Polizeidoku Gießen

PROZESS UM FARBATTACKE AUF JUSTIZGEBÄUDE

25.9.2006: Der dritte Prozesstag


1. Vor dem ersten Termin: Anklageschrift, Verteidiger-Beiordnung
2. Vorab ... 4. Dez. 2003: Staatsschutz und Polizei in der Projektwerkstatt
3. 4.9.2006: Der erste Prozesstag
4. Das Drama des 4.9.: Versuchte Manipulation
5. Das absurde Gutachten: Schlechte Bilder besser zur Erkennung des Gewünschten!
6. 11.9.2006: Der zweite Prozesstag
7. 25.9.2006: Der dritte Prozesstag
8. Der vierte Verhandlungstag
9. 2.11.2006: Der fünfte Prozesstag
10. 20.11.2006: Der sechste Prozesstag
11. 20.11.2006, Urteil erster Instanz: Einzelauszüge und Gesamttext
12. Auf dem Weg zur zweiten Instanz
13. Die spannenden Fragen des Prozesses
14. Am 4. August 2008 sollte die Berufung starten ... aber es wurde nix!
15. Die Justiz gibt auf ... Einstellung - politisch brisant, juristisch spektakulär!

Der Plan von Richter Wendel für den 25. September 2006, 8.30 Uhr im Amtsgericht

Montag, 25. September, ab 8.30 Uhr
Keine Zeugen fest bestellt, aber einige vorgeschlagen. Wendel wird bis zum 25.9. klären, welche er lädt. Unter anderem von ihm aus vorgeschlagen: Schweitzer (Mitarbeiter HLKA), der die Kameras aufstellte.

Weitere Termine
  • Montag, 16. Oktober 2006 ab 9 Uhr im Saal 100 A (das ist der rein formal notwendige Termin, an dem wenig abgehen dürfte ... Vaupel ist nicht da, was allerdings nur geringen Unterschied machen dürfte; ZeugInnen werden auch nicht geladen)
  • Donnerstag, 2. November 2006 ab 8.30 Uhr im Saal 100 A: Wahrscheinlich der Termin, wo die Staatsschützerriege mit Puff und Broers nochmal anmarschiert – sicherlich bis in den kleinen Zeh konzentriert, aber ob das reicht?
  • Montag, 20. November 2006 ab 8.30 im Saal 100 A... immer im Amtsgericht Gießen

Ein Kurzbericht
  • Am 25. Oktober 2006 wurde die Hauptverhandlung im „Bunte Gerichte“-Verfahren fortgesetzt. Der 3. Verhandlungstag endete schon kurz nach 10 Uhr, hatte es dennoch aber in sich: Neben neuen Akten, „nachgeholten“ Ermittlungen und einem seltsam aufgestocktem Polizeiaufgebot, dass zwei Personen noch Stunden nach dem Prozess im gesamten Stadtgebiet verfolgte, war der Höhepunkt des Tages der kurze Auftritt des LKA-Beamten Schweitzer, der in die Installation und Auswertung der Überwachungskameras eingebunden war. Seitens seiner Behörde war die Aussageerlaubnis zwar stark eingeschränkt, erlaubte ihm dennoch einige Korken: So gab er z.B. salopp zu, dass die Überwachung verdeckt erfolgt sei (also ohne Schilder – die aber jemand schon erfunden hatte ...) – und präsentierte eine neue Version, welche Rechtsgrundlage es dafür gegeben haben soll. Drei weitere Verhandlungstage wurden angesetzt, so dass ein schnelles Ende des Verfahrens, dass sich sichtbar zu einem Lehrstück für Verfahrensmanipulationen, Falschaussagen durch Polizei und Rechtsbeugung durch die Staatsanwaltschaft entwickelt, nicht absehbar ist.
  • Nächste Termine abgemacht (siehe oben)

Anträge
Es wurden etliche Anträge gestellt. Neben den unten aufgeführten gab es ...

Beweisantrag zu verschwiegenen Erkenntnissen
Zum Beweis folgender Tatsache stelle ich diesen Antrag:
Es existieren entgegen den Aussagen der Vertreter des Staatsschutzes Gießen weitere Videoaufnahmen von anderen Kameras und/oder weitere Erkenntnisse über TäterInnen.

Begründung:
Auf Blatt 11 der Akte schreibt der Staatsschutzbeamte Broers, wie er auf dem Video eine Person sehen konnte, die auf einer Wand des Amtsgerichtes Parolen aufträgt. Genaues Zitat: „Durch die, nach den im Hinblick auf die ersten Sachbeschädigungen und der anstehenden Gerichtsverhandlung am 15.12.2003, durchgeführten Überwachungsmaßnahmen wurde in der Nacht eine männliche Person dabei gefilmt, wie er an einer Hauswand des Gerichtsgebäudes (AG) und am Hintereingang Schmierereien und Parolen anbrachte“.

Diese Formulierung des Staatsschützers Broers ist am 11.9.2006 bereits Gegenstand der Verhandlung gewesen. Dabei wurde deutlich, dass die Formulierung zum Ziel hatte, eine Hausdurchsuchungsanordnung zu erreichen. Dass der Gießener Staatsschutz Beweise und ganze Straftaten erfindet, um von ihm unerwünschte Personen zu kriminalisieren, ist allgemein bekannt. Daher wäre nicht überraschend, wenn Broers auch an dieser Stelle – wie auch sonst oft – schlicht gelogen hätte.

Allerdings überrascht die Präzision seiner Beschreibung. Er schreibt nicht nur (wie am 11.9.2006 bereits verhandelt), dass er eine Person auf dem Film habe sehen können, die Parolen schreibt, sondern benennt auch den Ort. Nun ist auf den bisher betrachteten Filmen nur ganz unscheinbar am Rand etwas Wand zu sehen – diese Flächen sind aber auch gar nicht besprüht worden.

Staatsschützer Broers muss daher einen anderen Film einer anderen Stelle gesehen haben. Offensichtlich hat er dabei aber auch eine Person oder mehrere Personen bei der Tatausführung beobachtet, die nicht der hier Angeklagte sein können, denn sonst wäre das Material als Beweismittel in den Prozess eingebracht worden. Angesichts dessen, dass der Staatsschutz Gießen in mehreren Fällen im Laufe dieses Verfahrens bereits entlastendes Material aus dem Verfahren hat verschwinden lassen (z.B. Halbstiefel oder Handschuhe, jeweils mit Farbanhaftungen, aber ohne die DNA-Spuren des nach politischen Kriterien ausgewählten Beschuldigten) und gleichzeitig belastende Spuren erfunden hat (Gipsabdruck des Turnschuhs), ist naheliegend, dass es auch hier zu Manipulationen der Ermittlungen gekommen ist.

Zum zweiten sei auf eine Formulierung des Ex-Staatsschutzchefs Puff hingewiesen, die dieser in einem Antrag auf Unterbindungsgewahrsam an das Amtsgericht Gießen unterbrachte. Neben den für Staatsschutzchef Puff üblichen Lügen z.B. bezüglich der Zuordnung von Internetseiten zu konkreten Personen und bezüglich der Zuordnung von Personen zum Umfeld der Projektwerkstatt spricht Puff von „einer der Täter“ in Bezug auf die Sachbeschädigungen in der Nacht zum 3.12.2003 (Bl. 78). Diese Formulierung ist verdächtig nahe an den Aussagen von Broers hinsichtlich einer auf einem Film zu beobachtenden Person, die Parolen an eine Wand sprühte. Es liegt auch hier der Verdacht nahe, dass Puff mehr weiß als er zugibt.

Beweismittel:
  • Beschlagnahme und Sichtung aller verfügbaren Akten zu dem Vorgang bei der Kriminalpolizei Mittelhessen
  • Erneute Vernehmung der Zeugen Broers, Puff sowie eventuell festzustellender weiterer AugenzeugInnen der ersten Filmvorführungen am 3.12.2003 zu dieser Frage.

Gestellt am 25.9.2006 (3. Prozesstag)

Ergebnis
Broers und Puff werden geladen (wahrscheinlich am 2.11.2006). Die Beschlagnahme wurde erstmal nicht angeordnet.

Antrag auf Aufklärung einer Verfahrensmanipulation
Am Ende des ersten Prozesstages mischte sich eine bislang unbekannte Person, die im Zuschauerbereich gesessen hatte, in den Verhandlungsablauf ein. Anders als bei anderen Personen wurde sie von Richter Wendel nicht ermahnt und dann, als sie sich nicht stoppen ließ, aus dem Saal verwiesen, sondern Wendel unterbrach die Sitzung sofort. Offenbar war hier jemand Wichtiges am Werk. Die unbekannte Person (auf Nachfrage behauptete Richter Wendel, diese auch nicht zu kennen) verlangte ein Gespräch mit dem Staatsanwalt Vaupel. Kurz danach wurde ein Zeuge präsentiert, der angab, persönlich die Schilder zur Videoüberwachung angebracht zu haben. Er benannte auch die Orte. Für einen dieser Orte lag wegen der fotografischen Beweissicherung der Parolen an der Gerichtswand aber schon im Verfahren ein Foto vor. Dieses bewies bereits, dass der Zeuge log. Weitere Fotos untermauerten dieses in den Folgetagen. Damit ist klar, dass bewusst eine Falschaussage inszeniert wurde, um ein Beweismittel zu retten. Klar ist auch, dass darin mindestens Angehörige des Amtsgerichts und der Staatsanwalt involviert waren. Zudem besteht der Verdacht, dass die Polizei die Manipulationen steuerte, denn die bislang unbekannte Person wurde vom Richter als der Polizei zugehörig benannt.

Es besteht ein sichtbar berechtigtes Interesse an der Aufklärung der Vorgänge. Daher beantrage ich im Einzelnen:
  • Die Feststellung und Bekanntgabe der Identität der bislang unbekannt gebliebenden Person, die am 4.9.2006 das Verfahren unterbrechen und dann eine Falschaussage herbeiführen konnte.
  • Die Feststellung, welche weiteren Personen in die Vorgänge involviert waren und deren Vernehmung als ZeugInnen.
Gestellt am 25.9.2006 (3. Prozesstag)

Foto: Der für die Polizei den Prozess beobachtende, im Hintergrund die Fäden ziehende und die Verfahrensmanipulation verantwortliche Beamte Zacharias erhält für seine Obrigkeitsdienste eine Urkunde.

Ergebnis:
Der Name der seltsamen Person wurde genannt: Polizeihauptkommissar Zacharias, der Staatsanwalt ihn: "Den kenne ich sehr gut". Die Frage nach weiteren Personen ist noch unbeantwortet. Der Antrag ist zunächst zurückgestellt worden.

Antrag auf Zeugenladung
Mündlich trug der Angeklagte vor, den Justizwachtmeister Weiß nochmal zu hören. Der hatte sich die Sache mit der Video-Beschilderung ausgedacht am ersten Verfahrenstag. Jetzt soll es um die Frage gehen, was mit den Nägeln geschehen ist, nachdem Weiß und Kollege sie aus den Schlössern gepopelt hatten.

Gestellt am 25.9.2006 (3. Prozesstag)

Ergebnis:
Keine Entscheidung von Richter Wendel.

Fußspuren- und Farbgutachten
Als die beiden Gutachten aus dem Verfahren genommen wurde, vereinbarten Richter und Verteidiger, dass entlastende Punkte in das Verfahren eingebracht werden können. Das tat der Angeklagten in den folgenden Fällen:
  • Hinweis auf gefundenen Fußabdruck eines Schuhs, den der Angeklagte getragen haben könnte. Für diesen Abdruck wurde kein genauer Ort genannt - anders als bei allen anderen Gipsabdrücken, die aber keine Schuhähnlichkeit ergaben. Der Angeklagte vermutet daher, dass der Gipsabdruck von der Polizei konstruiert/erfunden wurde.
  • Ergebnis der Farbanalyse, dass die sichergestellten, aber dann wieder aus dem Verfahren genommenen Fahrradhandschuhe die gleiche Farbe aufwiesen wie an der Wand des Amtsgerichts gefunden worden sein soll. Der Angeklagte vermutet hier, dass Spuren, die von ihm weg auf andere bzw. unbekannte Personen hindeuteten, gezielt aus dem Verfahren genommen wurden, um ihn als Täter im Rennen zu halten.
  • Ergebnis der Farbanalyse, dass an allen in Frage kommenden Kleidungsstücken, die der Angeklagte getragen haben könnte, wenn er der Täter sein sollte, keine (!) passenden Farbspuren gefunden wurden. Zudem waren alle beschlagnahmten Klebstoffe aus der Projektwerkstatt andere Fabrikate als das Zeux in den Schlössern.


Aus den Akten: Die Fahrradhandschuhe wurden eindeutig bei einer ganz anderen Person gefunden und sichergestellt. Doch im Verfahren galten sie zunächst als Beweismittel gegen den aus politischen Gründen Verfolgten - und als die Panne auffiel, waren die Handschuhe plötzlich ganz uninteressant ... obwohl sie doch die entsprechende Farbe aufgewiesen haben sollen.


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