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Ö-PUNKTE 4/2001 ("WINTER")

Rubrik "Anti-Atom"

Langfassungen und weitergehenden Internetadressen zu den Texten der Ö-Punkte 4/2001.

Uranabbau - Nuklearer Kolonialismus

Radioaktivität
Radioaktivität, die Eigenschaft der Atomkerne einiger Isotope, unter Aussendung energiereicher Strahlung zu anderen Isotopen zu zerfallen, ist ein natürlicher physikalischer Vorgang, welcher vom Menschen allerdings auch künstlich erzeugt werden kann (z.B. durch Kernspaltung). Bei der Kernspaltung in AKWs und bei Atomwaffenexplosionen entstehen radioaktive Stoffe, die in der Natur nicht vorkommen.
Die auf natürliche oder künstliche Weise entstandene Strahlung tritt in drei Formen auf: alpha-Strahlung, beta-Strahlung und gamma-Strahlung. Sie kann ohne Hilfsmittel weder gesehen, gerochen noch gehört werden. Fühlbar ist sie erst in hoher Dosis, denn dann führt sie zu einer Erwärmung des Gewebes bis hin zu Verbrennungen. Das ist in Fällen von Atomwaffenexplosionen und Unfällen in Atomanlagen möglich. Doch auch niedrigere Strahlendosen können die Gesundheit schädigen, da es gibt keinen Schwellenwert für Strahlenbelastung durch Radioaktivität gibt. Die Wahrscheinlichkeit für Strahlenschäden liegt umso höher, je größer die Dauer und Intensität der Be- bzw. Verstrahlung ist.

Uran
Das Uranisotop U-235 ist eine von wenigen spaltbaren, in Atomkraftwerken nutzbaren Atomkernsorten. Es macht 0,7% des in der Natur vorkommenden Urans aus. Den größten Anteil des Gesamturans hat U-238 mit 99%.
Uran ist ein hochgiftiges, radioaktives Metall. Die Zerfallskette, an deren Anfang Uran steht, hinterlässt 13 Zerfallsprodukte, bis am Ende stabiles, nicht radioaktives Blei entsteht. Eines dieser Zwischenprodukte ist das bei Uranerzabbau und weiterer Verarbeitung leicht freisetzbare Gas Radon-222. Es gilt als gesundheitsgefährdend, weil es durch Einatmen besonders effektiv gesundheitliche Schäden hervorruft.
Uranabbau Uran ist als Erz in der Erdkruste enthalten und kann im Tagebau bzw. in Untertagebergwerken abgebaut werden. In anbaufähigem Gestein liegt der Urangehalt meist nur unter 0,05-0,5%. Um kleine Mengen Uran zu erhalten, müssen deshalb große Mengen Uranerz abgebaut werden. Der dabei anfallende Abraum und das minderwertige Erz werden zu riesigen Halden aufgeschüttet.

Aufbereitung
Das in Bergwerken gewonnene Uranerz kommt danach zur weiteren Verarbeitung in die Aufbereitungsanlage. Dort wird die Abtrennung des Urans vom Erz und die Überführung in seine oxidierte Form U3O8 ("Yellow Cake") erreicht.

Urananreicherung
Das sogenannte "Yellow Cake" enthält nur ca. 0,7% nutzbares U-235. Für den Leichtwasserreaktortyp (häufigster in Deutschland) aber ist ein 4-7facher Gehalt nötig. Deshalb muss durch Anreicherung des Urans der Anteil U-235 gegenüber den anderen Isotopen erhöht werden. Die Anreicherung ist der erste Bearbeitungsschritt im Rahmen der Atomenergienutzung, der in der BRD in nennenswertem Maße durchgeführt wird. Einziger Standort ist die Urananreicherungsanlage (UAA) in Gronau / Westfalen. Die Verarbeitungskapazität entspricht dem jährlichen Bedarf von 8 großen AKWs.
Neben Uran mit dem benötigten Anreicherungsgrad entsteht eine erheblich größere Menge an Uran, das einen Anteil von U-235 unter den natürlichen 0,7% hat. Der endgültige Verbleib dieses abgereicherten Urans ist bisher ungeklärt. In Gronau wurde es ursprünglich in Fässern neben der UAA unter freiem Himmel gelagert. Seit einiger Zeit wird ein Großteil des abgereicherten Urans zur "Weiterverarbeitung" nach Russland gebracht.

Brennelementeherstellung
Das angereicherte Uran wird nach einer eventuellen Zwischenlagerung zur Brennelementefabrik transportiert. Dort erfolgt seine Umwandlung in sogenannte Uranpellets aus denen schliesslich Brennstäbe hergestellt werden. Zwischen 80 und 350 solcher Brennstäbe werden schließlich mittels Strukturteilchen zu Brennelementen zusammengefügt. Danach erfolgt der Transport in ein AKW.
Nach der Aufgabe der Standorte Karlsheim und Hanau gibt es in der BRD nur noch eine Anlage, in der Brennelemente hergestellt werden, nämlich bei der Siemens-Tochter ANF in Lingen. Etwa 75% der Produktion wird im Inland verkauft. Bundesdeutsche AKW-Betreiber beziehen darüber hinaus fertige Uran-Brennelemente aus Schweden und Frankreich.

Transporte und Lagerung
Der Transport und die Zwischenlagerung des Urans geschehen in allen möglichen Verarbeitungszuständen (vom "Yellow Cake" bis zum Brennelement). Weil es keine staatlichen Reglementierungen bezüglich des Zweckes von Ein- und Ausfuhr gibt und die Entscheidung über das "Wann", "Warum" und "Wohin" der Urantransporte bei den Betreibern liegt, ist die Zahl der Transporte in der BRD sehr groß.

Folgen für Natur und Mensch!
Die ersten Betroffenen der schädlichen Auswirkungen der Atomenergienutzung sind die Bergleute in Uranbergwerken. Sie unterliegen neben den "normalen" bergmännischen Gesundheitsbeeinträchtigungen einer starken Belastung durch die beim Uranabbau entstandene hohe Konzentration von Radon. Diese führt zu einer höheren Erkrankungsrate an Lungenkrebs. Radon und Staub werden während des Abbaus und durch die Arbeitsgänge in der Aufarbeitungsanlage in großem Maße freigesetzt. Durch die weitere Ausbreitung des Radon, ausgehend von Schlammdeponien und Bergwerkshalden, kommt es zur Verseuchung des Grundwassers. Somit sind die in Anbauregionen lebenden Menschen einer starken Belastung durch die Strahlung von Außen (Luft und Boden), durch Einatmung sowie durch Essen und Trinken ausgesetzt. Sie selbst haben meist keinen Nutzen von der Atomenergie. Außer den Gefährdungen der Gesundheit werden durch den Uranerzabbau und die Uranaufbereitung weitere schwerwiegende ökologische Schäden verursacht. Das Erz enthält weitere giftige Stoffe (z.B. Blei, Quecksilber, Cadmium und Arsen), die in die Umwelt gelangen und Grund- sowie Oberflächenwasser verseuchen, Luft, Pflanzen und Tiere belasten. Durch die riesigen (Volumen bis zu 100 Mio. m³) Halden und Schlammdeponien werden Landschaft und Landschaftsbild schwerwiegend zerstört.
Eine Sanierung ist, wenn überhaupt, nur mit immensem Aufwand möglich. Die mengenmäßig und technisch unmögliche Beseitigung der Folgen des Uranbergbaus und der Aufbereitung stellen einen Teil des ungelösten Entsorgungsproblems der Atomenergienutzung dar.

Folgen und Verantwortung
Die Uranvorräte der Welt liegen zu ca. 72% unter dem Land indigener Völker wie z.B. der Indianer Nordamerikas oder von Aboriginalvölkern in Australien. Der Konflikt ist damit vorauszusehen: Wenn deutsche Unternehmen zur "Sicherung der Energieversorgung" nach Uran suchen oder es abbauen, kommt es zur Konfrontation mit indigenen Völkern. Die indigenen Gemeinschaften, deren Subsistenzwirtschaft oft zu großen Teilen auf Jagd und Fischfang, Viehzucht oder Landwirtschaft basiert, werden durch die radioaktive Belastung am härtesten getroffen. Ihnen drohen nicht nur gesundheitliche Gefahren wie Lungenkrebs oder Kindesmissbildungen, sondern ihr ganzes Sozialgefüge wird in Mitleidenschaft gezogen: die Subsistenzwirtschaft trägt die Familien nicht mehr, sie werden abhängig von Sozialhilfe und Wohlfahrt. Damit sterben nicht nur Einzelne, sondern ganze Kulturen und Lebensweisen werden vernichtet. Dabei wird von Uranfirmen die Verantwortung für die Zerstörung indianischer abgestritten, ganz so als ob es sich dabei um ein Naturereignis handeln würde und nicht um geplante Vorhaben der Rohstoffausbeutung.

Der nukleare Kolonialismus
"Der weitgehende Verlust des deutschen Bergbaubesitzes im Ausland als Folge des 2. Weltkrieges und die Zurückhaltung der deutschen Unternehmen ... angesichts des hohen technischen und wirtschaftlichen Risikos ... unterstrichen aus damaliger Sicht die Notwendigkeit staatlich flankierender Maßnahmen."
Wie das Zitat unmissverständlich zeigt, führt der Weg direkt vom Verlust der Kolonialgebiete zu den Explorationsförderprogrammen der Bundesregierung. Wurden zur Zeit des "klassischen" Kolonialismus andere Völker und Nationen militärisch überrannt und ihr Land mehr oder weniger gewaltsam besetzt, so wird heute durch den Kapitaleinsatz "privatwirtschaftlicher" Unternehmen mit finanzieller Unterstützung der Bundesregierung dasselbe Ziel angesteuert: Rohstoffe aus fremden Ländern für die eigene Wirtschaft zu sichern.
DER KOLONIALISMUS HAT EINE NEUE VARIANTE BEKOMMEN: ER IST NUKLEAR GEWORDEN.

K. Lahne, Anti-Castor-Netz-Magdeburg
Weitere Infos sowie Quellenangaben unter www.antiatom.de/magdeburg

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