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BLICKE HINTER DIE MAUERN

Berichte von Thomas Meyer-Falk


1. Informationen zum "Leben" im Knast
2. Berichte vom Umgang der Knastleitungen mit politischen Engagement und Solidarität
3. Berichte von eingesperrten Polit-Aktivistis
4. Leben, Gesundheit und Sterben im Knast
5. Pit Scherzls Notizen über die Missstände, die er im Knast erlebte
6. 12 Jahre Knast für Anschlag auf Arbeitsamts-Chef
7. Berichte von Thomas Meyer-Falk
8. Berichte aus dem Gießener Gefängnis (Gutfleischstraße)
9. Gerichtlich geklärte Bedingungen
10. Mehr Knastberichte
11. Rechte Ideologieschmiede Knast


Im Original: Blitzlichter aus der JVA Stammheim
Von Thomas Meyer-Falk
Da ich seit dem 4. Juli 2002 wieder einmal in der berühmt-berüchtigten Haftanstalt Stuttgart-Stammheim in Isolationshaft sitze, möchte ich heute nur zwei kleine Episoden berichten und jedeR möge sich eine eigene Meinung bilden:

Der verschwundene Schrank
Es gibt hier im Erdgeschoß eine kleine „Sicherheitsabteilung“ mit fünf Sicherheitszellen, wie alle Zellen sind es eher Wohnklos, da das WC nicht extra abgetrennt ist. Als ich von 1996 bis 1998 hier in Isolation einsaß, gab es zumindest noch einen „Sicherheitsschrank“, so das man seine frische Wäsche und insbesondere Nahrungsmittel während der WC-Benützung sort „sicher „ unterbringen konnte. Noch 1998 wurden die Zellen renoviert und heute gibt es nur noch eine Metallregal mit 6 Ablagefächern, welche auf drei Seiten offen sind, etwa 90 Zentimeter daneben beefindet sich die WC-Schüssel! Die „normalen“ Zellen verfügen jedoch wie eh und je über Schränke.
Mittlerweile habe ich den Anstaltsleiter Schumacher, sowie den Landtag (Petitionsausschuß), den Gefängnisbeirat und die Gefangenenvertretung aufgefordert tätig zu werden. Denn mindestens, so meine Ansicht, muß die Anstalt kostenlos Plastikboxen stellen, damit Lebensmittel geruchsfest verpackt werden können; oder wer stellt zuhause sein frisches Brot in den Toilettenraum?!
Wer genauso wie ich findet, daß es ein menschlich wie hygienisch bedenklicher Zustand ist, daß wir hier in der Sicherheitsabteilung unsere Nahrungsmittel nicht vor dem obligatorischen Gestank schützen können, kann gerne eine höflich formulierte Postkarte oder einen Brief - unter Berufung auf Art. 17 Grundgesetz (allgemeines Petitionsrecht) - an
a) Herrn Anstaltsleiter
JVA
Aspergstr. 60
70439 Stuttgart
oder
b) Petitionsausschuß des Landtages
Konrad Adenauer Str. 3
70173 Stuttgart
schicken, und so helfen, daß die Anstalt sich eventuell etwas einfallen läßt.
Politisch unerwünschte Aufkleber
Erst kürzlich bescheinigte das Landgericht Leipzig, daß die Naziparole „Ruhm und Ehre der Waffen SS“ straflos bleibe. 1998 entschied das Landgericht Berlin, daß inhaftierte Faschos sebstverständlich ihre NPD-Aufkleber erhalten dürfen im Knast.
Am 15. Juli 2002 entschied ein Amtsinspektor der JVA Stammheim, das antifaschistische Aufkleber mit dem Text „Nazis raus aus den Köpfen“, oder mit einem Strichmännchen das ein Hakenkreuz in den Müll wirft, bzw. auf welchen eine Faust den Reichs- und Bundesadler zerschlägt, mir nicht ausgehändigt werden. Als ich seinen Namen wissen wollte, verweigerte er die Auskunft.
Einen Tag später erhielt ich alle Aufkleber, bis auf die letztgenannten, da diese geeignet wären, mein „Vollzugsziel“ zu gefährden. Besonders skandalös: am 5. April 2002 hatte eine Juristin der JVA Bruchsal diese Aufkleber explizit genehmigt. D.h. eine Anstalt in der ich 3 ½ Jahre in Isolation saß, erblickte in den Aufklebern keinerlei Gefahr, die bekannte Stammheimer Anstalt, in der ich erst wenige Tage einsitze, wähnt meine Resozialisierung gefährdet.

Weihnachten im Gefängnis
"Wie verbringen Gefangene Weihnachten?" Ist das überhaupt eine wesentliche Frage, überlege ich mir gerade. Soviel, wie ich hier in der Zelle (ich sitze in Isohaft) durch Radio und Zeitungen mitbekomme, aber auch durch Briefe, leben die Menschen außerhalb der Mauern unter dem Diktat des "Weihnachtsterrors", veranstaltet von den Firmen, die ihre Ware absetzen wollen, aber auch veranstaltet von ihnen selbst, weil sie sich aus irgendwelchen, für viele nur schwer in Worte zu kleidende Vorstellungen heraus, selbst unter Druck setzen: ich muß jetzt fröhlich und besinnlich sein, zu Weihnachten sind wir alle - gefälligst -friedlich!
Gemessen daran geht es hinter den Mauern nicht anders zu als im Frühling oder Herbst; graduell verschiebt sich jedoch mitunter die unterschwellig spürbare Stimmung in Richtung Aggressivität. Die allermeisten Gefangenen wären gerne bei ihren Angehörigen, d.h. in Freiheit, und die ihnen via Fernseher oder auch durch Rückschau in die eigene Vergangenheit vermittelten Eindrücke von der (Vor-)Weihnachtszeit frustriert sie.
Hier in der JVA Bruchsal (die Abkürzung steht für Justizvollzugsanstalt, früher schlicht Zuchthaus genannt) hängt in den Hafthausbereichen unter der Decke in ca. 9 Meter Höhe jeweils ein Adventskranz, man muß schon den Kopf weit in den Nacken legen, um ihn dort oben zu bemerken. Und im Erdgeschoß wird kurz vor Heiligabend eine kleine Tanne aufgestellt, mit Lametta und elektrischen Kerzen behängt.
Das "Feiertagsprogramm an Weihnachten 2003" (Zitat aus einem Aushang der Anstalt) sieht hier in Bruchsal wie folgt aus:
7.15 Uhr Aufschluß (Zellen werden geöffnet)
8.00 - 10.00 Uhr Hofgang (d.h. die Insassen können im Hof spazieren)
10.35 Uhr Mittagessen
11.00 - 14.00 Uhr Umschluß (bis zu drei Insassen dürfen sich in ein und dieselbe Zelle schließen lassen, z.B. um Karten zu spielen, zu reden...)
14.00 - 15.00 Uhr Hofgang
15.30 Uhr Abendessen
16.00 Uhr Einschluß (d.h. die Insassen werden in ihre Zellen weggeschlossen)
16.30 - 17.30 Uhr Gottesdienst (wer möchte, wird aus der Zelle geholt, um in der Gefängniskirche am Gottesdienst teilzunehmen)
Es versteht sich wohl von selbst, daß für Gefangene in Isolationshaft dieses "Programm" noch dürftiger ist, bei mir besteht es aus 60 Minuten alleine im Hof spazieren und den Rest der Zeit in der Einzelzelle (nicht umsonst heißt es ja auch "Einzelhaft").
Damit es aber auch zur Weihnachtszeit etwas zu lachen gibt, ist hier in der Anstalt die schon manchem bekannte Oberregierungsrätin G. am werkeln (vgl. ihren Einstand "Luftballonaffäre": www.germany.indymedia.org/2002/12/36137.shtml oder ihre sonstigen Ambitionen unter archive.ph/http://de.indymedia.org/2003/09/60778.shtml). Als ich kürzlich ein Hüpfseil begehrte, um mich in der Zelle sportlich zu betätigen - nur in einem gesunden Körper soll angeblich ein gesunder Geist wohnen - lehnte die Dame es nicht etwa ab, weil ein Seil in klassischen Ausbrecherfilmen sein Funktion als Fluchtmittel hat, sondern (animiert evtl. von "Schweigen der Lämmer"?) mit der Begründung, dies Seil sei ein "Drosselungsinstrument". Sie regte zudem an, daß man auch mit einem - Zitat - "imaginären Seil" die gleichen Bewegungen vollführen könne wie mit einem echten Hüpfseil.
Die Freude beim Landgericht, sich mit der Sinnhaftigkeit und Begründung dieser Verfügung auseinandersetzen zu dürfen, wird unglaublich sein.
Aber zurück zu Weihnachten 2003: ich selbst werde es lesend und Radio hörend verbringen. Seit der Verhaftung 1996 verbrachte ich jedes Weihnachten in strenger Einzelhaft (nur im Frühjahr 1998 war diese kurzfristig etwas aufgelockert, kurz darauf aber wieder vollumfänglich vollstreckt worden) und habe so meine Rituale. Jedes Jahr höre ich mir das Weihnachtsoratorium von Bach im Radio an und ich verbringe, was ich sonst nicht so gerne mache, den Tag im Bett - mit dicken Romanen. Und ehe ich mich versehe, sind diese Tage vorbei, es wird Sylvester und das neue Jahr bricht an...
Thomas Meyer-Falk, c/o JVA - Z. 3117, Schönbornstraße 32, D-76646 Bruchsal, Germany.



Rechte Ideologieschmiede Knast?

Beispielbericht aus einer Mailingliste
Nazisymbole und Antisemitismus in der JVA nicht moeglich???
Falsch die Überschrift muesste heissen : Nazisymbole und Antisemitismus in der JVA erlaubt!!!
Worte wie „Kanackensau“, „Judenschwein“ und „Schwuchtel“ sind, wie Hakenkreuze und SS-Runen ein ganz normaler Zustand in der JVA Dresden. Als ich das erste Mal in meinen Zellentrakt kam, dachte ich, ich bin in einem Film. Da lief ein Typ auf dem Gang mit freiem Oberkoerper und stellte seine Taetowierungen zur Schau. Diese sind ein eindeutiges Bekenntnis zum Nationalsozialismus; Reichskriegsfahne, Hakenkreuzfahne und A.H. „persoenlich“.
Dann war der Tag, wo ich Besuch bekam - was ich da erlebte, wollte ich nicht wahrhaben - ich wurde mit anderen Haeftlingen in einen Raum gesperrt, der aussah wie ein Jugendklub in der Saechsischen Schweiz.
Hakenkreuze, SS-Runen und auslaenderfeindliche Sprueche die seit ueber einem Jahr an der Wand stehen. Dies scheint ein Sport zu sein, da die Nazis die Jahreszahl und ihre Namen hinterlassen. Es scheint mir so, als ob es ein stilles Abkommen von Behoerden und Nazis gibt, das lautet : Ihr lasst uns in Ruhe und wir lassen euch in Ruhe!
Eine entpolitisierende Arbeit findet in der JVA nicht statt.
Ein Psychologe sprach in der ersten Woche mit mir und fragte mich, ob ich politisch sei. Als ich seine Frage mit „Ja!“ beantwortete, fragte er mich wie und in welche Richtung. Ich sagte ihm, das ich Hausbesetzer sei. Er sagte mir, dass politische Aktivitaeten verboten waeren. (p.s. er wurde inzwischen entlassen, weil er nicht tauglich war. Er ist bekennender Schwuler.)
Zu Weihnachten bekam ich von GenossInnen ein Paket. In diesem Paket befand sich ein Brief welcher ein Spucki mit zerschlagenem Hakenkreuz, ein Spucki mit einer Friedenstaube und ein Spucki mit dem Spruch „Soldaten sind Moerder“ enthielt . Dieser Brief wurde mir nicht ausgehaendigt mit der Begruendung, er wuerde verfassungsfeindliche Symbole enthalten. Nach einer heftigen Diskussion mit einer Beamten und der Drohung einen Brief an meinen Anwalt und der PDS-Fraktion im Landtag zu schreiben, wurde mir der Brief mit dem Spruch, ich solle meinen Freunden sagen, sie sollen in Zukunft unterlassen solche Sachen zu schicken, ausgehaendigt. Dies hat mir klar gezeigt, was in der JVA abgeht.
Da ich zur Zeit der Einzige hier bin, der klar sagt autonom zu sein, wird meine Post gruendlicher gelesen. Nazis duerfen aber weiter ihren menschenverachtenden Scheiss machen. In der Zelle im Besucherraum sind neue Sprueche mit Datum 15.12.01 zu sehen.


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