Einmischen

ZWANGSREGIME DER PSYCHIATRIE: EINSPERREN, FIXIEREN, ZWANGS"THERAPIE"

Zwangsmedikamentierung


Zwang · Freiheitsentziehung · Fixierung · Zwangsmedikamentierung · Begutachtung und Diagnose

Medikamentierung
DGSP-Bild Panzer mit Spritze

Schon der § 136a der Strafprozessordnung würde reichen, die Zwangsmedikamentierung (und eigentlich jeden Einsatz von Psychopharmaka) zu verbieten. Denn nur ohne solche psychische Beeinflussung sind Rechtsakte über die betroffene Person gültig. Da nicht abzusehen ist, wann irgendwas vor Gericht läuft, dürfte eigentlich nie ein bewusstseins- oder wahrnehmungsverändernden Mittel verabreicht werden. Denn ein plötzliches Absetzen vor einer Anhörung oder Vorführung hätte den gleichen Effekt wie die Anwendung selbst.
§ 136a StPO Verbotene Vernehmungsmethoden; Beweisverwertungsverbote
(1) Die Freiheit der Willensentschließung und der Willensbetätigung des Beschuldigten darf nicht beeinträchtigt werden durch Mißhandlung, durch Ermüdung, durch körperlichen Eingriff, durch Verabreichung von Mitteln, durch Quälerei, durch Täuschung oder durch Hypnose. Zwang darf nur angewandt werden, soweit das Strafverfahrensrecht dies zuläßt. Die Drohung mit einer nach seinen Vorschriften unzulässigen Maßnahme und das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils sind verboten.
(2) Maßnahmen, die das Erinnerungsvermögen oder die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten beeinträchtigen, sind nicht gestattet.
(3) Das Verbot der Absätze 1 und 2 gilt ohne Rücksicht auf die Einwilligung des Beschuldigten. Aussagen, die unter Verletzung dieses Verbots zustande gekommen sind, dürfen auch dann nicht verwertet werden, wenn der Beschuldigte der Verwertung zustimmt.

Doch dieser Paragraph spielt trotz seines weitreichenden Inhaltes in der Praxis gar keine Rolle.
Aus "Weiße Götter, Folterknechte?", in: Neues Deutschland, 23.11.2013 (S. 18f, Auszüge)
Seit 1984 verbietet die Anti-Folterkonvention der UN jegliche "grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe" – und was könnte erniedrigender sein, als nackt ausgezogen, gefesselt und "behandelt" zu werden? ...
Juan E. Méndez, der UN-Sonderberichterstatter über die Folter, hat erst im März erklärt, dass "alle Staaten ein absolutes Verbot aller nicht-einvernehmlichen medizinischen Behandlungen von Personen mit Behinderungen verhängen" müssten. Ausdrücklich führt er "nicht-einvernehmliche Psychochirurgie, Elektroschocks und Verabreichung bewusstseinsverändernder Drogen, sowohl in lang-, wie auch in kurzfristiger Anwendung" an. Und diese "Verpflichtung" der Staaten, so Méndez weiter, sei "unverzüglich" umzusetzen.
Zweitens ist seit März 2009 auch in Deutschland die Behindertenrechtskonvention der UN in Kraft. In Artikel 14 besagt diese, "dass das Vorliegen einer Behinderung in keinem Fall eine Freiheitsentziehung rechtfertigt".


Die zweifelhafte bis gefährliche Wirkung von Psychopharmaka
Ein interessanter Blickwinkel eines Neurobiologen auf gehirn- und nervenbeeinflussende argumentiert einfach mal andersherum: Placebo-Versuche beweisen, dass der Glaube an ein Medikament bzw. eine Behandlung einen hohen Anteil an der positiven Wirkung hat. Zwangsmedikamentierung basiert per se auf der Nichtakzeptanz dieser Behandlung. Das bedeutet, dass die gewünschte Wirkung von vornherein geringer ausfällt oder ganz ausbleibt, während die schädlichen Nebenwirkung wegen der Erwartung, dass diese eintreffen, zunehmen.

Aus Dirk Swaab (2017): "Unser kreatives Gehirn" (S. 414)
Die Wirkung von Placebos beruht auf einer Aktivitätsverschiebung in Hirnarealen, die der Funktion des Gehirns zugutekommt. Es handelt sich also um eine reale Wirkung, die bei der Behandlung "hilft". Preiswerte Placebomedikamente wirken weniger gut als teurere, da man sich von Letzteren mehr verspricht. Es ist die positive Erwartung des Paterienten, die eine unspeizifische Wirkung von Placebomedikamenten spezifiziert und sie in die Lage versetzen, ihre Wirkung auf Schmerz, Angst und Stimmung zu entfalten.
Allerding verbinden Psychiatriepatienten, die - ewas wegen Suizidgefahr oder in einer psychotischen Phase - zwangweise mit Medikamten behandelt wurden, keine positiven Erwartungen mit der Behandlung. Sie haen die Medikation nmlich zunächst verweigert. Im Fall einer Zwangsbehandlung ergibtg sich daher nur eine geringe oder gar keine Placebowirkung, obwohl sich die Medikation zunäcsht nicht von der Medikation bei Patienten, die sich freiwillig behandeln lassen, unterscheidet. Es ist sogar denkbar, dass die Beschwerden unter diesen Umständen zunehmen und eine "Nocebo"-Wirkung eintritt (nocebo = "ich werde schaden").

Ansonsten gibt es viele Hinweise auf teils katastrophale Wirkungen durch und dubiose Hintergründe von Psychopharmaka.

Aus der Übersetzung eines Interviews mit Robert Whitaker in der amerikanischen Zeitschrift Street Spirit (Originalartikel)
Zum Teil ist diese Zunahme der Zahl psychisch Kranker auf die Definition zurückzuführen. Heutzutage steckt man einen sehr großen Bereich ab und ordnet alle möglichen Menschen in die Kategorie „psychisch krank“ ein. Kinder z. B., die im Klassenzimmer nicht brav genug sitzen, haben nun ein Aufmerksamkeits-Defizit/Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS). Genauso schuf man eine neue Störung namens „Soziale Phobie“. ...
Je größer der Bereich dessen, was als psychisch krank gilt, abgesteckt wird, desto mehr Patienten hat die Psychiatrie und desto mehr Arzneimittel werden verkauft. Es gibt also einen inhärenten wirtschaftlichen Anreiz, psychische Krankheit so weit gefasst wie möglich zu definieren und ganz gewöhnliche, mit Leid verbundene Gefühle und Verhaltensweisen, die manche Menschen vielleicht lästig finden, als psychische Störung einzustufen. ...
1986 wurden etwa 500 Millionen Dollar für Antidepressiva und Neuroleptika ausgegeben, 2004 waren es fast 20 Milliarden. ... Betrachtet man die Ergebnisse der Untersuchungen, so findet man bei all diesen Medikamenten ein eindeutiges Muster von Befunden – bei den Neuroleptika, den Antidepressiva, den Anxiolytika (Tranquilizern) und den Stimulantien wie Ritalin zur Behandlung von ADHS. All diese Arzneien dämpfen für einen kurzen Zeitraum, vielleicht sechs Wochen, ein Zielsymptom ein klein wenig wirksamer als ein Placebo. Ein Antidepressivum lindert also die depressiven Symptome für kurze Zeit besser als ein Placebo. Langfristig gesehen jedoch verschlimmert jede dieser Psychopharmaka-Kategorien im Vergleich zu Placebos Zielsymptome wie Depressionen, Psychosen und Angstzustände. Die Folge sind eine Chronifizierung und Verschlimmerung der Zielsymptome. Bei einem großen Prozentsatz der Patienten werden sogar neue und schwerere psychiatrische Symptome durch die Medikamente selbst hervorgerufen. ...
Am offensichtlichsten ist dies bei den Antidepressiva. Ein bestimmter Prozentsatz von Patienten, die wegen irgendeiner Form von Depression mit Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern behandelt werden, bekommt eine Manie oder eine Psychose – hervorgerufen durch das Medikament. ...
Die Behauptung, bei psychisch Kranke bestehe erwiesenermaßen ein chemisches Ungleichgewicht ist eine Lüge. Man weiß das überhaupt nicht. Man sagt das, um den Absatz dieser Medikamente zu steigern und rechtfertigt es mit einem biologischen Erklärungsmodell für psychische Krankheiten.. ...
Zuerst muss man einmal darauf hinweisen, dass die Wirksamkeit von Prozac und allen späteren SSRIs immer recht gering war. In allen klinischen Studien ging es etwa 41 Prozent aller Patienten mit SSRI-Antidepressiva besser, im Vergleich zu 31 Prozent bei Placebos. Verwendet man in solchen Studien jedoch ein aktives Placebo – d. h., ein Placebo, das physiologische Veränderungen ohne irgendeinen Nutzen hervorbringt, also nur sog. Nebenwirkungen, wie etwa Mundtrockenheit –, dann gibt es praktisch keinen Unterschied mehr in der Wirksamkeit von SSRI-Antidepressiva und (aktiven) Placebos. ...
Die Geschichte von Prozac ist faszinierend. Von Anfang an stellte man im Vergleich zu Placebos nur eine ganz gering erhöhte Wirksamkeit fest. Gleichzeitig bemerkte man jedoch, dass die Selbstmordneigung unter Prozac höher war, als unter Placebos. Anders gesagt, das Mittel machte Menschen, die noch nie an Selbstmord gedacht hatten, unruhig, aufgeregt und suizidal. Genauso gab es manische Reaktionen bei Menschen, die noch nie eine Manie gehabt hatten, und psychotische Episoden bei Menschen, die noch nie psychotisch gewesen waren. Man bemerkte also diese problematischen Nebenwirkungen, während man gleichzeitig bei der Behandlung von Depressionen eine im Vergleich zu Placebos nur bescheiden verbesserte Wirksamkeit feststellte. Was also Eli Lilly, der Hersteller von Prozac, im Wesentlichen tun musste, war, psychotische und manische Nebenwirkungen zu vertuschen, um so die FDA-Zulassung zu erhalten. Ein FDA-Mitarbeiter bemerkte sogar warnend, Prozac scheine doch recht gefährlich zu sein. Dennoch wurde dieses Mittel schließlich zugelassen. ...
Seit 1990 hat sich die Zahl der Kinder, die mit Antidepressiva behandelt werden, versiebenfacht. In allen an Kindern durchgeführten Studien über Antidepressiva hatte man jedoch festgestellt, dass diese Mittel bei der Behandlung des Zielsymptoms Depression nicht wirksamer sind als Placebos. Bei Antidepressiva-Tests an Kindern wurde immer wieder der gleiche Befund erzielt. Das bedeutet, dass es keine vernünftigen therapeutischen Gründe gibt, Kinder mit Medikamenten zu behandeln, die die Zielsymptome nicht besser lindern als Placebos, aber alle möglichen unerwünschten Nebenwirkungen nach sich ziehen. In einer Testreihe z. B. litten 75 Prozent der mit Antidepressiva behandelten Jugendlichen an irgendeiner unerwünschten Nebenwirkung. In einer Studie der Universität Pittsburgh entwickelten 23 Prozent der SSRIbehandelten Kinder eine Manie oder manieähnliche Symptome, bei weiteren 10 Prozent kam es zu arzneimittelinduziertem aggressivem Verhalten. Diese klinischen Befunde besagten also ganz eindeutig, dass diese Medikamente Kindern mit Depressionen nicht helfen, dass sie aber zu allen möglichen schweren Problemen führen – Manien, Aggressivität, Psychosen und sogar Selbstmord. Man hätte diese Mittel bei Kindern also nie einsetzen dürfen, nicht wahr? Stattdessen wurde dies alles vertuscht. ...
Street Spirit: Die Pharmakonzerne besitzen also die enorme Macht, die Befunde von Arzneimittelstudien zu frisieren und sich die beteiligten Wissenschaftler und sogar die FDA gefügig zu machen?
Der Handlungsspielraum der FDA wurde Anfang der 90er Jahre drastisch eingeschränkt, und das Ergebnis sehen wir bei den Psychopharmaka. Die FDA wurde vom Wachhund zum Schoßhund der Pharmaindustrie. Dies ist der amerikanischen Öffentlichkeit erst heute bewusst geworden. Jetzt veröffentlicht Marcia Angell, die frühere Chefredakteurin des New England Journal of Medicine, ein Buch, in dem sie die FDA als Schoßhund der Pharmaindustrie bezeichnet. Als ehemalige Chefredakteurin der bedeutendsten medizinischen Fachzeitschrift Amerikas ist Marcia Angell eine wichtige Persönlichkeit in der amerikanischen Medizin – und sie kam zu dem Schluss, die FDA habe die Öffentlichkeit getäuscht. Wegen ihrer Kritik an der Pharmaindustrie hat sie schließlich ihren Job beim New England Journal of Medicine verloren. Ende der 90er Jahre war sie Chefredakteurin dieser Zeitschrift und arbeitete mit einem Arzt namens Thomas Bodenheimer zusammen. Dieser hatte beschlossen, in einem Artikel darauf hinzuweisen, dass man sich wegen der zurechtredigierten Befunde medizinischer Studien nicht einmal mehr auf medizinische Fachzeitschriften verlassen könne. Die beiden stellten also Nachforschungen darüber an, wie die Pharmaunternehmen die Forschung finanzieren und die Befunde in ihrem Sinne für die Öffentlichkeit bearbeiten. Sie wiesen darauf hin, dass man aus diesem Grunde nicht einmal mehr dem vertrauen kann, was in wissenschaftlichen Zeitschriften zu lesen ist und berichteten, dass es ihnen auf der Suche nach einem Fachmann für die Auswertung wissenschaftlicher Veröffentlichungen über Antidepressiva nicht gelungen war, jemanden zu finden, der kein Geld von der Pharmaindustrie erhielt.
Das New England Journal of Medicine wiederum wird von der Massachusetts Medical Society herausgegeben, die noch eine Reihe weiterer Zeitschriften in ihrem Programm hat und sich zum großen Teil durch pharmazeutische Werbung finanziert. Was geschah nun, als der Artikel von Thomas Bodenheimer und Marcia Angell über den beklagenswerten Zustand der amerikanischen Medizin erschienen war? Beide verloren ihren Job! Sie wurde gefeuert, und Thomas Bodenheimer ebenso. Denken Sie einmal darüber nach: Die führende medizinische Fachzeitschrift des Landes entlässt Mitarbeiter, weil sie es gewagt haben, die unlauteren Praktiken in der amerikanischen Medizin zu kritisieren, die die wissenschaftliche Literatur vergiften.

Aus "Memorandum der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie zur Anwendung von Neuroleptika" (2012)
Die Neuroleptikabehandlung ist bei alten und demenzkranken Menschen mit folgenden weiteren Risiken verbunden: Pneumonie, extrapyramidalmotorische Störungen (EPMS), Thrombose, Herzrhythmusstörungen, Schluckstörungen. Außerdem wird die Kognition verschlechtert, d.h., die demenziellen Symptome verstärken sich. Die Risiken hängen zum Teil wechselseitig miteinander zusammen (z.B.: Schluckstörung – Pneumonie – Tod; EPMS – Sturz – Tod; Thrombose – Lungenembolie – Tod). Die mit der Verordnung meist angestrebte Sedierung spielt dabei eine wichtige Rolle. Die bislang einzige randomisierte, placebokontrollierte Studie an 165 Patienten, die alle bis zum Beginn der Studie mit Neuroleptika behandelt worden waren, zeigte nach 36 Monaten
eine signifikant verdoppelte Todesrate. Es verstarben 59 % im Vergleich zu 30 % der Patienten, deren Neuroleptikamedikation nach der Randomisierung abgesetzt wurde. ... (S. 11)
Das Pharmaunternehmen Lilly zum Beispiel verfälschte bei seinem Neuroleptikum Olanzapin (Zyprexa) für die Zulassung bei der Food and Drug Administration das Neuauftreten von Hyperglykämien (Blutzuckeranstieg) von 3,6 versus 1,05 auf 3,1 versus 2,5 („New York Times“ vom 17., 20. und 21. Dezember 2006). Erst durch eine undichte Stelle in der Firma kamen die Daten im Dezember 2006 an die Öffentlichkeit. Lilly zahlte daraufhin 1,2 Mrd. US-Dollar an 26000 Diabetesopfer im Rahmen eines juristischen Vergleichs. Der Pharmariese GlaxoSmithKline (GSK) hielt fünf Jahre lang Studienergebnisse über die Unwirksamkeit seines Antidepressivums Paroxetin und dessen erhebliches Suizidrisiko in der Anwendung bei Kindern zurück. Dies veranlasste die britische Regierung, auf EU-Ebene strengere Gesetze gegen die Unterdrückung von Studienergebnissen zu fordern. Gezielte gesetzeswidrige Aufforderungen zur Off-Label-Verschreibung durch Hersteller haben in den USA zu Strafen und Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe geführt. ... (S. 23f)
„Die Kombination unerwünschter Wirkungen antipsychotischer Medikation mit schlechter Ernährung, Bewegungsmangel, starkem Rauchen und anderen aus einer psychotischen Erkrankung resultierenden Faktoren sowie insgesamt prekären Lebensverhältnissen hat einen verheerenden Effekt auf die kardiometabolische Gesundheit. Deshalb verwundert es nicht, dass Menschen mit schweren psychischen Störungen um 16 bis 25 Jahre kürzer als die Allgemeinbevölkerung leben und dass koronare Herzerkrankungen und nicht Suizid deren Haupttodesursache ist.“ (S. 25, als Quelle angegeben: Lancet Editorial (2011) 377:611)

Peter C. Gotzsche, Facharzt für innere Medizin und Leiter des Nordic Cochrane Centre in Kopenhagen, im Interview mit der SZ, 6.2.2015
... der weltweit größte Medikamentenhersteller Pfizer zum Beispiel hat in den USA 2009 nach einem Prozess wegen der illegalen Vermarktung von Arzneimitteln 2,3 Milliarden Dollar gezahlt. Das Unternehmen GlaxoSmithKline war 2011 sogar bereit, drei Milliarden Dollar zu zahlen, um einen Prozess wegen Arzneimittelbetrugs zu beenden. Bei Abbot waren es immerhin 1,5 Milliarden, Eli Lilly zahlte 1,4 Milliarden, Johnson & Johnson 1,1 Milliarden. Bei den anderen großen Unternehmen waren es Summen im zwei- und dreistelligen Millionenbereich. Immer ging es um Betrug und Irreführung, Bestechung oder Vermarktung nicht zugelassener Mittel. Diese Straftaten erfüllen die Kriterien für das organisierte Verbrechen, deshalb kann man von Mafia reden. In einem Prozess gegen Pfizer haben die Geschworenen 2010 ausdrücklich festgestellt, dass die Firma über einen Zeitraum von zehn Jahren gegen das sogenannte Rico-Gesetz gegenorganisierte Kriminalität verstoßen hat. ...
Die Pharmaunternehmen sind deshalb sogar schlimmer als die Mafia. Sie bringen viel mehr Menschen um. ...
Ich schätze, dass allein das Antipsychotikum Zyprexa (Anm. d. Red.: Mittel zur Behandlung schizophrener Psychosen) von Eli Lilly etwa 200 000 der 20 Millionen Patienten, die das Mittel weltweit genommen haben, umgebrachthat. Denn Studien an Alzheimer-Patienten haben gezeigt, dass es unter hundert Patienten, die mit solchen atypischen Antipsychotika behandelt werden, zu einem zusätzlichen Todesfall kommt. Es handelte sich in den Studien zwar um ältere Patienten, die Untersuchungen dauerten aber meist auch nur zehn bis zwölf Wochen. Im realen Leben werden Patienten meist jahrelang behandelt. Außerdem wurde Zyprexa häufig Älteren verordnet, obwohl es etwa für Demenz, Alzheimer und Depressionen gar nicht zugelassen war. Deshalb musste das Unternehmen 1,4 Milliarden Dollar wegen illegaler Vertriebsmethoden bezahlen. Der Umsatz mit Zyprex lag zwischen 1996 und 2009 allerdings bei 39 Milliarden Dollar. Auch eine weitere Gruppe Psychopharmaka, die Antidepressiva, ist gefährlich. Ältere Patienten verkraften diese Mittel schlecht. Und es ist bekannt, dass Mittel wie Seroxat (Paxil) von GlaxoSmithKline unter Kindern und Jugendlichen das Suizidrisiko erhöht haben. Außerdem behaupteten die Autoren der wichtigsten Studie zu Seroxat bei schweren Depressionen bei Jugendlichen, das Mittel sei wirksam und sicher. Aber die Ergebnisse belegten das gar nicht, wie eine Überprüfung der Daten gezeigt hat. Die Firma hat es dann auch noch als Medikament für Kinder angepriesen, obwohl es dafür gar nicht zugelassen war. Das war einer der Gründe dafür, weshalb sie drei Milliarden Dollar zahlen musste. ...
Ich gehe davon aus, dass wir uns 95 Prozent des Geldes sparen können, das wir für Arzneien ausgeben, ohne dass Patienten Schaden nehmen. Tatsächlich würden mehr Menschen ein längeres und glücklicheres Leben führen können. ...
Die Journale sind auch Teil des Problems. Sie leiden unter erheblichen Interessenkonflikten. Die renommiertesten Fachmagazine verdienen zum Beispiel eine Menge Geld mit dem Verkauf von Sonderdrucken an Firmen, mit denen diese dann werben. Deshalb stehen die Journale unter Druck, Manuskripte der Pharmaindustrie zu akzeptieren. So kommt es, dass auch Studien mit falschen oder irreführenden Aussagen veröffentlicht werden. Dafür gibt es etliche Beispiele. Richard Smith, ein früherer Herausgeber des British Medical Journal, hat selbst einen ganzen Artikel veröffentlicht unter dem Titel: "Medizinische Fachzeitschriften sind ein verlängerter Arm der Marketingabteilungen der Pharmafirmen".


Aus "Medikamentenstudie vom Ghostwriter", in: SZ, 17.9.2015
Die beiden weitverbreiteten Antidepressiva, die besonders für Jugendliche gedacht waren, sind weder wirksam noch sicher. So könnte man zusammenfassen, was eine Aufarbeitung der Daten ergeben hat, die im aktuellen British Medical Journal (online) veröffentlicht wurde. In der einflussreichen Originalstudie, die 2001 erschienen ist und in der das Loblied auf die beiden Mittel gegen Schwermut angestimmt wurde, sind Daten verschwiegen, verzerrt und verfälscht worden. Millionen Jugendliche weltweit haben die ebenso nutzlosen wie schädlichen Medikamente seither genommen.

Anwalt David Schneider-Addae-Mensah im Interview mit der taz, 18.4.2011
Auch eine Zwangsmedikation kann den Weg zur Freiheit verbauen. Oft sind die Betroffenen dann völlig vergiftet - Wracks, die nicht mehr selbstständig lebensfähig sind, wenn sie herauskommen. Viele bekommen auch posttraumatische Belastungsstörungen. Stellen Sie sich vor, dass man Sie regelmäßig fesselt, damit Sie gespritzt werden können! Immer wieder bringen sich Gefangene als Reaktion auf diese Misshandlungen auch einfach um.

Fixiert und medikamentiert: 5000 Euro Schmerzensgeld!
Aus dem Urteil 86 O 88/14, Landgericht Berlim am 28.1.2015



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