genbank, eine der größten der Welt, zu verlagern. Laut eines Sprechers sei die Gefahr von Auskreuzungen nicht vollständig auszuschließen. "Die Seehofer-Behörde widerspricht sich selbst und liefert damit einen absurden Schildbürgerstreich“, sagte NABU-Präsident Olaf Tschimpke. Einerseits genehmige sie den Anbau von genmanipulierten Pflanzen, um dann zu betonen, dass sie das Risiko durch die Gen-Pflanzen für nicht beherrschbar halte. Sollen demnächst alle Bauern umziehen, wenn das BVL eine Freisetzung von Gen-Pflanzen in der Nähe ihrer Felder genehmigt? *Minister Seehofer muss diesem Treiben rasch Einhalt gebieten und sich endlich für einen glaubwürdigen Schutz von Natur und Verbrauchern vor der Agro-Gentechnik einsetzen“, so Tschimpke weiter. Das Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) unterhält am Standort Gatersleben eine Genbank, in der Samen von 150.000 Kulturpflanzen eingelagert sind. Die alten Weizensorten müssen zur Erhaltung immer wieder im Freiland angebaut werden. In unmittelbarer Nähe zu den Anbauflächen wird Gen-Weizen angebaut. Das BVL hatte bereits im vergangenen November für den Freisetzungsversuch im IPK grünes Licht gegeben. Der NABU hatten den Anbau des Gen-Weizens am Standort Gatersleben mehrfach kritisiert. Nicht nur Hamster und Mäuse können zwischen den verschiedenen Kulturen hin- und herwandern, sondern es besteht darüber hinaus die Gefahr, dass der moderne Gen-Weizen in die alte Sorten der Genbank einkreuzt. Obwohl rund 30.000 Einwendungen von Bürgern, Verbänden und Lebensmittelhändlern gegen den Anbau des genmanipulierten Weizen an das BVL übergeben worden seien, hatte die Behörde dem riskanten Vorhaben zugestimmt.
Aus der FR am 5.5.2010
Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit BVL hat im Genehmigungsverfahren für einen umstrittenen Versuch mit Gen-Weizen auf dem Gelände der Genbank in Gatersleben offenbar größere Bedenken gehabt, als sich dies im Genehmigungsbescheid dieser Behörde vom April 2006 niederschlug.
So hat der Chef der Abteilung Gentechnik des BVL, Hans-Jörg Buhk, in einem Begleitschreiben zur Genehmigung dem Betreiber von Versuch und Genbank, dem Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung IPK, nahegelegt, "den Standort für die Vermehrung" der in Gatersleben gelagerten Weizenmuster, nicht aber die Gen-Versuche selbst "zu verlagern". Er halte dies wegen der "vielen Einwendungen mit Bezug auf die räumliche Nähe zur Genbank für geboten", so Buhk in einem Schreiben.
Aus einer Presseinformation der AbL auf ProPlanta am 3.5.2010:
Die Genbank Gatersleben ist eine der weltweit umfangreichsten Genbanken für alte Kultur- und Getreidesorten, eine „Schatztruhe der biologischen Vielfalt“. Die in der Genbank Gatersleben gesammelten und zu erhaltenden alten Getreidesorten und deren Genressourcen dienen u.a. der Sicherung der Nahrungsmittelqualität und Ernährungssouveränität weltweit. Das BVL nahm mit der Freisetzung die Gefahr einer gentechnischen Kontamination der Bestände der Genbank wissentlich in Kauf, anstatt Gefahrenvorsorge zu betreiben und das Risiko zu minimieren. Noch erstaunlicher: Der Genehmigung war ein Empfehlungsschreiben des Direktors des BVL, Dr. Hans-Jörg Buhk beigefügt, der es „aufgrund der vielen Einwendungen mit Bezug auf die räumliche Nähe zur Genbank für geboten [hielt], den Standort für die Vermehrung der Genbank-Akzessionen [Muster] zu verlagern“ (aus dem Anschreiben zum Genehmigungsbescheid des BVL, 23.11.2006).
Aus "Streit über Samenbank" in: FR, 20.3.2007 (S. 10)
Auslöser des "Stücks aus dem bürokratischen Tollhaus" (Tschimpke) ist die Empfehlung des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz (BVL) an die vom Institut getragene Samenbank, die Vermehrung von herkömmlichem Weizen wegen der umstrittenen Gen-Versuche vom Campus des Instituts weg an einen anderen Ort zu verlagern. Zuvor hatte das BVL dem Institut im Genehmigungsverfahren das Gegenteil, nämlich die Verlagerung der Genversuche, nahegelegt, was vom Leibniz-Institut abgelehnt worden war. Die anschließende, aus rechtlichen Gründen nicht zu versagende Genehmigung des Freisetzungsversuchs war dann mit dem Rat des BVL an das Gaterslebener Institut verbunden, die Vermehrung der alten Sorten aus Sicherheitsgründen an einen anderen Ort zu verlegen.
Der Leiter der Samenbank, Andreas Graner, erklärte nun in einem Interview, das am Montag auf der vom Bundesforschungsministerium finanzierten Website "biosicherheit.de" veröffentlicht wurde, die Verlegung der Vermehrung der herkömmlichen Weizensorten sei logistisch "nicht oder nur mit größtem Aufwand machbar". Graner unterstrich in dem Gespräch die Bedeutung seines Hauses für den Erhalt etlicher vom Aussterben bedrohten Kulturpflanzen. Aufgrund der biologischen Eigenschaften von Weizen und der Sicherheitsvorkehrungen seines Hauses gegen eine Pollenverbreitung bestehe aus seiner Sicht kein Restrisiko einer Vermischung zwischen den alten Weizen-Varietäten und dem Gen-Weizen. Die umgekehrte Frage nach einer örtlichen Verlegung der Gen-Versuche mit dem Getreide, gegen die 30 000 Einwendungen von Bürgern, Verbänden und Lebensmittelherstellern vorliegen, allerdings stellte "biosicherheit.de" nicht. Der Standort Gatersleben ist Keimzelle der Biotechnologie-Offensive des Landes Sachsen-Anhalt.
Aus dem Anschreiben zum Genehmigungsbescheid des BVL, 23. November 2006 (Absender: Dr. H.-J. Buhk, Quelle)
Unabhängig von der Erteilung der Freisetzungsgenehmigung halte ich es aufgrund der vielen Einwendungen mit Bezug auf die räumliche Nähe zur Genbank für geboten, den Standort für die Vermehrung der Genbank-Akzessionen zu verlagern. Ich bitte Sie deshalb, mir Ihre Überlegungen darzulegen, welche Maßnahmen Sie ergreifen wollen, um die Vermehrung der Genbank-Akzessionen an einen anderen Standort zu verlagern. Aus meiner Sicht bietet es sich an, für diese Bestrebungen auch das Land Sachsen-Anhalt um Unterstützung zu bitten.
Schlampereien und Verstöße gegen Sicherheitsauflagen
Das gv-Weizenfeld war ein typisches deutsches Genversuchsfeld. Sprich: Es gibt vieles schief, Sicherheitsauflagen wurden nicht eingehalten usw. Konsequenzen hatte das nie. Die Kontroll- und Genehmigungsbehörden interessieren sich für nichts - und selbst wenn sie mitbekommen, dass ihre Auflagen nicht eingehalten werden, gucken sie weg. So zum Beispiel, als sie herausfanden, dass der gv-Weizen doch Antibiotikaresistenzgene enthielt, obwohl das im Antrag verneint wurde. Auszug aus einem Schreiben der Behörde an die Versuchsleiterin Dr. Weschke, darunter Auszüge aus den Genehmigungsunterlagen:2008 wurde die Mantelsaat viel zu spät eingesät. Sie soll die Drift des Pollens behindern. Doch das Feld war Winterweizen. Die Mantelsaat aus Phacelia wurde erst im Mai ausgesät. Den Pollen dürften die später bunten Randpflanzen kaum noch gesehen haben ...
Irgendwann hackt's aus: Eskalation am gv-Weizenfeld
Mit dem gv-Weizenfeld beherbergte Gatersleben eines der umkämpftesten Versuchsfelder in Deutschland. Das Feld stand bis April 2008 auf dem Gelände des IPK und wurde dann, nachdem Jahre lang trotz vieler Proteste, Bedenken und Verstöße gegen Sicherheitsauflage Behörden und IPK die gv-Aussaat immer deckten, von sechs entschlossenen GentechnikaktivistInnen umgehackt.Diesem Weizen waren Gene aus Ackerbohne und Gerste eingefügt worden, um den Proteingehalt zu erhöhen. Außerdem enthält der Weizen Resistenzgene gegen Antibiotika und eine Resistenz gegen das Pestizid „BASTA“ bzw. „Liberty“ der Firma BAYER. Die Kombination dieser Merkmale, aber vor allen Dingen die Nähe zu den Erhaltungsflächen der Genbank, war es, die einen Sturm an Protesten und Einwendungen von Privatpersonen, Verbänden, WissenschaftlerInnen, Züchtern, Ärzten und Verarbeitern hervorrief. Die Gaterslebener Genbank ist mit ca. 28.000 Akzessionen allein vom Weizen die wichtigste Erhaltungsstelle für diese Pflanze weltweit. Nichts desto Trotz wurde der Versuch genehmigt - und, wie beschrieben, kaltschnäuzig der davon betroffenen Genbank ein Umzug empfohlen. Wie auf deutschen Gentechnikfeldern mit Sicherheitsauflagen umgegangen wird (siehe auch das Gengerstefeld), zeigte der Umgang mit der Mantelsaat. Deren Anlage war im Freisetzungsantrag benannt und als Genehmigungsauflage vorgeschrieben. Sie sollte aus Phacelia bestehen. Damit sollte „die Ausbreitung des Pollens verhindert werden.“ (Freisetzungsantrag vom 10.4.2006, S.10). Wie einem späteren Schreiben des IPK-Anwaltes Horst Rehberger vom 18.2.2009 zu entnehmen ist erfolgte „im Versuchsjahr 2006/2007 […] die Aussaat am 17.4.07, im Versuchsjahr 2007/2008 am 14.5.2008.“ Damit war der Weizen bei Anlage der Mantelsaat schon ziemlich hoch gewachsen und stand kurz vor der Blüte. Bei einer derart späten Aussaat, insbesondere im zweiten Versuchsjahr, konnte die Phacelia keinerlei Funktion mehr als Mantelsaat haben. Das beim Landesverwaltungsamt angestrebte Ordnungswidrigkeitsverfahren wurde jedoch abgelehnt mit der Begründung, dass die Auflagen des Genehmigungsbescheids keine Vorgabe zum Aussaattermin der Phacelia mache (Schreiben vom 2.7.2009, Az. 6786–01-0178). Die Ablehnung unterschrieb Dr. Röllich, der auch für die Kontrolle des Freisetzungsversuchs zuständig war. In einer persönlichen Mitteilung des Dr. Röllich an Rechtsanwältin Katrin Brockmann teilte er mit, dass er das Vorhandensein der Phacelia-Mantelsaat nie überprüft habe, da er Phacelia als Mantelsaat grundsätzlich für ungeeignet halte. Eine Sicherheitsauflage, die eine Mantelsaat vorschreibt, ist egal, wenn die viel zu späte Aussaat mit einer ohne völlig ungeeigneten Pflanzenart erfolgt?
Dubios ging es auch bei der Finanzierung des Feldversuches zu. Die Akten des Genehmigungsvorgangs, der Fördergeldbeantragung beim Kultusministerium und des Zivilverfahrens gegen die sechs FeldbefreierInnen erweckten den Anschein, dass hier öffentliche Fördermittel benutzt wurden, um private Züchtung voranzutreiben. Vor allem die Nordsaatzucht GmbH wurde zum Nutznießer hoher Fördersummen, die das IPK erhielt für Leistungen, die tatsächlich aber von der Nordsaat durchgeführt wurden. Dessen zu leistender, finanzieller oder materieller Anteil wurde im Förderantrag mit Null beziffert. Der Förderungsbescheid enthielt dazu keine Auflage, obwohl die Sortenkreuzungen von der Nordsaat auf agronomische Eigenschaften hin geprüft werden sollten. Dies roch von Beginn an nach Sortenzucht. Im Text des Antrages fand sich zudem die Bemerkung „Mögliche Einnahmen würden sich dann aus den Züchterlizenzen ergeben und entfallen sowohl auf den Kooperationspartner Nordsaat als auch auf das IPK.“ Profite für die Industrie, doch der Geldeinsatz kam vom Steuerzahler! Für die zahlende Landesregierung dürfte das aber sogar der Zweck gewesen sein. Sie agierte stets als Propagandist der Agro-Gentechnik, unter anderem mit der verharmlosenden Behauptung, dass bei Selbstbefruchtern wie Weizen kein Pollenflug vorkäme und daher keine "Maßnahmen ... zur Vermeidung von Auskreuzungen mit gentechnisch veränderten Pollen" nötig wären. Die Aussage ist falsch: Auch bei selbstbestäubenden Pflanzen kommt es zur Fremdbefruchtung, weil ein kleiner Teil der Pollen in die Umwelt gelang und dann andere Pflanzen befruchten kann.
Im Original: Streit um Gaterslebener Versuchsfelder
Ablauf des Genehmigungsverfahrens (aus der Broschüre "Risiken und Nebenwirkungen", Mai 2010)
Die Stellungnahme der Biologischen Bundesanstalt (BBA) zum vervollständigten Antrag umfasst die Blätter 726 bis 728 der Verwaltungsakte. Es seien keine zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen, das heißt Sicherheitsvorkehrungen, die über den Antrag des Leibnitz-Instituts (IPK) hinausgehen, erforderlich. ... Die Bewertung des Robert-Koch-Instituts (RKI) umfasst die Blätter 0889 bis 0896 der Verwaltungsakte. Dabei sind auf den ersten Blättern der Gegenstand des Antrags und der Zweck der Freisetzung beschrieben. Grundsätzlich stellt das Robert-Koch-Institut die Möglichkeit einer Auskreuzung fest, geht jedoch davon aus, dass aufgrund der geringen Auskreuzungsrate keine Relevanz bezüglich einer unkontrollierten Ausbreitung der freigesetzten Linien gegeben sei. ... Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) lehnt in dem Schreiben vom 11.10.2006 die Freisetzung ab. Das BfN ist der Auffassung, dass die Genehmigung nicht erteilt werden kann, weil nach dem Stand der
Wissenschaft im Verhältnis zum Zweck der Freisetzung unvertretbare schädliche Einwirkungen nicht auszuschließen sind. Die Ablehnung wird mit der Möglichkeit der Auskreuzung in die Pflanzen der Genbank und einer ungewollten Ausbreitung in die menschliche und tierische Nahrungskette angesichts des Vorhandenseins der Resistenzgene begründet. ...
Eine Besonderheit im gentechnischen Zulassungsverfahren bildet die Entscheidung der Zentralen Kommission für Biologische Sicherheit (ZKBS), die von der Genehmigungsbehörde berücksichtigt werden muss. Damit soll der spezifische Sachverstand der Kommissionsmitglieder für Fragen dieser Risikotechnologie in die Genehmigungsentscheidungen einfließen. Die Voraussetzung dieses Sachverstands ist für Verwaltungsgerichte in der Vergangenheit ein Grund geringerer Prüfung bei Klagen gegen Freisetzungsgenehmigungen gewesen. Die Entscheidung – der Beschluss – der ZKBS über die Freisetzung kam folgendermaßen zustande. Mit dem Schreiben vom 22.07.2006 wurden den Mitgliedern der ZKBS die vollständigen Antragsunterlagen und gleichzeitig ein Entwurf für eine Beschlussvorlage übersandt. Dieser erste Entwurf der Beschlussvorlage wurde von Dr. Georg Leggewie, dem verantwortlichen Sachbearbeiter für dieses Verfahren beim BVL, verfasst. Auf der ersten
Seite der Beschlussvorlage heißt es ...: "Die ZKBS stellt fest, dass von dem geplanten Freisetzungsversuch von dem gentechnisch veränderten Winterweizen keine schädlichen Einwirkungen auf Leben und Gesundheit von Menschen, die Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge, Tiere, Pflanzen und Sachgüter (§ 1 Nr. 1 Gentechnik) zu erwarten sind. Die ZKBS empfiehlt daher dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, den Freisetzungsversuch zu genehmigen." ... Aus dem Vorkommen von Aegilops und der Möglichkeit von fortpflanzungsfähigen Kreuzungen mit transgenem Weizen ergab sich jedoch keine weitere nötige Sicherheitsvorkehrung für die ZKBS, weil "von einer Auskreuzung der gentechnisch veränderten Weizenlinie in die dortigen Kulturen durch den vorliegenden Abstand zwischen den Flächen etwa 500 m nicht auszugehen" sei. ...
Das Bundesamt für Verbraucherschutz (BVL) erteilte die Genehmigung zur Freisetzung des gentechnisch veränderten Weizens in unmittelbarer Nähe der Vermehrungsflächen der Genbank. ... Das BVL vertritt die Auffassung, dass, wenn überhaupt, nur ein geringes Risiko der Auskreuzung bestehe. Dieses Risiko wurde jedoch nie zahlenmäßig in einer Zusammenschau beziffert. Nach dem Einräumen eines Risikos für die Pflanzen auf den Vermehrungsflächen kommt das BVL zu dem Schluss, dass eine solche „außerplanmäßige Verbreitung“ unproblematisch sei. Denn selbst wenn es zu Auskreuzungen käme, hätten diese keine schädlichen Einwirkungen im Sinne des Gentechnikgesetzes. Das heißt, die Genehmigung konnte nach Auffassung des BVL trotz eines nicht auszuschließenden Risikos von Auskreuzungen erteilt werden. Für die Begründung werden zwei Argumente bemüht:
– Auskreuzungen von gentechnisch verändertem Weizen auf Pflanzen der Genbank sind keine schädlichen Einwirkungen, da diese Pflanzen immer in gewissem Umfang Auskreuzungen ausgesetzt sind und es keine Verpflichtung gibt, die Pflanzen der Genbank genetisch rein zu erhalten.
– Die Pflanzen der Genbank befinden sich im Eigentum des IPK. Das Gentechnikgesetz schütze nur fremdes Eigentum oder Sachgüter vor schädlichen Einwirkungen, nicht das Eigentum des Freisetzers. Das IPK könne damit unter Ausschluss Dritter tun und lassen was es will, gegebenenfalls eben auch zerstören. ...
Das Bundesamt erklärte im Prozess weiter, dass jeder Eigentümer mit seinem Eigentum nach Belieben verfahren kann. Diese Regelung aus dem bürgerlichen Gesetzbuch kennt jedoch eine wichtige Einschränkung. Sie gilt nur solange, Rechte Dritter nicht entgegenstehen. Das IPK selber ließ durch seinen Anwalt zu diesen Rechten Dritter ausführen: Die Züchter und Vermehrer, die seit Jahren Muster aus Gatersleben anfordern und damit zum Erhalt der Arten arbeiten, hätten genauso wenig einen Anspruch auf Schutz der Weizenakzessionen vor Kontamination mit gentechnisch veränderten Weizen, wie ein Kunde eines Baumarktes auf Erhalt dieses Baumarktes. Die Anwälte des IPK schrieben wörtlich: „Der Kunde eines Baumarktes hat weder einen Anspruch auf Erhalt des Unternehmens noch kann er sich gegen eine Entscheidung der zuständigen Baubehörde wenden, mit dem die Erweiterung des Baumarktes abgelehnt wurde, was den Baumarkt in seiner Existenz gefährden könnte.“
Schriftsatz des BVL am 24.4.2007 im gerichtlichen Eilverfahren (Quelle wie oben)
Unabhängig von den vorangestellten Ausführungen kann das juristische Argument einer Beschädigung von Sachgütern im Sinne des § 1 Nr. 1 GenTG, nämlich dem Bestand der IPK-Genbank, durch Einkreuzung eines Fremdgenes, grundsätzlich nicht greifen. Denn Sachgüter werden durch das GenTG nur insoweit vor schädlichen Einwirkungen geschützt, als es sich dabei um aus der Sicht des Schädigers fremde Sachgüter handelt. Die Schädigung eigener Sachgüter infolge einer Freisetzung wird vom Tatbestand des §1 Nr.1 GenTG hingegen nicht erfasst. Insoweit gilt, dass der Eigentümer einer Sache, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen kann (vgl. § 903 Satz 1 BGB). Da die in der Genbank enthaltenen Weizensorten im Eigentum der IPK Gatersleben stehen, läge daher selbst bei einer Fremdbefruchtung der Weizensorten der Genbank ein Schaden an fremden Sachgütern i.S.d. § 1 Nr. 1 GenTG nicht vor.
Die ewige Lüge: Weizen kann nicht auskreuzen ...
Aus der Landtags-Drucksache 4/2703 (Sachen-Anhalt, 4. Wahlperiode, am 21.03.2006, S. 6)
Folgende Maßnahmen werden zur Vermeidung von Auskreuzungen mit gentechnisch veränderten Pollen ergriffen:
1. Anbau von GVOs, welche nicht im Genbanksortiment am Standort Gatersleben gehalten werden (Kartoffel).
2. Beim Anbau nicht-selbstbefruchtender GVOs werden die Blüten vor der Pollenreife entfernt und vernichtet (Tabak). GVOs, bei welchen die Ernte der Samen erforderlich ist, sind strenge Selbstbefruchter (Erbse, Weizen). Darüber hinaus wird in den entsprechenden Versuchen durch Netze die Verschleppung von Samen durch Vögel verhindert.
Who is who ... rund um IPK und Gatersleben
Eine ganze Reihe wichtiger ParteifunktionärInnen setzte sich für die Agro-Gentechnik in Sachsen-Anhalt ein. Zentral war die Rolle der FDP. Aus Saarbrücken war Horst Rehberger ins Land gekommen, um profitträchtigen Branchen Beine zu machen. Angetrieben wurde er von seiner "Leidenschaft für die Grüne Biotechnologie und die Grüne Gentechnik", wie er in seiner Biographie "Unterwegs" beschrieb. Als Plattform wurde unter anderem der Lobbyverband InnoPlanta gegründet - mit Sitz in Gatersleben. Sein Gründungsvorsitzender, Thomas Leimbach, ist heute Chef des Landesverwaltungsamtes, d.h. der Behörde, die - eigentlich - die Praxis der Gentechnik kontrollieren soll.Aus den FDP-Cliquen entsprang auch die Zentrale Person beim Aufpäppeln der grünen Gentechnik war Uwe Schrader, unter Rehberger Referent im Wirtschaftsministerium und schon 1999 als „Experte“ beim Magdeburger Unternehmen tti mit der Entwicklung eines Konzepts zur Ankurbelung der Gentechnik befasst. Dieses mündete in eine millionenschwere Förderung „InnoRegio“. Damals hatte Uwe Schrader noch keine Kreide gefressen, sondern bezeichnete die grüne Gentechnik als das, was sie auch ist: Eine profitträchtige Sparte der Chemiebranche. Der Absatz von Spritzmitteln würde stark steigen, prognostizierte und freute sich Uwe Schrader: „Die Aussicht, in dem stagnierenden Pflanzenschutzmittelmarkt durch Anwendung der Pflanzenbiotechnologie Positionsverbesserungen zu erzielen, erklärt die für das Marktvolumen und die Profitabilität der Branche unerwartet hohe interne und externe F&E- Intensität.“ Regionen, in denen der Pestizidabsatz durch die Gentechnik steigt, werden von Uwe Schrader als positive Beispiele angeführt: „Die sich abzeichnenden Erfolge in der Einführung von transgenen Kulturpflanzen in Nordamerika, Argentinien und Brasilien haben der durch Übernahme und Fusion von Pflanzenschutzmittelherstellern erfolgten Marktkonsolidierung weiteres Momentum gegeben und zu einer regen Akquisitionstätigkeit der Unternehmen in die Biotechnologie- und Saatzuchtbranche geführt.“50
Uwe Schrader blieb den Bioparks im IPK nach 2006 als FDP-Landtagsabgeordneter treu, während Rehberger u.a. als Anwalt half. Ihnen gelang die Einbindung einer Vielzahl von Konzern- und BehördenvertreterInnen. Im wissenschaftlichen Beirat des IPK sitzt Thomas Kühne vom JKI, im Genbank-Beirat sein Kollege Prof. Frank Ordon. Kühne ist auch im Vorstand von InnoPlanta aktiv, der im IPK untergebrachten Lobbyorganisation. Im Stiftungsrat sind die Ministerien direkt vertreten: Joachim Welz, Thomas Reitmann (Kultusministerium), Martin Köhler und Jürgen Roemer-Mähler (beide BMELV). Offen sichtbare Aktivitäten externer Konzerne waren trotz der Verflechtungen eher selten. Nur die BASF Plant Science pflanzte mehrfach Kartoffeln am IPK an,49 ihr Vize-Präsident Ralf-Michael Schmidt sitzt im Wissenschaftlichen Beirat des IPK. Jens Lerchl, Geschäftsführer der am IPK ansässigen Firma SunGene und Sprecher des „Green Gate Gatersleben - The Plant Biotech-Center“, einer Standortinitiative aller in Gatersleben ansässigen Biotechnologiefirmen einschließlich des IPKs, brachte die gesamte Situation treffend auf den Punkt: „Der Standort fasst das zusammen, was ein guter Standort haben sollte: Forschung mit internationaler Ausstrahlung, Innovation ..., eine starke Unterstützung aus Politik und Verwaltung.“ (Broschüre „Die Zukunft braucht Ideen“, herausgegeben vom Green Gate Gatersleben, 2008, Seite 3, www.green-gate-gatersleben.com)
Im Original: Gaterslebener Seilschaften
Aus der Broschüre "Risiken und Nebenwirkungen", Mai 2010
Leiter der Genbank war zum Zeitpunkt der Freisetzung Prof. Graner. Er trat öffentlich für die Freisetzung ein. Prof. Graner behauptete auch öffentlich, dass von der Freisetzung für die Vermehrung der alten Sorten kein Risiko ausginge und begründete dies mit einer Untersuchung des IPK, die beweise, dass kein Auskreuzungsrisiko gegeben sei. ...
Vorsitzender des Genbankbeirates war im Jahr 2006 Dr. Reinhard von Broock von der Lochow-Petkus GmbH, einem Unternehmen der KWS. Dr. von Broock war zuvor nie mit Problemen von Genbanken befasst. Nach seiner Auffassung trägt moderne Pflanzenzüchtung zum Erhalt der Biodiversität bei. Gentechnik verändere daran nichts. Über diese Auffassungen kann man trefflich streiten. Eine Interessenvertretung für die Genbank gegen eine Freisetzung auf dem Gelände der Stiftung durch diesen ausgewiesenen Befürworter von Agrogentechnik ist jedoch nicht gegeben. ...
Das Land Sachsen-Anhalt hat für die zweijährige Freisetzung des Genweizens bis einschließlich 23.04.2009 immerhin insgesamt 386.638,44 € an das Institut in Gatersleben gezahlt.
Aus Andreas Bauer (2007): "Genbank Gatersleben: Gentechnik oder genetische Ressourcen?"
2006 wurde auf dem Gelände des IPK zusätzlich der „Biopark Gatersleben“22 eröffnet. In den neu errichteten Gebäuden entstehen Mietflächen für Unternehmen, die sich mit Pflanzen-Biotechnologie beschäftigen. Ermöglicht wurde die Erweiterung des Gentechnik-Standortes Gatersleben maßgeblich durch die katholische Kirche bzw. das Bistum Magdeburg. Über eine Tochterfirma der Gero AG, die BGI Biopark Gatersleben Infrastrukturgesellschaft mbH, investierte die kath. Kirche, laut einem Bericht des Rheinischen Merkur vom 26.4.2007, rund 35 Millionen Euro in den Biopark. Das Bistum Magdeburg ist alleiniger Aktionär der Gero AG, die 2001 aus dem Siedlungswerk St. Gertrud hervorgegangen war. Im Rahmen der sogenannten „Biotechnologie-Offensive“ wurde das Projekt „Biopark Gatersleben“ vom Landes Sachsen-Anhalt mit einer Investitionssumme von 35 Millionen Euro angeschoben. Der Biopark entsteht mitten auf dem IPK-Gelände, genau zwischen dem Areal mit den Gebäuden und den Freilandflächen. Die Fläche des geplanten Bioparks beträgt ca. zehn Hektar. Die Freilandflächen des Bioparks grenzen direkt an die Freiland-Vermehrungsflächen der Genbank. Es befindet sich nur ein kleiner Baumstreifen dazwischen. Neben Gebäuden und Freilandflächen gehört auch ein 1350 m² großes Forschungsgewächshaus zum Biopark. Mieter des Bioparks sind bislang: Saaten-Union Resistenzlabor GmbH, Greenhouse Service GmbH24: das Unternehmen bietet die Durchführung von Gewächshausversuchen an und verfügt offenbar über entsprechende Gewächshausflächen auf dem Gelände, Futura GmbH, GWG Gaterslebener Wirtschaftsförderungs GmbH, Gemeinde Gatersleben ,
Eine besondere Rolle spielte zudem Prof. Uwe Sonnewald.53 Seit 1992 im IPK, leitete er ab 1998 die Abteilung für molekulare Zellbiologie. Uneingeschränkt warb er für die Gentechnik - einfach alles werde besser: „Die Grüne Gentechnik wird in absehbarer Zeit dazu beitragen, den Ressourcenverbrauch in der Landwirtschaft zu optimieren. Die Verbraucher profitieren, weil Gentechnik die Lebensmittelqualität durch Optimierung der Inhaltsstoffe verbessern hilft, die Eliminierung von Allergenen ermöglicht und die Herstellung hochwertiger Moleküle für pharmazeutische Anwendungen erlaubt. Darüber hinaus ist eine verbesserte Produktion pflanzlicher Rohstoffe zu erwarten. Schließlich werden Pflanzen künftig industrielle Enzyme und Feinchemikalien liefern. Die Landwirte können mit weiteren Ertragssteigerungen rechnen, weil Verbesserungen bei Resistenzen und Stoffwechseloptimierungen möglich werden.“54 Zeitgleich mit der Übernahme der Abteilungsleitung gründete Sonnewald zusammen mit BASF die Firma SunGene - Forschung und Konzerne waren direkt verbunden. Ab 1996 saß er in der ZKBS, d.h. er kontrollierte die eigenen Projekte und die der KollegInnen in den Gentechnik-Seilschaften. Das setzte er fort, als er 2004 an die Uni Erlangen wechselte - und von dort die Forschungen an transgener Gerste zusammen mit dem Gießener Prof. Karl-Heinz Kogel vorantrieb.
Im Original: Prof. Uwe Sonnewald
Zitat von Prof. Uwe Sonnewald auf www.transgen.de
Die Grüne Gentechnik wird in absehbarer Zeit dazu beitragen, den Ressourcenverbrauch in der Landwirtschaft zu optimieren. Die Verbraucher profitieren, weil Gentechnik die Lebensmittelqualität durch Optimierung der Inhaltsstoffe verbessern hilft, die Eliminierung von Allergenen ermöglicht und die Herstellung hochwertiger Moleküle für pharmazeutische Anwendungen erlaubt. Darüber hinaus ist eine verbesserte Produktion pflanzlicher Rohstoffe zu erwarten. Schließlich werden Pflanzen künftig industrielle Enzyme und Feinchemikalien liefern. Die Landwirte können mit weiteren Ertragssteigerungen rechnen, weil Verbesserungen bei Resistenzen und Stoffwechseloptimierungen möglich werden.
Lebenslauf bei der Wissenschaftsakademie Nordrhein-Westfalen
Uwe Sonnewald, Professor Dr., geboren 1959 in Köln. 1980-1986 Studium der Biologie an der Universität Köln. 1986-1989 Doktorarbeit am Institut für Genbiologische Forschung in Berlin. 1989-1992 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Genbiologische Forschung in Berlin. 1992-1998 Gruppenleiter am Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben. 1993 Habilitation im Fach Biochemie an der Universität Göttingen. Seit 1996 stelvertretendes Mitglied der Zentralen Kommission für Biologische Sicherheit (ZKBS). 1998 Gründungsgesellschafter des Pflanzenbiotechnologie Unternehmens-Sungene. 1998-2004 Professor an der Universität Halle-Wittenberg und Leiter der Abteilung Molekulare Zelbiologie am Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben. Seit 2004 Professor für Biochemie an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg. 2004 Berufung in das Fachkollegium 202 „Pflanzenwissenschaften“ der DFG und in die DFG-Senatskommission für Grundsatzfragen der Genforschung.
- Biografische Daten zu Sonnewald auf einer Seite der Uni Erlangen ++ Weiterer Lebenslauf
Joachim Schiemann, staatlicher Grenzwertforscher und Vielfach-Funktionär in den Gentechnik-Seilschaften, arbeitete selbst viele Jahre im IPK und wechselte dann zur Bundesfachanstalt JKI, wo er selbst mit Gentechnik experimentieren und gleichzeitig an den Genehmigungsanträgen beratend mitwirken konnte. Ob fürs AgroBioTechnikum oder fürs IPK - Schiemann engagierte sich stets für den Ausbau der Agro-Gentechnik. 2009 trat er als Hauptredner beim Tag der offenen Tür am Biopark in Gatersleben auf.
Hauptvortrag beim Tag der offenen Tür am 6.6.2009 durch Joachim Schiemann
Eveline Nettlau päppelte als Geschäftsführerin der regionalen Wirtschaftsförderungsagentur die Gentechnikschmiede in Gatersleben hoch. Dabei verschaffte sie sich auch selbst einen guten Posten - als Geschäftsführerin des Gründerzentrums für Biotechnologie (www.startupbiotech.de). Damit nicht genug: Nettlau ist auch Schatzmeisterin des Lobbyverbandes InnoPlanta e.V. - die Frau für Geldfragen an allen Schaltstellen.
Ohnehin: Für die Einbettung des IPK in die deutschen Gentechnik-Seilschaften ist noch bedeutend, dass der wichtige Lobbyverband InnoPlanta hier seinen Sitz hat. Nirgendwo sind die Drähte zwischen LobbyistInnen, Konzernen, ihren Tochterunternehmen und verschiedenen Kleinstfirmen, staatlichen Behörden und sogenannter Wissenschaft so intensiv und dicht wie in Gebäuden und auf den Versuchsfeldern in Gatersleben. Zumal viele Wege zu weiteren Gentechnikinstitutionen nicht weit sind. Die Börde und angrenzende Flächen sind die Hauptregion deutscher Agrogentechnik. Von Gatersleben bis Quedlinburg (Sitz des JKI), Dreileben (KWS-Einrichtungen) und Üplingen (BioTechFarm) sind es nur wenige Autominuten. Zwischen der BioTechFarm und den GentechnikerInnen aus Gatersleben wurde am 7.9.2009 auch ein Vertrag geschlossen, die größeren Flächen in Üplingen zukünftig für Freilandversuche zu nutzen - und umgekehrt die gut ausgestatteten Gewächshäuser und Labore am IPK den GenbastlerInnen aus Üplingen zur Verfügung zu stellen.
- Zu Fußnoten und weiteren Quellen
- Interview mit Feldbefreierin Lea zum Protest gegen das Weizenfeld
- Heinricht Helmut Gäde (1998): "Die Kulturpflanzenbank Gatersleben", Ruth Gerig Verlag
- Andreas Bauer (2007): "Genbank Gatersleben: Gentechnik oder genetische Ressourcen?", Umweltinstitut München
- Katrin Brockmann u.a. (2010): "Risiken und Nebenwirkungen - Die Genbank Gatersleben und die Freisetzung von gentechnisch verändertem Weizen"
- Hausarbeit von Mirjam Anschütz zu den Strukturen, Verflechtungen und Versuchsfeldern in Gatersleben (2010)
- Bericht zur Lage der Agrogentechnik in Gatersleben im Sommer 2015 (MDR, mp3-Datei)
- Zusammenfassender Text über die Gentechnikfelder in Gatersleben