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Ö-PUNKTE 1/1998

Mittelalterliche Idee als Zukunftsperspektive? Zur Geschichte des Nachhaltigkeitskonzeptes


1. Mittelalterliche Idee als Zukunftsperspektive? Zur Geschichte des Nachhaltigkeitskonzeptes
2. Mittelalterliche Naturvorstellungen4 und Umweltprobleme5
3. Die Entstehung der Idee nachhaltiger Waldwirtschaft 8
4. Bewertung der mittelalterlichen Tradition der Nachhaltigkeitsidee
5. Aus der Idee wird ein aufgeklärtes Wirtschaftsprinzip
6. Bewertung des nachhaltigen, aufgeklärten Forstwirtschaftsprinzips
7. Die Entwicklung bis Rio im Überblick17
8. Bewertung der jüngeren Entwicklung
9. Die Konzeption von Rio22
10. Aufruf zur kritischen Diskussion

Autor
Thomas Schmidt, Umwelt-Geschichtsforscher, arbeitet in der
Umweltwerkstatt Lübeck
Willy-Brandt-Allee 9
23554 Lübeck
Tel. 0451/7070646
Fax 7020748 bitte mit Adressatenangabe

Anmerkungen:
1 Siehe Klaus Bosselmann "Im Namen der Natur. Der Weg zum ökologischen Rechtsstaat" 1992, Bern/München/Wien, Scherz Verlag. Der Autor weist als Jurist die rechtlichen Traditionen von Umweltschutzregelungen wie z.B. Verursacher- und Vorsorgeprinzip nach. Angesichts ihrer teilweise langen historischen Traditionen erörtert er die Frage, warum sämtliche Bemühungen die fortschreitende Zerstörung nicht aufhalten konnten. Seine Erklärung ist, daß sie keine grundlegenden Veränderungen der Wirtschafts-, Rechts- und Staatsstrukturen beabsichtigt bzw. bewirkt haben. Um dies zu ändern, fordert der Autor dazu auf, der Natur soweit möglich eigenständige Daseinsrechte einzuräumen und gesetzlich festzuschreiben.

2 Aufgrund der wenigen Zeit, die für die Vorbereitung dieses Beitrages zu ermöglichen war, kann die Darstellung nur als Anregung verstanden werden, sich mit der Entstehungsgeschichte und den bis heute nachwirkenden Defiziten des Nachhaltigkeitskonzeptes auseinanderzusetzen. Wer möchte, kann mir widersprechende oder ergänzende Reaktionen zukommen lassen.

3 Siehe Peter Fritz, Joseph Huber, Hans Wolfgang Levi: "Nachhaltigkeit" 1995, Stuttgart, S. Hirzel Verlag, Seiten 7, 17, 105 (letztere insbesondere zur Unklarheit des Konzepts).

4 Siehe Raphael Breidenbach: "Herausforderung Umweltbildung" 1996, Bad Heilbronn, Klinkhardt, Seiten 88- 105.

5 Siehe Charles R. Bowlus: "Die Umweltkrise im Europa des 14. Jahrhunderts", Seiten 13-29 in: Peter Sieferle (Hg.): "Fortschritte der Naturzerstörung" 1988, Frankfurt/Main, Edition Suhrkamp.

6 Siehe Friedrich-Wilhelm Henning: "Handbuch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands" 1991, Band 1.

Anmerkungen
7 Siehe Ulrich Troitzsch: "Umweltprobleme im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit aus technikgeschichtlicher Sicht", Seite 94 in: Bernd Herrmann: "Umwelt in der Geschichte, Beiträge zur Umweltgeschichte" 1989, Göttingen, Vandenhoeck.

8 Siehe Günter Heine: "Umweltbezogenes Recht im Mittelalter", Seite 111-125 in Bernd Herrmann (Hg.): "Mensch und Umwelt im Mittelalter" 1986, 2. Auflage, Stuttgart, Dt. Verlagsanstalt.

9 Siehe Klaus Schleicher und Christian Möller: "Perspektivwandel in der Umwelterziehung" 1997, Hamburg, Krämer Verlag, Seite 268.

10 Siehe Karl Bosl: "Gesellschaft im Aufbruch: die Welt des Mittelalters und ihre Menschen" 1991, Regensburg, Pustet Verlag, Seite 45.

11 Vorgänge dieser Art schildert eindringlich Massimo Montanari: "Der Hunger und der Überfluß. Kulturgeschichte der Ernährung in Europa" 1993, München, Beck.

12 Beides kann hier nur im Überblick geschehen. Darum soll der Schwerpunkt dieser historischen Betrachtung auf den Entwicklungen zur Aufklärungszeit liegen.

13 Siehe Marie-Luise Hillebrecht: "Eine mittelalterliche Energiekrise", Seiten 275-283 in Bernd Herrmann (Hg.): "Mensch und Umwelt im Mittelalter" 1986, 2. Auflage, Stuttgart, Dt. Verlagsanstalt.

14 Zur geschichtlichen Entwicklung der Waldwirtschaft siehe Wilhelm Bode und Martin von Hohnhorst: "Waldwende" 1994, München, Beck Verlag; Seiten 9-38, 49, 54 und 89-92.

15 Siehe Horst Kurth: "Forsteinrichtung. Nachhaltige Regelung des Waldes" 1994, Berlin, Seiten 13-23 und 36-50.

16 Auf die unterschiedlichen Definitionen und Verständnisse von Ökologie und ökologischem Verhalten kann in diesem Rahmen nicht genauer eingegangen werden. Wenn im weiteren Textverlauf von Ökologie in konsequentem Sinne die Rede ist, ist damit ein intensives Bemühen um die Vermeidung der Ausbeutung von Menschen und Zerstörung natürlicher Lebensformen gemeint, dem im Zweifelsfalle Vorrang vor anderen Interessen eingeräumt wird.

17 Dieser Teil verdient es, noch wesentlich ausführlicher bearbeitet zu werden, als mir dies momentan möglich ist.

18 Siehe Wiebke Peters: "Die Nachhaltigkeit als Grundsatz der Forstwirtschaft" 1984, Hamburg, Dissertation, Seiten 261 und 264.

19 Siehe Rolf Kreibich (Hg.): "Nachhaltige Entwicklung. Leitbild für die Zukunft von Wirtschaft und Gesellschaft" 1996, Weinheim, Beltz Verlag, Seiten 21-24.

20 Siehe Christoph Spehr: "Die Jagd nach der Natur. Zur historischen Entwicklung des gesellschaftlichen Naturverhältnisses in den USA, Deutschland, Großbritannien und Italien" 1994, Frankfurt/Main; Seite 199.

21 Siehe Helga Eblinghaus und Armin Stickler: "Nachhaltigkeit und Macht. Zur Kritik von Sustainable Developement" 2. Auflage 1996, Frankfurt/Main, IKO-Verlag, Seite 33.

22 Der Überblick über die Ergebnisse von Rio kann hier nur ganz grob geboten werden. Um dennoch ein konkretes Beispiel aufzuzeigen, bietet es sich an, wiederum das Thema Wald zu wählen.

23 Siehe Anmerkung 21, hier Seite 66.

24 Siehe Anmerkung 21, hier Seite 156.

25 Siehe Anmerkung 21, hier Seiten 181 und 153.

26 Siehe Anmerkung 19, hier Seiten 118-122.

27 Bereits 1928 macht der Siedlungsverband des Ruhrkohlenbezirks den Vorschlag, man solle angesichts des Baumsterbens doch säurefeste Bäume pflanzen. Siehe dazu Ulrich Linse: "Ökopax und Anarchie. Eine Geschichte der ökologischen Bewegung in Deutschland" 1986, München, dtv. Und siehe Anmerkung 14.

28 Siehe Anmerkung 21, hier Seite 162.

29 Siehe Engelbert Schramm: "Kreislauforientierung statt Durchflußwirtschaft: Nachhaltiger Umgang mit Wasser, Fäkalien und Flüssigabfällen", Seite 135 in Egon Becker (Hg.): "Soziale Ökologie und Sustainable Developement (Jahrbuch für sozialökologische Forschung 3) 1997, Frankfurt/Main, IKO-Verlag.

Termine
8.-10.5.1998 in Oldenburg
Mythos Agenda 21 - Was ist dran an der Nachhaltigkeit?
Die in der Agenda 21 angestrebte nachhaltige Entwicklung ist ein Ziel, welches auf geradezu wundersame Weise Institutionen wie die Weltbank und politische Basisgruppen vereint. In diesem Seminar wollen wir den ,Alleskleber" Agenda 21 näher beleuchten (30-40 DM)
Info: PATCHWORK
Kaiserstraße 24
26122 Oldenburg
Tel.: 0441/17111
Fax: 0441/2489661
patchwork@oln.comlink.apc.org

Stimmen zur Agenda
Mit der Agenda 21 wendet sich erstmals ein UN-Dokument nicht ausschließlich an die Regierungen sondern konkret an die Bürgerinnen und Bürger. Die Agenda 21 umfaßt neben vielen sehr guten Ideen und Ansätzen auch Punkte, die man sehr kontrovers diskutieren muß. So sollten wir der Förderung der Gentechnologie (Kapitel 16) und der Unterstützung von Nuklearprogrammen in den Entwicklungsländern (Kapitel 22) eine klare Absage erteilen.
Hiltrud Breyer, MdEP in ihrer Broschüre "Lokale Agenda 21. Informationen, Materialien und Aktionsvorschläge."

Mit der Agenda 21 werden breite Bevölkerungsschichten erreicht, andere Aktionen werden nur von Studenten getragen. Die Kritik an den falschen Inhalten ist akademisch und den Bürgern nicht zu vermitteln. Es ist doch gut, daß überhaupt etwas passiert.
Aktivist von B' 90/Grüne

Wie die meisten Umweltschutzkonzepte ist die Idee der Nachhaltigkeit ein alter Hut.1 Im deutschen Sprachraum existiert sie schriftlich nachweisbar seit über 850 Jahren. Auch das Bemühen um ihre systematische Anwendung ist alles andere als neu. Es ermöglicht seit 300 Jahren, sich mit den ökologischen Folgen eines nachhaltig arbeitenden Wirtschaftszweiges auseinanderzusetzen. Bis zur Konferenz von Rio kam die historische ökologische Wirkung der Idee teilweise einer Katastrophe gleich. Doch Rio hat mit den historischen Traditionen des Nachhaltigkeitskonzepts nicht wirklich gebrochen. Eine konsequent kritische Diskussion ist überfällig.2
"Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung (Sustainable Developement) ist weltweit zu einem Schlüsselbegriff der Umweltpolitik der 90er Jahre geworden. Erstmals breit diskutiert wurde das Konzept im Zusammenhang mit dem Brundtland-Report der United Nations Commission on Environment and Developement (1983-1987) und der sich hieran anschließenden United Nations Conference on Environment and Development 1992 (Rio-Konferenz)".3
Darstellungen wie diese prägen die aktuelle Literatur. Sie erwecken einen falschen Gesamteindruck. Denn auf die eigentliche historische Tragweite der Idee und damit einhergehender Traditionen wird nicht hingewiesen. Möglicherweise ist dieses mangelnde Bewußtsein der historischen Entwicklung ein Grund dafür, daß es den an der Debatte Beteiligten so schwer fällt, die Idee inhaltlich klar zu fassen.3
Immerhin läßt sich als ihr Kernpunkt die Überzeugung ausmachen, daß der Mensch die natürlichen Lebensgrundlagen nicht rücksichtslos über Gebühr für seine Zwecke belasten darf, will er gegenüber kommenden Generationen nicht unverantwortlich handeln. Genau dieser Gedanke ist aber bereits im Mittelalter aufgekommen. Um zu verstehen, vor welchem Hintergrund dies geschah, ist ein kurzer Blick auf die damaligen Naturvorstellungen und Umweltprobleme hilfreich.

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