Polizeidoku Gießen

RECHTS UND ÖKO

Aus Geschichte der Ökologiebewegung und -politik


1. Einleitung
2. Aus Geschichte der Ökologiebewegung und -politik
3. Demografie und Bevölkerungs"explosion"
4. Wechselspiele: Erst Öko, dann Funktionär*in in rechten Gruppen/Parteien
5. Ökologie-/Alternativbewegung und Rassismus
6. Rechte Gruppen und ihre Ökopositionen
7. Rechte als Funktionäre und Vordenker in der Ökologiebewegung
8. Rechte Gruppen in ökologischen Bewegungen
9. Ökologie, Esoterik und antiemanzipatorische Orientierungen in linken/Ökogruppen
10. Faschisten mit grünen Gewand
11. Downloads und Links
12. Buchtipps

Naturschutz der Nazis: Auch BRD-Gesetze gehen auf Nazis zurück
BMU-Pressedienst Nr. 161/02 ( Berlin, 4. Juli 2002)
Bundesumweltminister Juergen Trittin eröffnet Kongress über Naturschutz und Nationalsozialismus
Einen internationalen wissenschaftlichen Kongress zum Thema "Naturschutz und Nationalsozialismus" hat Bundesumweltminister Jürgen Trittin heute in Berlin eröffnet. Vor rund 100 Historikern sowie ehrenamtlichen und beruflichen Naturschuetzern betonte Trittin die Notwendigkeit, die Verstrickung des Naturschutzes und seiner Akteure in das nationalsozialistische System, in seine Ideologie und auch in seine Verbrechen aufzuarbeiten.
Ideengeschichtlich ist der Naturschutz ein Kind der Romantik. Die Forderung nach dem Schutz der Natur war eine Antwort auf die Industrialisierung und auf unwirtliche Städte - und zwar im rechten wie im linken Spektrum: Arbeiter-Wanderbünde und Wandervögel, Naturschwärmer und Heimatbewegte zog es gleichermaßen in die Natur. Erste Naturschutzverbände wurden gegen Ende des 19. Jahrhundert gegründet.
Zwar waren bereits in der Weimarer Verfassung Naturschutz und Landschaftsschutz als Staatsziele enthalten. Das erste landesweite Gesetz zum Schutz der Natur war aber das Reichsnaturschutzgesetz von 1935, aufgrund des Ermächtigungsgesetzes handstreichartig innerhalb von nur zwei Wochen erarbeitet und verabschiedet. Treibende Kraft in der nationalsozialistischen Führungsschicht war seinerzeit Hermann Göring, der sich über die im Reichsnaturschutzgesetz vorgesehene Formel zur entschädigungslosen Enteignung von Flächen für den Naturschutz vor allem wildreiche Jagdgebiete sicherte.
In den meisten seiner Bestimmungen wurde das Reichsnaturschutzgesetz nach dem Ende der Nazi-Herrschaft im Westen Deutschlands als derart unproblematisch angesehen, dass es bis zum ersten bundesdeutschen Naturschutzgesetz im Jahr 1976 Bestand hatte. "Wir müssen heute hinterfragen, worauf sich diese Einschätzung gründete und ob sie je berechtigt war. Wie wir überhaupt sehr viel mehr über das Verhältnis von Naturschutz und Nationalsozialismus erfahren müssen, und zwar im Dialog mit Wissenschaftlern aus anderen Ländern", so Bundesumweltminister Jürgen Trittin.


Im Original: Übergang Nazi-Deutschland - BRD
Der folgende Text stammt von Willi Oberkrome aus dem Buch "Brüggemeier, Franz-Josef/Engels, Jens Ivo (2005): "Natur- und Umweltschutz nach 1945", Campus Verlag in Frankfurt (S. 23 ff.)
Kontinuität und Wandel im deutschen Naturschutz. 1930 bis 1970: Bemerkungen und Thesen

Verschiedene Indizien sprechen dafür, die Geschichte des deutschen Naturschutzes zwischen der Weltwirtschafts- und der Ölkrise unter dem Aspekt einer ausgeprägten Kontinuität zu diskutieren.
Seit der Gründung des Bundes Heimatschutz 1904 (DBH; später DHB) und der Institutionalisierung des Naturschutzes 1906 waren diese beiden Zwillingsbewegungen untrennbar verzahnt und stützten sich auf weitgehend identische soziale Trägergruppen aus dem gebildeten Bürgertum insbesondere der Mittel- und Kleinstädte. Die nicht selten dem höheren Beamtentum und freien akademischen Professionen angehörigen Funktionseliten des Naturschutzes sorgten für eine beständige Erneuerung ihrer personellen Potenziale und damit auch für eine relativ homogene Kohortenbildung. Daraus erwuchsen dem Natur- und Heimatschutz weithin gefestigte "Milieugrenzen".
Auffällig ist die Zählebigkeit der Schriftenreihen und Zeitschriften, die zwar semantisch eigenwillig waren, wohl aber gerade dadurch ein Gefühl von Gruppenzugehörigkeit schufen. Diese Periodika konnten sowohl auf der nationalen als auch auf der regionalen Handlungsebene staatliche Umbrüche und verfassungssystematische Friktionen oftmals mühelos überstehen.
Das wahrscheinlich sinnfälligste Merkmal für eine ungebrochene Persistenz der amtlichen und ehrenamtlichen "Verteidigung" von Natur und Heimat besteht in der Dauerhaftigkeit ihrer strukturellen und organisatorischen Basis. Vom Kaiserreich bis über die Ära Adenauer hinaus fußte der Naturschutz auf den naturkundlichen und naturprotektionistischen Fachgruppen der landschaftlichen Heimatbünde, auf der Tätigkeit der aus ihnen rekrutierten Naturschutzkommissare bzw. -beauftragten sowie auf einer von diesen beratenen Bürokratie. Ihre Arbeit begünstigte die Etablierung der sogenannten Naturdenkmalpflege, das heißt die Sicherstellung "altehrwürdiger" Monumente des territorialen Haushalts - von Solitärbäumen über bedrohte Tierarten bis zu pittoresken Ödländereien.
Das teils vorwärtsweisende, teils kauzige Auftreten heterodoxer "ökologischer" Eiferer und Visionäre tat diesem Gesamtgefüge des frühen deutschen Umweltengagements keinen Abbruch.
Das Bild eines unpolitischen Natur- und Heimatschutzes, der so die politischen Epochengrenzen zwischen Kaiserreich und Bundesrepublik geradlinig durchlaufen konnte, erscheint vor dem Hintergrund solcher Befunde plausibel. Es entfaltet, dafür sprechen weite Teile der wissenschaftlichen Literatur, enorme Suggestivmacht2. Allerdings hinterlässt diese Darstellung nach eingehenderer Betrachtung ein spürbares Unbehagen. Es bezieht sich weniger auf die historiographisch ausgebreiteten Detailergebnisse als auf den Eindruck, Einheit und Geschlossenheit des Gegenstandes seien zu eilfertig konstruiert. Gegen das Bild eines homogenen, kontinuierlich verlaufenden Naturschutzes lassen sich Argumente anführen, die sowohl seine Intentionen, als auch seine Programmatik und seinen Handlungsspielraum während der Weimarer Republik, der NS-Zeit und der formativen Phase der Bundesrepublik betreffen.
Das soll im Folgenden wenigstens andeutungsweise geschehen. Dazu wird zunächst die Situation des Naturschutzes um das Jahr 1930 beleuchtet (I.). Der darauf folgende Abschnitt fragt nach seinen Parametern im "Dritten Reich" (II.). Abschließend rückt der Naturschutz der fünfziger und sechziger Jahre im westlichen Teilstaat in den Mittelpunkt des Interesses.

I.
Wie der Heimatschutz entwickelte sich von wenigen Ausnahmen abgesehen auch der Naturschutz der Weimarer Epoche im Zeichen völkischer Gesellschafts- bzw. Gerneinschaftsentwürfe. So wie die meisten Fachgruppen der landschaftlichen Heimatbünde setzten die Naturschützer darauf, das von "westlicher Zivilisation" und "sozialistischem Ungeist" affizierte "deutsche Volkstum" "ungeschwächt und unverdorben zu erhalten". Dazu wollten sie es an eine vorgeblich unverfälschte Stammes- und Raumkultur heranführen, die ihren Ausdruck in Heimatgeschichte, tradiertem Tanz und Spiel, handgefertigtem Hausrat und bodenständiger Architektur, mundartlicher Literatur und überkommener Brauchtumstreue fand4. In diesem Zusammenhang war auch die Naturdenkmalpflege angesiedelt. Gewiss entsprach die Ausweisung von isolierten Naturmonumenten, kleineren Naturschutzdistrikten und etwas größer dimensionierten Gebieten immer auch wissenschaftlichen Zwecken und freizeitlichen Vorlieben ihrer Betreiber, in aller Regel war sie jedoch hochgradig ideologisiert. Sie war "volkstumsbildend" angelegt.
Die Naturdenkmale galten ihren regionalistischen Fürsprechern als Stätten "sistierter Geschichte" (Adorno), als Bindeglieder zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Deshalb machten sich die Naturschützer dafür stark, dass möglichst viele ihrer - wie man meinte - ideell und sittlich entwurzelten Zeitgenossen/innen in unmittelbaren, sinnlichen Kontakt zu den Denkmälern traten. Auf diese Weise sollten die Menschen einen in erster Linie emotionalisierenden Zugang zu den gebietstypischen Naturrelikten erlangen. Sie sollten Zugang zu Refugien der Selbstbesinnung und des meditativen Einhaltens finden. Ihnen sollten Ruheräume eröffnet werden, die eine tiefenscharfe Vorstellung von den "authentischen" Werten und Wahrheiten der Heimat vermittelten. Die Naturdenkmalpfleger erhofften sich von diesen Erfahrungen eine "ethnogenetische", sozial ausgleichende Wirkung und ließen nichts unversucht, die umsorgten Monumente und die sie umgebende "Szenerie" in "Kapellen" der "Andacht für eine neue weltliche Glaubenslehre" zu verwandeln.
Die deutsche Niederlage im Ersten Weltkrieg potenzierte diesen Prozess. Nach 1918 war allen Beteiligten klar geworden, dass es fortan noch weniger als bisher darum gehen könne, "Kuriositätenkabinette im Freien" zu schaffen. Statt dessen sollten rings um die Naturdenkmäler "Weiheräume" entstehen, in denen die Liturgie einer Heilsbotschaft zelebriert werden konnte, die sich zunehmend radikalisierte. Ihre Offenbarungen rankten sich um die Begriffe "Volkstum und Heimat" sowie "Stamm und Landschaft". Diese Kategorien entwickelten sich zu Leitmotiven einer Volkstumstheorie, die die Bedeutung deutscher Kulturräume und Stämme (Westfalen, Sachsen etc.) betonte und eine regionalistische, landsmannschaftlich differenzierte Kulturpolitik zum Unterpfand des nationalen "Wiederaufstiegs" erklärte. Ihre Verheißungen gossen Wasser auf die Mühlen eines grundsätzlich revanchistisch inspirierten Natur- und Heimatschutzes, von dem manche seiner Anhänger hofften, er würde sogar in - oder vielleicht sogar wegen - der Weltwirtschaftskrise zur allgemein anschlussfähigen"Volkssache" werden.
Diese Hoffnung war indes auf Sand gebaut. Die Bereitschaft, namentlich der "großstädtischen", von Kneipe, Kommerz und Kino der eigenen kulturräumlichen Wurzeln "beraubten" Arbeiter und Angestellten, im kontemplativen Zugriff auf "Mutter Natur" zu sich selber zu finden, hielt sich in aller engsten Grenzen. Ein von zahlreichen Naturliebhabern mit Bestürzung registriertes Desinteresse gegenüber den landschaftlichen und stammesgemeinschaftlichen Erinnerungsorten eskalierte für die Naturschützer in den frühen dreißiger Jahren, als musizierende, "angeheiterte" Sonntagsausflügler und "undisziplinierte" Wandergruppen diese zu ihrer Rettung erkorenen Orte "entweihten". Gegen das sinnesfrohe Treiben waren die Behörden und die Naturschutzbeauftragten gleichermaßen machtlos.
Es bleibt bemerkenswert, dass die von prominenten Natur- und Heimatschützern überschwänglich gefeierte "Machtübernahme" der Nationalsozialisten diese Enttäuschung keineswegs beseitigte'. Im Gegenteil, sie steigerte sich nach 1933 noch, denn das "Dritte Reich" setzte auf den Feldern der Kulturpolitik und des öffentlichen Umgangs mit landschaftlichem Interieur unerwartete Prioritäten.

II.
Der wichtigste Grund für die wachsende Desillusionierung der Naturschützer war die kriegsvorbereitende Autarkiewirtschaft. Sie zog einen ungehemmten industrie- und agrarökonomischen Ressourcenverschleiß nach sich. Die "natürliche Landschaft" war davon in mehrfacher Beziehung betroffen. Der rigorose Aufrüstungskurs führte zu erheblichen Bodenversiegelungen, da neue Fabrikationsanlagen, Arbeitersiedlungen, Straßen und Eisenbahntrassen großzügig genehmigt wurden. Auch die dem bäuerlichen "Reichsnährstand" aufgetragenen Erzeugungsschlachten ließen sämtliche Aufforderungen, die Natur zu schützen, außer Acht. Die Flurbereinigungsmaßnahmen der Landeskulturämter erreichten ein bisher unbekanntes Ausmaß, die Landwirtschaft wurde mit den Erfordernissen einer forcierten Mechanisierung und gesteigerten chemischen Düngung konfrontiert. Lanz und Liebig waren ihre Helden.
Ein Desaster sämtlicher naturkonservatorischen Anstrengungen kündigte sich an, als der Reichsarbeitsdienst auf "die Landschaft losgelassen" wurde. Seine Meliorationen, Drainagen, Ödlanderschließungen usw. ließen die "noch verbliebenen Naturreserven" "verschwinden". Ähnliches zeichnete sich auf dem von "seelenlosen Stangenäckern", mithin "undeutschen", dafür aber schnellwüchsigen Nadelbäumen gekennzeichneten Terrain der Forstwirtschaft ab. Als ein notorischer Widersacher "umweltpolitischer" Ambitionen erwies sich zudem die "Kraft-durch-Freude"-Sektion der Deutschen Arbeitsfront. Die als Aushängeschild nationalsozialistischer "Volkswohlfahrt" instrumentalisierte Organisation vermochte nicht nur die volkskulturelle Angebotspalette der Heimatschützer im Handumdrehen an den Rand freizeitlicher "Massenvergnügen" zu drängen, sie brüskierte auch die Naturdenkmalpfleger ohne jeden Anflug von Scham oder Reue. Regelmäßig zeigte sich, dass die DAF-Touristengruppen und "Sonntagswanderer" an die exponierten Orte der "heimatlichen Natur" führte, ohne auch nur die geringsten Anstalten zu machen, den "in der Stadt unsauber und unerzogen gelassenen Mensch" mit der bewusstseinsbildenden Erhabenheit regionaler Naturmemorabilien vertraut zu machen. im Gegenteil lag den NS-Freizeitmanagern daran, auch im "grünen Dorn" des deutschen Waldes und in der - anscheinend stets - glühenden Heide für "hundertprozentige", alkohol- und gesangbeschwingte "KdF-Stimmung" zu sorgen.
Nach Ansicht der Naturschutzbeauftragten trug nicht allein die DAF, sondern auch der vom Propagandaministerium gelenkte Reichswerberat Schuld an den ausufernden Naturfreveln "entwurzelter Massen". Seine "bis ins kleinste Dorf" getragene Plakatwerbung, die von konventionellen Naturfreunden als schallende Ohrfeige empfunden werden musste, verhieß den "Volksgenossen" nichts anderes als die vermeintlich seichtesten, wie es hieß, "amerikanischen" Konsumfreuden.
An dieser Entwicklung entzündete sich die Kritik zahlreicher intellektueller, zum Teil einschlägig professionalisierter Nationalsozialisten. Sie erkannten, dass die allseits angestrebte "Regeneration des Volkstums" in einer urbanisierten, seriell produktiven, in Grenzen konsumtiven und ausdrücklich technikaffirmativen "Gemeinschaft" nicht mit den volkspädagogischen Mitteln des Heimatschutzes und der Naturdenkmalpflege wilhelminischer Provenienz zu erreichen war. Deshalb setzten sie auf Alternativen. Diese "Reformer" teilten die Vorstellung, dass naturadäquate Umweltbedingungen eine unverrückbare Prämisse der "rassischen Sanierung" und einer sozialtechnokratisch, bevölkerungsingenieural perfektionierten "Volkwerdung" seien. Hiervon ausgehend kooperierten verschiedene radikalvölkische Planungsinstanzen bei den Bemühungen, einen regimespezifischen Naturschutz herauszubilden. Sein vom "Wissen" über die "Gebundenheit deutscher Menschen an Landschaft, Boden und Heimat" vorgegebenes Ziel bildete die mit allen sachverständigen Mitteln durchzuführende Entwicklung "naturnaher Leistungslandschaften", distriktiver Einheiten mithin, die sowohl den volkstumspolitischen als auch den autarkiewirtschaftlichen Erfordernissen gerecht werden könnten.
Der Naturschutz erfuhr dadurch eine aktivistische Kurskorrektur, an der sich verschiedene Gruppierungen beteiligten:

  1. Hochrangige Heimatschützer, die vor allem im westlichen Deutschland, zumal in unmittelbarer Nähe des Ruhrreviers, zu der Erkenntnis gelangt waren, dass den "völkischen Entfremdungseffekten" großindustrieller Produktion und anonymisierter Lebensformen durch die "Renaturierung" trister städtischer Wohnviertel und stadtnaher Erholungslandschaften entgegenzusteuern sei. Ihr Bekenntnis zu einer planifizierten und möglichst flächendeckenden Gestaltung der fraglichen Areale hoben der Vorsitzende des Westfälischen Heimatbundes, der Landeshauptmann der Provinz Westfalen Karl Friedrich Kolbow, sein langjähriger sauerländischer Weggefährte Wilhelm Münker und nach einigem Zögern der führende Repräsentant des DBH/DHB, der rheinische Landeshauptmann Heinz Haake, hervor, indem sie den "Deutschen Bund Heimatschutz" unter Verzicht auf den passiv anmutenden "Schutz"-Terminus 1936 in "Deutscher Heimatbund" umtauften.
  2. Die Vertreter der Obersten Naturschutzbehörde im Reichforstamt und die ihnen assoziierten Mitarbeiter der Reichsstelle für Naturschutz, in erster Linie ihr Leiter Hans Klose. Auf ihre Anregungen ging der Erlass des Reichsnaturschutzgesetzes von 1935 zurück, dessen reale Wirkungsmacht zwar äußerst eingeschränkt war, das aber dennoch drei wichtige Akzente setzte. Zum einen vereinheitlichte es das innere Gefüge des administrativen und des nebenamtlichen Naturschutzes erstmals reichsweit. Zum Zweiten trug es dazu bei, den staatlichen deutschen Naturschutz aus dem Verantwortungsbereich der Kulturverwaltung zu lösen und einem "harten" Ressort unter der Ägide des Reichsforstmeisters und Vierjahresplanbeauftragten, Hermann Göring, zuzuschlagen. Zum Dritten erfüllte es eine alte Forderung gestaltungswilliger Naturschützer, indem es den Landschaftsschutz erstmals legislativ implementierte. Faktisch kümmerte das den nationalsozialistischen Behemoth wenig. Gleichwohl blieb der umweltpolitische Trend, wirtschaftlich genutzte Gebiete mit einem ästhetisch ansprechenden Erscheinungsbild oder wichtigen ökologischen Funktionen vor massiven äußeren Eingriffen zu schützen, seither ungebrochen. Er bildete eine wesentliche Voraussetzung für weiterführende Gestaltungsprojekte.
  3. Repräsentanten der Raumforschung und der Raumordnungsbürokratie, die ihr Fach als unverzichtbare Voraussetzung einer zukunftsträchtigen, rassisch "bereinigten" "Volksordnung" begriffen. Um "aus dem deutschen Vaterlande eine nationalsozialistische Landschaft" zu machen, modellierten fachlich ausgewiesene Planer Raumkonzeptionen, die gleichzeitig, wenn auch nicht unbedingt gleichrangig, auf wirtschaftliche, infrastrukturelle und siedlungsbauliche Kapazitätssteigerungen sowie auf eine kenntnisreiche Restitution von "natürlichen Heimatlandschaften" in ihrem Einflussgebiet abstellten. Diese oft übersehene Kombination ökonomischer, "sozialer" und "umweltlicher" Anliegen charakterisierte im Grunde genommen bereits die Anfänge der zeitgenössischen Landschaftsplanung. Ihren Ausgangspunkt und ihre normsetzende Referenzorganisation bildete der Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk, der seit den zwanziger Jahren montanbezirkliche Begrünungskampagnen als Mittel einer ideellen "Volkstumspflege" betrieb. Dabei hatte sich eine richtungweisende Zusammenarbeit zwischen Raumordnern und regionalen Heimatschützern angebahnt.
  4. Die Landschaftsanwälte des Reichsautobahnbaus (RAB) um Alwin Seifert. Ihr inzwischen gut erforschtes Beispiel illustriert die Orientierung einzelner nationalsozialistischer Behörden bzw. Sonderbehörden auf einen Ausgleich - in Seiferts Diktion, auf eine "Versöhnung" - zwischen technischer Rationalität und "naturräumlicher" Befindlichkeit in zweierlei Hinsicht. Erstens dienten die in der Streckenführung genau kalkulierten Autobahntrassen dazu, den Automobilisten Erlebnisse der landschaftlich diversifizierten "Heimatwelten" zu ermöglichen. Die völkische Prägekraft dieser Wahrnehmung galt als ausgemacht. Zweitens profilierten sich die Landschaftsanwälte der Schule Seiferts als entschiedene Gegner einer durch die flurbereinigte Intensivlandwirtschaft drohenden "Versteppung Deutschlands". Von gigantischen Bodenverwehungen in den USA gewarnt, wurden sie zu Advokaten einer breit angelegten Erosionsprophylaxe durch Hecken und Sträucher. Die Landschaftsanwälte der deutschen Länder und preußischen Provinzen schwangen sich zu Widersachern der auf agrarische Ertragsmaximierung festgelegten Landeskulturämter auf"'.
  5. Die akademisch gebildeten Landschaftsexperten im Planungsamt des Stabshauptamtes des Reichskommissars für die Festigung des deutschen Volkstums (RKF), Heinrich Himmler. Die Verfasser der verschiedenen Varianten des "Generalplans Ost" kooperierten in Sachen Landschaftsgestaltung mit der Obersten Naturschutzbehörde Görings. Die beiderseitige Planung stellte einen untrennbaren Zusammenhang zwischen dem vollzogenen Völkermord, der Deportation indigener Bevölkerungen im östlichen Europa, der "Rückführung" sogenannter "Volksdeutscher" in die "neuen Ostgebiete", den Versklavungs- und Hungertodprojektionen mit 30 Millionen vermuteten Opfern sowie verschiedenen innovativen Naturschutzansätzen her. Der Aussage des RKF-Planungschefs, des Berliner Landwirtschaftswissenschaftlers und Forschungsorganisators Konrad Meyer, der genozidalen "ethnischen Flurbereinigung" im Osten müsse - um der "völkischen" Prosperität des dort anzusiedelnden Deutschtums willen - ein unverzüglicher Ausbau ebenso leistungsfähiger wie naturnah-volkstumsgemäßer Landschaften folgen, stimmten die Gestaltungsspezialisten Heinrich Wiepking-Jürgensmann, Erhard Mäding u. a. unbedingt zu. Sie entwarfen Landschaften, in denen Wallhecken und Baumstreifen für einen naturalen Humusschutz sorgten, naturbelassene Fließgewässer den hydrologischen Zustand des Bodens optimierten und forstwirtschaftliche Zuchtleistungen ein "gesundes" Kleinklima verbürgten. Von der im Auftrag Himmlers erlassenen "Anordnung 20/VI/42" der SS-Territorialplaner, die nach Bekunden ihrer Urheber einen "Markstein der deutschen Landschafts- und Kulturgeschichte" ausmachte, gingen zudem wichtige Impulse auf Landesplanungen im "Altreich" aus.
  6. Natur- und Heimatschützer, die die Initiativen Wiepking-Jürgensmanns und Mädings mit dem Ziel aufgriffen, ihnen im Inneren "Großdeutschlands" Geltung zu verschaffen. Zu diesem Zweck trafen engagierte Gestaltungsbefürworter im Sommer 1941 auf der lippischen Burg Sternberg zusammen. Ihnen lag daran, Möglichkeiten auszuloten, die Landschaftsgestaltung als amtliches Sujet in die Provinzial- und Landesverwaltungen zu integrieren. Dieses Ansinnen des weit über 1945 hinaus rührigen Sternbergkreises fand den Beifall Seiferts, Kloses und Wiepking-Jürgensmanns.
  7. Einzelne, aufs Ganze gesehen allerdings isolierte Landwirtschaftsfunktionäre, die einzusehen begannen, dass die unter Kriegsbedingungen exzessiv gesteigerte Ausbeutung der agrarischen Ressourcen mittelfristig kein gutes Ende nehmen konnte. Sie versuchten, Einfluss auf die Vertreter des Reichsnährstandes und der Flurbereinigungsbehörden zu nehmen, und drängten darauf, Artikel über die Verfahren und Leistungen einer nachhaltigen Landschaftspflege in den landwirtschaftlichen Zeitschriften zu veröffentlichen.
Die "aufklärerischen" Publikationen fruchteten wenig. Entsprechenden Vorstößen war genauso wenig Erfolg beschieden wie den Konzeptionen Wiepking-Jürgensmanns, Kolbows, der Raumplaner usw. Abgesehen von den Planungen der Landschaftsanwälte beim Bau der Autobahnen, waren viele Naturschutz- und Landespflegeentwürfe kaum das Papier wert, auf dem sie niedergelegt worden sind. Nach den Gründen für den fatalen und fast vollständigen Fehlschlag der relevanten Anstrengungen in der NS-Zeit braucht nicht lange gesucht zu werden. Zwei Ursachen hegen auf der Hand; eine weitere ist erst unlängst bekannter ge-
worden. Ein wesentlicher Faktor war das Unvermögen der Gestaltungsbefürworter, sich zu einer geschlossenen, aktionsfähigen Phalanx zu formieren, die ihren Anhegen hätte Nachdruck verleihen können. Aussichtsreiche Ansätze, wie jene des Sternberg-Kreises, wurden wiederholt durch interne Spannungen, Konkurrenzen und Animositäten behindert. Erheblich schwerer wog jedoch die naturschutzpolitische Intransigenz bzw. das offenkundige fachliche Unverständnis einflussreicher Machtinstanzen des "Dritten Reiches". Die Staats- und Parteiführung, die überwiegende Mehrzahl der Gauleitungen, der "Nährstand", die Staatsjugend, die Wehrmacht, das Volkskulturwerk, vor allem aber die Vertretungen der Wirtschaft und der DAF waren für die Gestaltungsvorhaben - trotz ihrer völkischen Einfärbung - so gut wie unempfänglich. Industrielle Produktions- und agrarische Erzeugungsschlachten wurden unter den Auspizien des Vierjahresplanes und der Kriegswirtschaft, ohne Rücksicht auf Verluste geschlagen. Mahnungen, den ungehemmten Rohstoff- und Landschaftsverschleiß einzudämmen, gerieten nach 1942 in den Verdacht, die Kriegsanstrengungen zu untergraben. Unter diesen Voraussetzungen blieben die "kreativen" Naturschützer weitgehend chancenlos, wie sie selber oft leidvoll einsehen mussten.
Eine dritte Ursache ihres Scheiterns ist ihnen erst nach und nach bewusst geworden, nämlich die unerwartete und weitreichende Skepsis, die kommunale Naturschutzbeauftragte dem Gestaltungsgedanken entgegenbrachten. Die "vor Ort“ tätige Naturschutzbasis versagte sich den landschaftskonstruktiven Reformvorstellungen der disziplinären Elite. Wie sich mit der Zeit zeigte, stand der Erzregionalismus der lokalen Fachleute quer zu den neuartigen Vorstellungen. Die lokalen Beauftragten hielten an den Intentionen und den konservatorischen Techniken der durch und durch heimatstolzen Naturdenkmalpflege fest. Als Wegbereiter, geschweige denn als Durchführungsorgane der Landschaftsformung standen sie nicht zur Verfügung.
Dieser Zurückhaltung lagen hauptsächlich drei Überzeugungen und Erfahrungen zugrunde. Zum einen erschien die Landschaftsgestaltung nicht als originäres Produkt eines autochthonen heimatlichen Ideenfundus. Eher schon wurde sie mit einer "zentralistischen Anmaßung" gebietsfremder Kräfte identifiziert. Mochten die Vorschläge der Experten auch noch so plausibel erscheinen, über das Aussehen der "eigenen" Nahräume wollten die Heimatfreunde selber bestimmen. Zum zweiten konnte der "demiurgische" Anspruch der Landschaftsgestaltung als Sakrileg empfunden werden. Konventionelle Natur- und Heimatschützer befürchteten, dass die naturmonumentalen, heimatlichen Identifikationsstätten durch die Verwirklichung einer umfassenden Gebietspflege in Mitleidenschaft gezogen und somit "entweiht" werden könnten. Zum dritten waren die Naturschutzbeauftragten der kommunalen Ebene von den Anforderungen der "Gestaltet" schlicht überfordert. Verschiedene Beteiligte haben ihr Unvermögen, komplizierte biozönotische Zusammenhänge und Erfordernisse bei Ufer- und Ackerbepflanzungen zu durchschauen bzw. handwerklich zu bewerkstelligen, auf den deutschen Naturschutztagen dargelegt. Genauso wie die meisten "Kollegen" beschränkten sie ihr semiprofessionelles "Schaffen" daher auf den musealen Naturschutz.

III.
An dieser Konstellation hat sich nach 1945 kaum etwas geändert. Die gestaltungsaktive Wende des Naturschutzes erstreckte sich - trotz ihrer generell heimatfreundlichen Implikationen - nur selten auf das genuine Feld des Heimatschutzes, der sich von ihr um so leichter abzukapseln vermochte, als er in den ersten Nachkriegsjahren eine regelrechte Renaissance erlebte. In ihrem Licht blühte die seit den dreißiger Jahren fälschlich als überlebt eingestufte regionalistische Naturdenkmalpflege üppig auf. Sie wurde von einer leidenschaftlichen Opposition der Naturschutzbeauftragten gegen vermeintlich undeutsche Pflanzen in der Landschaft und in den Vorgärten, gegen "Anpreisungsreklame" in der Natur und gegen die gebietsverfremdende "Verpappelung" der Alleen und Landstraßen begleitet. Mit solchen "Verstümmelung[en]" der Landschaft, so lamentierte ein westdeutscher Naturschutzveteran, ginge mehr verloren "als ein idyllischer und romantischer Hintergrund, es geht ein Teil dessen verloren, was den Sirin des Lebens ausmacht"24. Solche von westdeutschen Natur- und Heimatschützern in Allianz mit namhaften Pohtikberatern, Kulturbürokratien und nicht selten auch den Kirchen eingeforderten existenziellen Sinnzuschreibungen verwiesen nach 1945 einmal mehr auf das "zeitlose" Wesen des stammes- und kulturräumlich differenzierten "Volkstums". Dessen scheinbar überlieferungsechte Kultur sollte als ein geistig und mental Halt gebendes Gegengewicht zur der sich abzeichnenden Westernisierung der Lebensformen in die Waagschale bundesdeutscher Wertpräferenzen gelegt werden. Von diesem volkstumspflegerischen Impetus war die zeitgenössische konservatorisch-museale Naturpflege unübersehbar geprägt.
Die zeitweilige Dominanz dieses traditionellen Natur- und Heimatschutzes änderte nichts daran, dass der ursprünglich radikal ethnogenetisch angelegte Gestaltungsansatz ebenfalls aus der Erbmasse der "braunen Diktatur" hervortrat. Unzählige Krisensymptome schienen in den späten vierziger und frühen fünfziger Jahren eine umgehende, aktive Gegensteuerung zu erfordern. Angesichts von Berichten über verheerende Forstkalamitäten, erhebliche Humusverwehungen und beträchtliche, meist großstädtische "Wassernöte" waren landschaftstherapeutische Expertisen gefragt wie nie zuvor. Demzufolge schlug die Stunde der Gestaltet. Wiepking-Jürgensmanns, Mädings und Seiferts Vorhaben, den ökologischen Haushalt der Agrargebiete zu stabilisieren, ohne ihre Produktivkraft zu schmälern, stieß nun auf eine Resonanz, die ihm in der NS-Zeit vorenthalten worden ist. Gewiss blieben Heckenanpflanzungen und Windschutzstreifen bei jenen Landwirten umstritten, die ihre Hoffung inzwischen auf vollmotorisierte Betriebsabläufe setzten und die ahnen konnten, das ihre Höfe "weichen" würden, wenn sie nicht effizient wuchsen. Aber die Landschaftsgestaltung erfuhr die Förderung von Verwaltungen, die in sämtlichen Bundesländern "Ämter für Landespflege" aus der Taufe hoben. Förderung kam auch von den Länderministerien, denen die "Revolution des Dorfes" (Paul Erker) und des agrarischen Sektors viel zu ungestüm verlief, sowie von einer Anzahl neuer naturschutznaher Vereinigungen und Einrichtungen. So drückte eine Landschaftsgestaltung, die im Kontext von "Volksgesundheit", gesellschaftlicher Sittlichkeit, ethnischer Dignität und nationaler Substanzsicherung stand, dem Deutschen Naturschutzring, der Naturparkbewegung, der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, dem organisierten Gewässerschutz und dem stellenweise nahtlos auf Wiepking-Jürgensmann rekurrierenden Rat für Landespflege mit seiner Grünen Charta von der Mainau den Stempel auf. Dadurch trat die "Landespflege" als professionalisierter Naturschutzstrang neben die zumeist ehrenamtlich betriebene und heimatbündisch grundierte Naturdenkmalpflege. Beide Naturschutzversionen waren auf landschaftliche Probleme festgelegt. Beide durchzog ein lediglich graduell divergierender volkstumsfixierter Subtext.
Dieser doppelte Primat des Landschaftlichen und sein weltanschaulicher Unterbau erodierten in den sechziger Jahren, als drastische gesellschaftliche Wandlungen und eine beispiellose umwelthistorische Zäsur die bisherigen Plausibilitätskriterien in Frage stellten. Beide Phänomene resultierten aus einer gemeinsamen Bedingungskonstellation, nämlich aus jener "um die Dreiheit von Haushaltstechnik, Suburbarüsierung und Automobil zentrierte[n], energieintensive[n] Lebensweise", die "den freizeitorientierten Konsum zum sinnstiftenden Zentrum des Lebens". machte28. Die in allen industrialisierten Ländern stattfindende "Sinnverschiebung" führte beim deutschen Naturschutz einerseits zur beschleunigten Preisgabe seiner "deutschtümelnden" Bezüge. Selbst für die Menschen, die sich in den sechziger Jahren für die Belange der Natur einsetzten, hatte das Gespenst "amerikanisierter" kultureller Praktiken seinen Schrecken eingebüßt. Sie reisten, nutzten allgemein zugängliche Massenmedien, arrangierten sich mit pluralisierten Lebensstilen und befehdeten die fortschreitende Technisierung des Alltags keineswegs mehr grundsätzlich. Parochiale Sichtblenden, die hauptsächlich "Heimat" und "Stammesart" im eigenen Gesichtskreis duldeten, wurden kurzerhand abgestreift. Wer im zweiten Jahrzehnt der Bundesrepublik von Stämmen sprach, dachte für gewöhnlich an Leinwandapatschen und nicht an Widukinds streitbare Sachsenscharen. Andererseits brachte die rasche Gewöhnung an die populären und erstmals erschwinglichen Freuden des Konsums erhebliche ökologische Belastungen und Herausforderungen mit sich. Der Energieverbrauch der technisch-industriellen Gesellschaft wuchs. Ruß-, Staub- und Säureemissionen verwandelten die Luft auch jenseits der Ballungszentren in einen schädlichen Cocktail. Schon vor dem "Smog" und dem "sauren Regen" wurden die schmutzig-braun-grauen "Schaumkronen" fast aller Binnengewässer als Menetekel eines ökologischen Krisenzeitalters gedeutet.
Dagegen regte sich ein öffentlicher Protest, der den personellen Rahmen des aktiven wie des passiven Naturschutzes sprengte. Immer vernehmbarer meldeten sich neuartige Gruppierungen zu Wort und insistierten auf politische Gegenmaßnahmen. Dass sich diese nicht in konservatorischen Anstrengungen oder landespflegerischen Pflanzaktionen erschöpfen konnten, wurde zusehends zu einem Gemeinplatz der Umweltpolitik. Infolgedessen begannen auch die Naturschützer, eine legislative Verankerung des Verursacherprinzips, Emissionslimitierungen und sorgfältige Grenzwertkontrollen einzufordern. Auf diesem Wege veränderte sich der Status der "Landschaft" im Rahmen eines populär werdenden ökologischen Denkens. Ihr hegemonialer Stellenwert reduzierte sich; der "Einsatz" für die "Naturareale" bildete fortan einen Teil des Umweltschutzes unter anderen.
Die "ökologische Wende" der frühen siebziger Jahre besiegelte diese Tendenz. Sie zog eine Globalisierung der zuvor national verengten Naturschutzperspektiven nach sich. Dabei rückten das Schicksal der tropischen Regenwälder, der weltweit bedrohten Tierarten und die weltweite Ozonproblematik in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Insofern wird man den Zäsurcharakter des Jahrzehnts deutlich unterstreichen müssen. Aber nichtsdestoweniger stand der Naturschutz auch im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts partiell auf den Schultern seiner Vorläufer. Indem er die Warnung vor der "Bevölkerungsexplosion" in Asien und Afrika noch in den achtziger Jahren als xenophobes Grollen ertönen ließ, indem er mit apokalyptischen Zukunftsszenarien die Verlockungen des Massenkonsums neuerlich anprangerte und nicht zuletzt dadurch, dass er "die heile Natur" nach wie vor mit Bildern konnotierte, die den Arsenalen der archivierenden und der gestaltenden Naturschützer entnommen waren, stellte er diesen Sachverhalt - oft unreflektiert - unter Beweis. Aus diesem Grund kennt auch die Geschichte des Natur- und Umweltschutzes keine "Stunde Null", sondern nur das wechselvolle Miteinander von Kontinuität und Wandel.



Im Original: Ökos, Drittes Reich und danach
Aus Dirk Maxeiner/Michael Miersch, „Alles grün und gut?“ (S. 279ff)
Verdrängte Traditionslinien grünen Denkens
"Wer aber vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart. Wer sich der Unmenschlichkeit nicht erinnern will, der wird wieder anfällig für neue Ansteckungsgefahren." Richard von Weizsäcker
1945 gab es plötzlich keine Nazis mehr. Die cleveren und auf Karriere erpichten wandelten sich über Nacht in Demokraten (in den drei Westzonen) oder Kommunisten (in der SBZ). Die Kontinuität des Führungspersonals wurde erst viele Jahre später zu einem öffentlichen Thema. Funktionseliten werden in jedem Staat gebraucht, und so ist es historisch betrachtet nichts Besonderes, dass in allen Institutionen der Bundesrepublik Menschen hohe Posten bekamen, die zuvor den Nazis gedient hatten oder selbst überzeugte Nationalsozialisten waren. Viele waren schnell wieder ganz obenauf, als Juristen, Mediziner, Unternehmer, Politiker, Journalisten. Die Reihe der größeren und kleineren Skandale, die die „Enttarnung“ der NS-Täter und Mitläufer jeweils auslöste, reicht von Globke, Kiesinger und Filbinger über Höfer und Nannen bis hin zu Grass und Jens.
Die Frage ist also nicht, wie es sein kann, dass dieser oder jener vermeintliche oder tatsächliche Nazi später in irgendeiner bundesrepublikanischen Institution Karriere machte, sondern wie sowohl diese Täter als auch die jeweiligen Institutionen, seien es Verbände oder Parteien, Behörden oder große Wirtschaftsunternehmen, mit ihrer Vergangenheit umgehen, ob und wie sie zu ihr stehen.
Unser Herz schlug für die Linke - damit ist nicht die Partei gemeint, die sich später so nannte - und die in den Siebzigerjahren aufkommenden grünen Ideen. Damit wähnten wir uns immer auf der Seite der Guten, derer, die frei waren von braunen Verstrickungen. Wer wie Kiesinger oder Filbinger vertuschte und leugnete, war nach unserer Vorstellung eine Schande für die Demokratie. Und dieser Maßstab gilt, so meinen wir, natürlich auch für uns selbst und jene, die uns politisch nahestehen. Und deshalb halten wir es auch für gegeben, gerade hier einmal genauer hinzuschauen und zu überprüfen, wie es jene mit der Transparenz halten, die sie bei anderen sehr zu Recht immer eingefordert haben.
Als die verschiedenen Ökoverbände und die Partei „Die Grünen“ in den späten Siebzigerjahren entstanden, präsentierten sie sich als eine völlig neue politische Strömung. Die Kritik an Fortschritt, Technik und Industrie jenseits von Arbeit und Kapital, sollte ein dritter Weg sein, doch im Zweifel eher links.
Wie viele andere Akteure auch, waren wir uns damals kaum bewusst, wie sehr die Idealisierung der Natur und Argwohn gegenüber der Moderne zur deutschen Tradition gehört, beginnend spätestens in der Romantik, über die Lebensreformbewegungen um das Jahr 1900 bis hin zur Volksverklärung und der instrumentalisierten „Blut- und Boden“-Propaganda im „Dritten Reich“. Wer genauer hinschaut, lernt: Die hochemotionale Aufladung von Natur, ihre Überhöhung und Mystifizierung ist ein Kontinuum der deutschen Geistesgeschichte.
„Opa, warum sind die Fische tot?“, fragt das kleine Mädchen. Und Opa antwortet: „Weil die Industrie das Rheinwasser vergiftet hat“. Dieser Dialog stammt aus einem Fernseh-Wahlspot der Grünen von 1983, dem Jahr, als die Partei erstmals in den Bundestag einzog. Für die Rolle des freundlichen Großvaters heuerten die Werbefilmer nicht irgendeinen Statisten an, sondern Werner Vogel, Spitzenkandidat der nordrhein-westfälischen Liste. Nach der Wahl und dem Erfolg der Grünen war Vogel der älteste Abgeordnete, damit stand ihm in der Tradition des Bundestags die Eröffnungsrede zu. Doch dazu kommt es nicht. Denn kurz vorher wird seine Vergangenheit bekannt: SA-Sturmführer und NSDAP-Mitglied. Er tritt zurück. Danach wurde es still um Werner Vogel. Er blieb der Partei noch einige Jahre treu und engagierte sich in der Kommunalpolitik. 2013, über 20 Jahre nach seinem Tod, gerät er noch einmal in die Schlagzeilen. Nicht wegen seiner NS-Vergangenheit, sondern weil herauskommt, dass Vogel pädophile Gruppen unterstützte, die versuchten bei den Grünen Einfluss zu gewinnen.
Der NRW-Spitzenkandidat von 1983 war keine Ausnahmeerscheinung. Mehrere Ex-Nazis gehörten zu den Gründervätern der Grünen und zur Führungsspitze der großen Umweltverbände. Sie sind tot und in Vergessenheit geraten. War es ein Zufall, dass sie als Geburtshelfer einer angeblich völlig neuartigen Bewegung fungierten? Passte nicht vieles vom grünen Weltbild in die Weltanschauung ihrer Jugend: die Natur als geistiger Bezugspunkt, das Unbehagen an der Moderne, die Zurückweisung des Fortschritts, das Misstrauen gegen die Technik und der alte deutsche Wunsch nach einer Erziehungsdiktatur?
Wie gesagt: Auch und vor allem bei CDU und FDP schlüpften alte Nazis unter, einige sogar in der SPD, und in der offiziell antifaschistischen DDR stiegen etliche in der SED auf. Doch in diesen Parteien eroberten die braunen Seilschaften ihre Posten unmittelbar nach dem Krieg. Dass 30 Jahre später bei Gründung der Grünen alte Nazis mitmischten, widerspricht einem zentralen Mythos der Partei: Man sei 1980 in aller Unschuld als völlig neue politische Bewegung angetreten.
Zur Verteidigung muss gesagt werden, Vogel und andere Mitbegründer mit brauner Vergangenheit wurden später aus der Partei gedrängt. Einer der wenigen, die sich offensiv mit den ideengeschichtlichen Gemeinsamkeiten von Braun und Grün befasste, ist Jürgen Trittin. Er hat einen Beitrag auf seine Website gestellt, in dem er von „erheblichen Schnittmengen“ und „zahlreichen Berührungspunkten“ schreibt. Der Naturschutz sei „in mehrfacher Beziehung anschlussfähig an das Ideologienkonglomerat der Nazis“ gewesen. „All das mag für einen Naturschützer unangenehm sein - aber es ist die historische Wahrheit“.
Doch Trittins Initiative - er unterstütze als Umweltminister ein wissenschaftliches Symposium zu dem Thema - blieb ein singuläres Ereignis. Anders als die alten Parteien und Institutionen mussten sich die Grünen und die Umweltverbände bis heute kaum kritische Fragen in der Öffentlichkeit gefallen lassen. Ärzteschaft, Justiz, Banken, Konzerne, nahezu alle Institutionen der westdeutschen Gesellschaft wurden in den Achtziger- und Neunzigerjahren über ihre NS-Verstrickungen ausgefragt. Hatten sie wirklich, wie zuvor gern behauptet, nur ganz normale Geschäfte gemacht? Oder doch die Nazis aktiv unterstützt? Hatten sie die Arisierung ausgenutzt, von Sklavenarbeit profitiert? Schnell kapierten die Schlaueren im Führungspersonal, dass man diesen Fragen nicht mehr ausweichen konnte, schütteten sich Asche aufs Haupt und bezahlten Historikerkommissionen, die dann dicke Bände erstellten, die keiner liest. Jeder Bereich der Gesellschaft wurde so ausgeleuchtet und der Fünfzigerjahre-Unschuldsmythos („Ich war's nicht, der Hitler war's gewesen“) beerdigt. Der rasant wachsenden grünen Bewegung hingegen gelang es, sich als jungfräulich darzustellen.
„Ihr lieben grünen Freunde! Wir stehen mit unserer Partei vor einer kopernikanischen Wende! Chaos herrscht, wo ein Stern geboren wird!“ Mit diesen Sätzen vereinte August Haußleiter den bunten Haufen Umwelt- und Friedensbewegter, der sich 1980 zur Grünen Partei zusammenschloss. Die Versammelten wählten den damals 75-jährigen Politveteran zu einem der drei gleichberechtigten Sprecher. Dass er seine pathetische Ausdrucksweise als Kriegsberichterstatter für antisemitische Kampfblätter erlernt hatte, machten verschiedene Medien bald publik. Haußleiter trat als Sprecher zurück, doch noch 1986 zog er für die bayerischen Grünen in den Landtag ein. Auf die Mitbegründer Werner Vogel und August Haußleiter angesprochen, beruhigte Michael Schroeren, Pressesprecher der Grünen-Bundestagsfraktion im Jahr 2012, dass die beiden doch ohnedies Nazis waren, ohne „explizite Bezüge zu einer nazistischen Naturschutzideologie“.
Der Kunsthistoriker Beat Wyss deckte auf, dass Joseph Beuys, hoch dotierter Künstler und prominentes Aushängeschild der jungen Grünen, einst zum Dunstkreis der völkischen Nationalrevolutionäre gehört hatte. Vor seinem Eintritt in die Grünen unterstützte er Haußleiters Partei „Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher“ (AUD). Bernhard Grzimek, der über Jahrzehnte prominenteste deutsche Naturschützer, kandidierte für die „Grüne Aktion Zukunft“, eine Vorläuferpartei der Grünen. Jahrzehnte nach seinem Tod enthüllte die Biografin Claudia Sewig, dass auch er NSDAP-Mitglied war. Sie stuft den Zoologen nicht als ideologisch motiviert, sondern als einen ehrgeizigen Opportunisten ein, der sich ein Parteibuch zulegte, um besser Karriere machen zu können.
Baldur Springmann, der gern in einem Russen-Kittel auftrat, war in der Gründungszeit eines der bekanntesten Gesichter der Partei. Frühere Mitgliedschaften des knorzigen Biobauern umfassten SA, SS und NSDAP. Doch schon bald verließ er die Grünen und wurde Vize der neuen Ökologisch-Demokratischen Partei. Nur ein Jahr nach dem Fall Werner Vogel stellte die Partei Luise Rinser als Kandidatin fürs Bundespräsidentenamt auf, die einst hymnische Gedichte auf Hitler verfasst hatte und noch 1981 in ihrem „Nordkoreanischen Reisetagebuch“ Diktator Kim Il-Sung rühmte. Ein anderer Grüner der ersten Stunde war Alfred Mechtersheimer. Er nahm den umgekehrten Weg, trat von der CSU zu den Grünen über und wurde erst danach immer brauner. Der Friedensaktivist saß bis 1990 für die Partei im Bundestag. In einem Bericht des bayerischen Verfassungsschutzes von 1997 heißt es, Mechtersheimer habe sich „zu einem der wichtigsten Protagonisten rechtsextremistischer Bestrebungen entwickelt“.
Die braunen Jahre in der Biografie mancher Grüner aus der Gründergeneration waren in der Öffentlichkeit nie mehr als ein Randthema, das gelegentlich aufflackerte. Die konservative Presse stürzte sich lieber auf die rote Vergangenheit bekannter grüner Politiker. Auch davon gibt es etliche: Reinhard Bütikofer, Winfried Kretschmann, Joscha Schmierer, Jürgen Trittin, Antje Vollmer und viele, viele andere. Geht man die Namen der grünen Spitzenfunktionäre mit kommunistischer Vergangenheit durch, fällt eines auf: Von den vielen linken Strömungen der Nach-68-Zeit waren die Anhänger der sogenannten K-Gruppen, die Stalin und Mao verehrten, offenbar ganz besonders durchsetzungsstark. Ausnahme: Joschka Fischer, der der undogmatischen, antiautoritären Sponti-Bewegung entstammte.
Anfang der Achtzigerjahre liefen den K-Gruppen die Mitglieder weg. Viele Kader fanden daraufhin ein warmes Plätzchen bei den Grünen. Selbstreflexion - die man von den Nazi-Vätern immer eingefordert hatte - fand nie statt. Man tauschte nur ein paar Formeln aus. „Proletariat“ wurde zu „Umwelt“, „Kapitalismus“ zu „Industriegesellschaft“ und schon konnte die Karriere weitergehen. „Die neurotische Grundstruktur der K-Gruppen“, schreibt Götz Warnke in seinem Buch „Die grüne Ideologie“, „wurde als hysterische Form des Marxismus beim Übertritt zu den damaligen Grünen teilweise mittransportiert. Die neue Partei ermöglichte den K-Leuten, ihren eigenen Anspruch, etwas Besonderes, eine Art Elite zu sein, selbst nach dem Scheitern ihrer Ideologie aufrechtzuerhalten“.
Die totalitäre Geisteshaltung hat sich beim Übertritt von den K-Gruppen zu den Grünen nicht in Luft aufgelöst. Viele Lieblingsprojekte der Grünen und ihres Umfeldes riechen nach Erziehungsdiktatur. Wenn das Volk nicht erkennen will, was gut ist, dann muss das Gute eben von oben vorgeschrieben werden. Seien es Lampen, Duschköpfe oder Rauchverbote.
Doch zurück zu den braunen Wurzeln, die so lange in Vergessenheit geraten sind. Nicht nur die grüne Partei hat blinde Flecken in ihrer Geschichte, auch die großen Umweltverbände. Lina Hähnle, Vorsitzende des „Reichsbunds für Vogelschutz“, Vorläufer des heutigen NABU, bot einst Hitler „freudige Gefolgschaft“ an. Dafür wurde der Reichsbund mit einer Monopolstellung belohnt, andere Vogelschutzverbände mussten zwangsbeitreten. Dies ließ die Umsätze des Vereins von 45 000 Reichsmark (1932) auf 85 000 Reichsmark (1941/42) hochschnellen.
Auch der Bund Naturschutz (die bayerische Stammorganisation, aus der später der BUND entstand) frohlockte 1933: „Keine Zeit war für unsere Arbeit so günstig wie die jetzige unter dem Hakenkreuzbanner der nationalen Regierung.“ Noch lange nach dem Krieg wurde der Bund Naturschutz von einem Ex-Nationalsozialisten geführt. Von 1958 bis 1963 hatte Alwin Seifert die Position des „Bundesleiters“ inne. Zuvor, im „Dritten Reich“, gehörte Seifert zum inneren Kreis der NS-Hierarchie. In seiner Funktion als „Reichslandschaftsanwalt“ sorgte er dafür, dass die Ränder der Autobahnen mit deutschen Gehölzen bepflanzt wurden. Außerdem befasste er sich mit der Umgestaltung der eroberten „Lebensräume“ im Osten. Denn dort hatten sich, aus Sicht der NS-Ideologen, die „Grausamkeiten der ostischen Völker“ in die „Fratze ihrer Herkommenslandschaft eingefurcht“. Gemäß der Anweisung Himmlers sollte das eroberte Land so umgestaltet werden, dass „der germanisch-deutsche Mensch“ sich dort zu Hause fühlte. Dass dafür Millionen Russen vertrieben oder getötet werden sollten, war Seifert wohl bewusst. Offenbar hatte er bei diesem Job genau so wenig Skrupel, wie bei seinen Kontakten zum biologisch-dynamischen Kräutergarten im Konzentrationslager Dachau, in dem Häftlinge zu Tode geschunden wurden. Ein Vierteljahrhundert später schrieb Seifert das Buch „Gärtner, Ackern - ohne Gift“, bis heute ein Bestseller und laut Amazon „eine Bibel der ökologischen Bewegung“.
Die Weltanschauung des „Dritten Reiches“ war grüner, als vielen Grünen heute lieb ist. Zur „Blut und Boden“-Ideologie gehörte gesunde Ernährung, die Idealisierung des bäuerlichen Lebens und deutsche Waldromantik. „Es geht gegenüber der deutschen Natur und Heimat“, schrieb Hans Schwenkel, Mitinitiator des Reichsnaturschutzgesetzes von 1935, „um Weltanschauung, um amerikanisch-jüdische oder um deutsche Lebensauffassung und Lebensgestaltung. Es geht jetzt um letzte Entscheidungen zwischen Ehrfurcht oder Ausbeutung, Einfühlung oder Vergewaltigung, Geist oder Stoff.“
Für den Kulturwissenschaftler Friedemann Schmoll liegen grüne und braune Denkmuster gar nicht so weit auseinander. „Antisemitismus und Naturschutz“, schreibt er, "finden sich beide in Abwehrhaltung zu ihrer Zeit. Und beide teilen eine Reihe konstitutiver Muster und Grundwerte. Die Verklärung ländlicher Daseinsformen ging einher mit tiefer Ablehnung urbaner Kulturen und eines entfesselten Kapitalismus. Das Pochen auf Gemüt und Intuition verband sich mit borniertem Anti-Intellektualismus ... Die Utopie einer „reinen“ Umwelt findet ihre Entsprechung in der Vorstellung einer judenreinen Welt.
Autarkie war eines der wichtigsten Ziele des NS-Regimes, deshalb war auch das Interesse an nachwachsenden Rohstoffen und alternativen Energien groß. Der „Völkische Beobachter“ schwärmte, die Windenergie würde „eine völlige Umwälzung unserer wirtschaftlichen Verhältnisse herbeiführen“. „Reichskrafttürme“ hießen die Propelleranlagen damals. Die erste Windkraftfirma „Ventimotor“ gründeten der Thüringer Gauleiter Fritz Sauckel und das Mitglied des Freundeskreises Reichsführer SS Walther Schieber.
Die Gefahr einer durch Menschen verursachten Klimaerwärmung wurde 1959 in dem Roman „Der Tanz mit dem Teufel“ erstmals beschworen. Autor war der Österreicher Günther Schwab, der es als Nazi zum SA-Sturmführer gebracht hatte. Im späteren Leben galt er als grüner Visionär, erhielt Orden und das „Ehrenzeichen in Gold des Naturschutzbunds Osterreich“.
Die braunen Ökos hatten ein Herz für Käfer und Bäume und waren gleichzeitig glühende Antisemiten. „Judentum und deutsche Natur“, hieß es 1939 in der Zeitschrift des Vereins Naturschutzpark, „sind unvereinbare Begriffe“. Das von den Nationalsozialisten geschaffene Naturschutzgesetz blieb ebenso wie das Tierschutzgesetz noch bis in die Siebzigerjahre in Kraft.
Hitler war bekanntermaßen Tierversuchsgegner und Vegetarier. Weniger bekannt dürfte sein, dass Reichsbauernführer Walther Darre persönlich dafür sorgte, dass der Führer immer frisches Biogemüse bekam. Himmler pries in einer Rede die alten Germanen, die „von der göttlichen Ordnung der ganzen Pflanzen- und der ganzen Tierwelt überzeugt waren“. Er schwadronierte über die Rechte von Mäusen und Ratten und warnte davor, über solche Betrachtungen zu lachen. „Es wäre besser“, meinte er, „wir pietätlosen Menschen würden unser Haupt neigen vor der Tiefe und Größe dieser Weltanschauung.“
Der SS-Führer wird von einigen Historikern zum „grünen Flügel“ der NSDAP-Leitung gezählt, ebenso wie Walther Darre, Rudolf Heß, Fritz Todt und Alwin Seifert. Die Grünbraunen schwärmten für alternative Heilkunst und Biolandwirtschaft. Manche von ihnen sympathisierten zeitweise mit der Steiner'schen Anthroposophie. Allerdings hatte der grüne Flügel der Nazis zwar großen ideologischen Einfluss, konnte aber nur geringe praktische Erfolge verbuchen. Denn es gab auch technophile und fortschrittsbegeisterte Nazis, die mit den Grünen im Clinch lagen. Oftmals blockierten sich die verschiedenen Strömungen gegenseitig. Am Ende fegten die Zwänge der Kriegswirtschaft ohnehin jeden Gedanken an Ressourcenschonung und Naturschutz hinweg.
Die grüne Seite des Nationalsozialismus ist ein äußerst peinliches Thema. Zu ähnlich sind manche Schlagworte und Denkmuster. Doch wer den Hinweis auf solche Gemeinsamkeiten reflexhaft als anti-grüne Polemik beiseiteschiebt, tut sich keinen Gefallen. Wir meinen, dass wir gerade aus einer selbstkritischen Betrachtung der braunen Wurzeln des Umwelt- und Naturschutzes nützliche Erkenntnisse ziehen könnten. Es hilft nicht weiter, einfach so zu tun, als wäre grünes Denken per se emanzipatorisch und menschenfreundlich.
Bis heute wabert in der grünen Bewegung ein Kult um das Autochthone, vom regionalen Essen bis zur Ablehnung „fremder“ Tier- und Pflanzenarten. Biologisch ist das ziemlich unsinnig. So wie die deutsche Bevölkerung kaum „germanisch“ ist, sondern einem sich über die Jahrhunderte immer wieder verändernden Völkergemisch entstammt, so war auch die „heimische“ Tier- und Pflanzenwelt nie statisch. Die heute von manchen Naturschützern vertretene Einschätzung, dass alle Arten fremd seien, die nach 1500 eingewandert sind oder vom Menschen angesiedelt wurden, ist offensichtlich willkürlich. "Nur ein totalitärer Staat kann wissen, welche statische Natur er schützen und einrichten will", kritisiert der Ökologe Hansjörg Küster. Im Übrigen dürfte man dann bei uns auch keine Kartoffeln und Tomaten anpflanzen, die beide aus Südamerika „eingewandert“ sind.
„Invasive Arten“ nennt das Bundesnaturschutzgesetz die Einwanderer. Sie sollen in ihrer Ausbreitung gestoppt oder am besten gleich vernichtet werden. In Brüssel wird 2014 eine EU-Verordnung zur Eindämmung und Bekämpfung invasiver Arten diskutiert. Einige Dogmatiker haben schon mal vorgeschlagen, die westdeutschen Biber auszurotten, weil sie von skandinavischen Bibern abstammen, die in den Sechzigerjahren ausgesetzt wurden.
Als Musterbeispiel einer schädlichen eingeschleppten Spezies wird immer wieder die Spanische Wegschnecke genannt, ein Iästiges Weichtier, das sich an feuchten Sommertagen über Gemüsebeete hermacht und daher bei Gartenbesitzern verhasst ist. Angeblich wurde sie nach dem Zweiten Weltkrieg durch Lebensmittelimporte nach Deutschland verfrachtet. Doch Forscher der Frankfurter Goethe-Universität fanden heraus, was die aufgeräumte Welt der Artenordner schwer erschüttert: Die Wegschnecke ist urdeutsch. Es ist, als müsste die NPD erkennen, dass die germanischen WäIder einst von afrikanischen Juden bevölkert waren. Bei ihrer aufwändigen Suche fanden die Biologen keine Spanischen Wegschnecken in Spanien und Frankreich. „Diese Art ist definitiv nicht dort heimisch, sondern bei uns“, sagt der Erstautor der Studie Markus Pfenninger. Die Wissenschaftler vermuten, dass die auffällige Zunahme dieser Nacktschnecken an veränderten landwirtschaftlichen Anbaumethoden liegt.
Auch das Beharren auf bestimmten, gewohnten Landschaftsbildern hat nichts mit Ökologie zu tun. In den Anfängen der grünen Bewegung, im 19. Jahrhundert, sprach man ehrlicherweise mehr von „Heimatschutz“ als von „Naturschutz“. Man wollte – und viele wollen es auch heute noch – gewohnte Zustände konservieren. Doch Natur ist dynamisch. Ihr Erfolgskonzept heißt Evolution, stetige Veränderung. Ein evolutionäres, die Dynamik alles Lebendigen einbeziehendes Naturbild würde den Umweltverbänden und den Grünen guttun. Doch mit den gewohnten Denk-Kategorien, in denen Veränderung stets Risiko bedeutet, lebt es sich bequemer.
Wie man totalitäre Gesinnung, Antisemitismus und Rassismus schön grün verpacken kann, haben mittlerweile auch die neuen Nazis kapiert. „Der Materialismus der letzten Jahrzehnte hat die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen in unverantwortlicher Weise vorangetrieben“, heißt es im Parteiprogramm der NPD. Auch sonst klingt es darin ziemlich grün. Man kämpft für Biolandwirtschaft, ist gegen Atomkraft und Gentechnik. „Die NPD“, warnt der Leipziger Historiker Nils Franke, „hat über die letzten Jahre ihre Bemühungen zur Unterwanderung der Naturschutzszene verstärkt.“ „Hinter dem Anliegen, das vielen Menschen als links erscheint“, bestätigt die „taz“, „stecken oft ‚braune Ökologen‘, die mit ihrer Umweltfreundlichkeit rechtsextreme Ideen verbreiten“. Sie können auf eine lange Tradition zurückblicken.
Fazit: Die Ökoverbände, die Grüne Partei und alle, die ihr frischen Mutes und reinen Gewissens folgten, präsentierten sich in den Siebzigerjahren als eine völlig neue politische Strömung. Die Kritik an den Schattenseiten und Auswüchsen der Industriegesellschaft verstand sich eher links. Vielen Akteuren war dabei nicht bewusst, dass in dem vermeintlich neuen Gedankengut viel alte deutsche Tradition steckte, die schon einmal im .Dritten Reiche Teil der offiziellen Ideologie war. Wer Transparenz fordert, sollte bei sich selbst anfangen und die Auseinandersetzung mit den Wurzeln der eigenen Weltanschauung ohne Denkverbote betreiben. Denn wir müssen uns immer wieder aufs Neue fragen, ob sich hinter grünen Ideen nicht auch Bevormundung und totalitäre Tendenzen verstecken.


Hochrangige Nazi-Ökos machten in der BRD wieder Karriere
Der wichtigste Naturschutzfunktionär während der Nazizeit war der Reichslandschaftsanwalt Alwin Seifert. Seine Unterstützung z.B. für die Ostexpansion machten ihn zum wichtigen Legitimationsbeschaffer und Berater im direkten Umfeld von Hitler, Nach 1945 setzte er seine Karriere locker fort. Er wurde im Entnazifizierungsverfahren zunächst als „Mitläufer“, später (1949) als „unbelastet“ eingestuft und versuchte, seinen großen Einfluss auf die Landschaftsarchitektur wieder mit einem Titel zu unterstreichen: es gelang ihm zwar nicht, „Bundeslandschaftsanwalt“ zu werden, jedoch erhielt er den Ruf auf einen Lehrstuhl für Landschaftspflege, Landschaftsgestaltung sowie Straßen- und Wasserbau an der TH München und war von 1958 bis 1963 „Bundesleiter“ des Bundes Naturschutz in Bayern, der später maßgeblich an der Gründung des BUND beteiligt war. Seifert war 1961 einer der 16 Unterzeichner der „Grünen Charta von der Mainau“, die vom Grafen Lennart Bernadotte initiiert und von Bundespräsident Lübke vor Ort verkündet wurde. (Quelle und mehr: Wikipedia)

Weitere Nazigrößen, die in der BRD neue Karriere machten: Günther Niethammer ++ Werner Bauch

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