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ANTIREPRESSIONS-DEBATTE

Angriffe von links gegen kreative Antirepression


1. Einleitung
2. Autoritärer Repressionsschutz
3. Erst verschweigen, dann kritisieren, dann ...?
4. Angriffe von links gegen kreative Antirepression
5. Streit um kreative Antirepression oder Schweigen in jedem Fall
6. Woher kommt der Hang zum Normalen?
7. Links zu verschiedenen Seiten zum Thema

Aus einer Mail auf der Hoppetosse-Mailingliste
Gestern auf der Infoveranstaltung in Dresden gab es zum Ende hin auch eine Debatte über die Sache mit Antirepression und Repressionsschutz. Es gab auch gleich die „üblichen Bedenken“ (soll gar nicht negativ klingen) und dann eine ziemlich kurze, weil sehr konstruktiv geführte Debatte, was die Übereinstimmung sein könnte:
  • Anna und Artur, wenn sie sich unsicher sind, halten das Maul!
  • Anna und Artur, wenn es um Aussagen zur Sache geht, halten das Maul!
  • Anna und Artur, wenn sie Antirepression trainiert haben, quasseln immer dazwischen (soll heißen: agieren offensiv, setzen ihre Themen durch, stellen selbst die Fragen, politisieren die Vorgänge usw.)

Es war offensichtlich, dass es so noch akzeptiert war.

A&A labern weil sie unsicher sind. Ist doch klar, die Bullen drohen der alles an was ihre Paragrafen hergeben könnten. Aber alles wird gut wenn du aussagst. Absolut reines Wunschdenken.
Erst ganz am Schluss und versteckt fällt der Begriff „Training“. Aber hier ist es schwarz-weiss: entweder Anna ist trainiert und dann kann die fett abgehen oder Arthur ist ne null und dann bleibt es beim Maul halten.
Und die „üblichen bedenken“, also wenn die so sind wie ich sie kenne, wurde gleich wieder erzählt, wie oberkrass hardcore psychlogisch geschult die Kader vom VS sind. Es kommt immer drauf an, was ich vorhabe. Aber die meisten Repressionsbehafteten Aktionen sind halt nur Ordnungswidrigkeiten & Gewahrsam. Da kommen nicht gleich die Oberkader vom VS sondern einfache KriPos. Die ham auch was drauf, so ist es nicht. Wo ich am meisten Gefahr sehe, ist genau das Treppensteigen mit den KriPos (weil die BePos oder die FormularausfüllerInnen, FotografInnen, SachenwegnehmerInnen/BeschlagnamerInnen ham keine Schulung für so etwas, anderen Stress usw., d.h. auch dass die Gefahr beim „dazwischenquasseln“ nicht so krass ist).
...Und dann hast du echt genug von der doofen Warterei (am schlimmsten alleine) und dann kommen die zwei netten Herren, endlich wieder einen gebildeten und freundlichen Gesprächspartner und ne einigermassen lange Treppe&Gang. Nix Offiziell-Fromelles dabei, du hast ein Stück Freiheit im Vergleich zu vorher (wird duch alle möglichen Massnahmen suggeriert, ja, san halt schon net doof). Dann die Frage: „Warum ham se des den gemacht?“, natürlich keine Antwort, wieder KriPo: „Ah, ich sehe schon, sie kennen ihre Rechte... wo gehn sie denn jetzt nachher hin, zu den Eltern...“ Psychospielchen halt, alles scheint ungefährlich, keine Ahnung ob es das ist oder nicht. Vielleicht bekommen die nur raus, ob sie dich stressen können oder ob du cool bist. Vielleicht aber auch mehr.
Und da kommt ne ganz billige Alternative: Selbst das Gespräch anzufangen. „Ist ja ganz schön spät in der Nacht und sie müssen noch arbeiten...“, „müssen sie den ganzen Tag immer die Treppe hoch und runter laufen?“ usw. Billiges psycho-Spielchen, weil in dem Moment bist du am Zug (wie beim Schachspiel, nicht wie beim Castor) und hast die Initiative beim Gespräch. Und dadurch kannst du es in Bereiche bringen, die ungefährlich sind, eben nix über deine FreundInnen/GenossInnen/Organisationen/Zusammenhänge/Motivationen. Das zu trainieren ist ganz einfach. aus eigener Erfahrung kenn ich dieses Spielchen, einfach selber ne Frage drauf zu haben. Schon bei der Personalienfeststellung den ersten BullIn löchern, was den ein „Rädel“ ist... und wozu braucht eine Rädel einen Führer... weil es hiess ja das irgendwem Rädelsführerschaft vorgeworfen wurde. Die BullInnen glotzen blöd, weil eigentlich erwarten sie von dir nur, wo du wohnst usw. Ist natürlich am einfachsten, wenn es sich um eine Frage handelt, die mensch wirklich beschäftigt, aber halt mehr so zum Spass/Nachdenken um des Nachdenkens willen.



Hetze gegen Gegenwehr im Gerichtssaal. Gut erkennbar ist, dass Argumente völlig fehlen. Den Staatsschergen wird die innerlinke Disziplinierung gefallen. Der Spruch, dass ein Gerichtssaal kein Theater ist (was eigentlich sonst?), kommt regelmäßig auch von den Damen und Herren in Schwarz, deren Job es ist, per Klassenjustiz zu verurteilen.


Im Original: In der Contraste-Redaktion
Infos und LeserInnenbrief zum Repressionsschwerpunkt in der Ausgabe Nov. 2002
Ablauf: Im März 2002 veröffentliche die Contraste den Text „Organisierung von unten“, die Protokollierung der gleichnamigen Debatte im Herbst 2001. Einige Stellen im Kapitel „Kreative Antirepression“ wurden gekürzt. Vereinbart wurde, in einer der Folgeausgaben ein Pro&Contra dazu zu machen und u.a. die Rote Hilfe als Gegenpart zu gewinnen.
Zitat aus dem Kasten zu den Kürzungen in der Ausgabe (S. 9): „... Einig sind wir uns fernerhin, in einer der kommenden Ausgaben eine Debattenseite zum Thema zu veröffentlichen, auf der sowohl die her dargelegte als auch andere Meinungen sich aufeinander beziehen können“.

Einige Zeit später wurde der Contraste-Zentralredaktion der Beitrag übersendet, der in der Organisierung-von-unten-Debatte neu formuliert wurde. Daraufhin entschied diese (nach eigenen Aussagen in Rücksprache mit der Roten Hilfe), einen ganzen Schwerpunkt aus allem zu machen statt nur 1-2 Seiten. Dem wurde zugestimmt. Was dann aber im November 2002 erschien, ist unglaublich. Schon der Start des Titeltextes schreibt eine komplette Lügengeschichte über den Ablauf.

Ausschnitte aus „Nichts wirklich Neues zu Anna und Arthur“, in: Contraste Nov. 2002 (S. 1)
Im März befand das Redaktionsplenum unserer Zeitung eine Kürzung der Seite im Schwerpunkt „Selbstorganisation von unten“, die sich mit dem Thema „Staatliche Repression“ befasste. Die AutorInnen vom „Hoppetosse-Netzwerk“ wurden gefragt, ob sie in der Propagierung der Selbstorganisation von Beziehungen zu Organen staatlicher Machtausübung wirklich so weit gehen wollten, wie sie es in den gekürzten stellen getan hatten. Am Ende wollten sie nicht.

In der gesamten Ausgabe wurde dann nur noch die einseitige Position der Roten Hilfe dargestellt und der zugesandte Texte zu kreativer Antirepression zensiert – nicht einmal seine Existenz erwähnt. Übergangen wurden dabei auch die Redaktionen der Contraste, u.a. die Redaktion „Umweltschutz von unten“, die den Text einreichte und die Absprachen vermittelte.

Stellungnahme der Redaktion „Umweltschutz von unten“ vom 11. November 2002
... weiterhin die Debatte abwürgen???
In der Ausgabe „November 2002“ der Contraste findet sich ein Schwerpunkt zu Aussageverweigerung und Repression. Der entstand, wie richtig auf der Titelseite beschrieben wird, aus einer Diskussion um das Strategiepapier „Organisierung von unten“ und den dortigen Absatz zu kreativer Antirepression. Erstes Ergebnis war die Einigung auf ein Pro&Contra zu kreativ-feindlichen Angriffen auf VS, Bullen, Gerichte, Knäste usw., von vielen „Linken“ (vor allem einflußreichen Kreisen/Eliten/Spitzengremien) als „Zusammenarbeit“ bis „Kollaboration“ angegriffen. Das Zitat aus dem Kasten zu den Kürzungen in der März-Ausgabe (S. 9): „... Einig sind wir uns fernerhin, in einer der kommenden Ausgaben eine Debattenseite zum Thema zu veröffentlichen, auf der sowohl die her dargelegte als auch andere Meinungen sich aufeinander beziehen können“.
Das Pro zu kreativer Antirepression wurde von Menschen aus dem Hoppetosse – Netzwerk für kreativen Widerstand verfaßt (siehe hier). Nach dem Absenden an die Contraste-Redaktion schlug diese vor, lieber einen Schwerpunkt machen zu wollen. Dem wurde zugestimmt, auch wenn der Verdacht damals schon aufkam, daß sich die GegnerInnen der kreativen Antirepression, die zu Kontakten mit Repressionsbehörden oft sehr widersprüchliche Positionen vertreten (z.B. Plakate verteilen „Keine Gespräche mit Bullen und VS!“ und gleichzeitig bei jeder Demo ohne Ende verhandeln; bei Gerichtsverfahren formalrechtlich agieren statt sabotieren/stören ...), nicht imstande sahen, der dortigen Argumentation etwas entgegenzusetzen. Der jetzige Schwerpunkt schlägt dem Faß den Boden aus: Der Pro-kreative-Antirepressionstext ist gar nicht abgedruckt, also entgegen jeglicher Absprache schlicht zensiert worden. Das ist in der Contraste-Redaktion auch nicht bekanntgemacht worden. Richtig unverschämt ist aber, daß der Text nicht nur zensiert und nicht erwähnt, sondern sogar noch behauptet wird, dass die strittigen Positionen alle zurückgezogen wurden – und das ein schwaches Bild zeige. Das ist also doppelt gelogen – es wird nicht nur zensiert, sondern auch noch der wegzensierte Text als nichtexistent definiert und das wiederum als Angriffspunkt genutzt.
Doch auch die konkreten Aussagen des Schwerpunktes sind in vielen Punkten fragwürdig:

  • Die diffamierenden Bemerkungen und Anpissen sind unerträglich, gegen uns und allgemein. Der Begriff "kindisch" (Titeltext) ist unakzeptabel und krass diskriminierend gegenüber Kindern (stelle sich jemand vor, da hätte weibisch u.ä. gestanden).
  • Der Bezug auf einen irgendwie bestehenden „Konsens“ (durchaus eine der typischen Argumentationsmuster von Eliten) bleibt schleierhaft. Wer wann warum beschlossen haben soll, daß Anna&Arthur das Maul halten sollen, was gegen das Aufsagen von Brecht-Gedichten oder das ausschließliche Befragen der Bullen über ihre Strukturen (ohne auf deren Fragen irgendwie einzugehen) sprechen soll, wird nicht begründet, sondern arrogant übergangen mit Verweis auf irgendwas Feststehendes. Das klingt nach Religion, aber wenig nach einem aufgeklärten Umgang mit Information.
Insgesamt zeigt alles zusammen, daß die Kritik an dem Platzhirsch-gemäßen Verhalten von vielen Eliten in der Linken (zu denen die Kader der Roten Hilfe und verschiedener weiterer beteiligter Kreise gehören) korrekt war und ist. Es hat nach dem Erscheinen der ersten Texte zu kreativer Antirepression verschiedene Auseinandersetzungen gegeben, zum Teil Entsolidarisierung gegenüber von Repression betroffenenen Kreativ-WiderständlerInnen usw. Abgesprochene Treffen und Seminare sind gekippt worden – immer einseitig von denen, die das Bestehende erhalten wollen und auf ihr Recht pochen, die Grundregeln politischer Bewegung bestimmten zu können.
Ich finde das arrogant. Die Zensur und ziemlich üble Diffamierung in der Contraste stellt die Fähigkeit oder den Willen zum gleichberechtigen Streit bei den MacherInnen in Frage. Ich würde mich freuen, wenn der genannte Pro-kreative-Antirepressions-Text noch abgedruckt wird und die, die damit Probleme haben, das auch benennen. Auf diese widerlichen Dauerkämpfe, wer der tollste Hahn im linken Hühnerstall ist, habe ich keine Lust.

Jörg Bergstedt von der komplett übergangenen Contraste-Redaktion Umweltschutz von unten

Anmerkung: Es gab etliche Rauswurfversuche von Jörg Bergstedt aus der Contrasteredaktion. Ende Frühjahr 2008 wurde der endlich vorläufig vollzogen. Grund: Er hatte zunächst intern das positive Bekenntnis zum verstorbenen, vorher mit rechten und esoterischen Gruppen verbandelten E.O. Müller kritisiert und dann auf einer Mailingliste, die rechte Tendenzen in linken Gruppen thematisiert, von der unwidersprochenen Reaktion eines Contrasteredakteurs berichtet, der gefordert hatte, sich nicht mehr so klar gegen rechte und esoterische Gruppen abzugrenzen. Die Bemerkung wurde zunächst gar nicht kritisiert, sondern derjenige, der die Kritik formuliert wurde, standrechtlich von der Redaktions-Mailingliste gestrichen und ebenso aus der Redaktion ausgeschlossen. Die MacherInnen dieses Ausschlusses sitzen in den Apparaten von Selbstverwaltungsunternehmen deutscher Großstädte.

Die Gewinner: Herrschende Politik und ihre willigen Vollstrecker*innen
Wer Menschen einschüchtert, ihnen Angst vor Polizei und Justiz macht oder sogar erpresst (sonst keine finanzielle Unterstützung), unterwürfig schweigend vor Gericht zu agieren, hilft der Gegenseite. Er überlässt, um das mal mit Fußball zu vergleichen, das Spielfeld dem Gegner und stellt sich passiv hinten rein. Damit lässt sich höchstens die Höhe der Niederlage begrenzen.
Es geht aber noch schlimmer. Etliche linke Rechtshilfegruppen, besonders oft aus Rote Hilfe und Umfeld, verhindern sogar Veranstaltungen, z.B. Trainings zum offensiven Umgang mit Polizei und Justiz oder die Ton-Bilder-Schau "Fiese Tricks von Polizei und Justiz", in der üble Methoden unter anderem des damaligen CDU-Innenministers von Hessen, Volker Bouffier, nachgewiesen werden.

Absage aus dem Wiesbadener Café Klatsch zu "Fiese Tricks von Polizei und Justiz". In der Landeshauptstadt ist kein Platz für Kritik an der herrschenden Politik!


Selbstermächtigung statt Bevormundung
Aus einer oft weniger konfrontativen Ecke, nämlich den Gewaltfreien, kommt ein ziemlich spannender Text zur Frage der Selbstverteidigung (statt Passivität oder Einschüchterung). Dort gibt es auch eine*n Laienverteidigi, d.h. das Prinzip ist nicht unbekannt. Und von dieser Person stammt der folgende Text:

Aus einer Mail von Störfaktor mit dem Betreff "2018: Mehr Literatur, mehr Selbstermächtigung, mehr Newsletter" am 5.1.2018
Natürlich schmeichelt es mir, wenn Angeklagte sich von mir verteidigen lassen wollen, weil ich das so gut kann. Aber wenn das dazu führt, dass er oder sie sich gemütlich zurücklehnt und die eigene Positionierung im Prozess gänzlich abgibt, dann läuft in meinen Augen gehörig was schief. Dann mache ich die Strafverteidigung nur noch als eine Dienstleistung, die besonders günstig ist, weil ich zwar alles gebe, aber vom Gesetz her kein Honorar nehmen darf.
Politische Aktion, insbesondere die Gewaltfreie Aktion ist ein Akt der Selbstermächtigung und der Emanzipation. Nach meinem Verständnis von politischer Aktion muss es neben der Durchsetzung von Forderungen gegenüber dem politischen Gegner auch immer darum gehen, unsere eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten auszubauen. Politische Aktion muss immer auch ein Lernprozess für uns selber sein. Wenn wir diesen Lernprozess nicht ernst nehmen, werden wir auch langfristig nicht vorwärts kommen. Wie wollen wir aber dann die gesellschaftlichen Verhältnisse grundlegend verändern?
Aktuell beispielsweise wird wieder die sich verstärkende Repression beklagt. Es ist ja richtig, diesen Vorwurf zu erheben und sich zu empören. Aber glauben wir wirklich, Menschen und Institutionen würden sich so einfach mal die Macht aus den Händen nehmen lassen? Dabei machen sie doch in gewisser Weise nichts anderes als wir: Den Preis des politischen Gegners in die Höhe schrauben, in der Hoffnung, dass noch rechtzeitig beim Gegner der Punkt erreicht wird, an dem ihm der Preis zu hoch wird. Also muss doch ein Ziel unseres Lernens sein, unsere Fähigkeit zu stärken, stärker zu sein als die angebotene Repression. Dazu braucht es eine Haltung, an der wirklich alle - mich eingeschlossen – hart arbeiten müssten. Daran würde ich gerne stärker arbeiten als in den letzten Jahren, wobei es nicht nur darum gehen kann, mutiger zu werden. Auch unsere Kompetenzen im selbstbewussten Umgang mit Autoritäten und unsere Fähigkeit selbstverantwortlich zu entscheiden und zu handeln, müssen weiter ausbilden, denn eine Gesellschaft, in der wir uns nicht ständig über die Herrschenden ärgern müssen, setzt Menschen voraus, die keine Führungspersonen brauchen.
Es geht darum, entschlossener zu werden, indem wir Ängste abbauen und unsere Fähigkeiten ausbauen, Autoritäten souverän entgegen zu treten. Genauso aber auch, dass wir auf uns und die Menschen um uns herum Acht geben; dass wir uns auch über das austauschen, was uns widerfahren ist und uns möglicherweise in unserem weiteren Engagement behindert, bevor der Berg unüberwindbar scheint. Es geht aber auch darum, unsere Bedürfnisse ernst zu nehmen ohne sie zum allgemeinen Maßstab zu erheben.


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