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DIREKTE DEMOKRATIE - VON BÜRGERINNENENTSCHEIDEN BIS ZUM FÜHRERSTAAT

Kritik direkter Demokratie


Was ist direkte Demokratie? Kritik direkter Demokratie Wer ist das Volk? Volk und Führer Kritische Blicke Tipps für Bürgerentscheide

Der folgende Text ist ein Auszug aus dem Buch "Die Demokratie überwinden, bevor sie sich selbst abschafft - zum Schlimmeren!" (ab Seite 165, ohne Fußnoten und Zitate)

Demokratische Verschlimmbesserungen
Manch Beteiligte im demokratischen Rettungsbusiness setzen große Hoffnung in direkt-demokratische Methoden. Das ist verständlich, schließlich kann – rein theo-retisch – über solch eine Abstimmung ein emanzipatorischer Sprung gelingen. Dummerweise geschieht das kaum. Die Fälle, in denen in solchen Gesamtabstim-mungen Ergebnisse erzielt wurden, die dem herrschenden Diskurs bzw. Mainstream widersprachen, sind selten. Selbst die Gleichberechtigung der Men-schen, welche in der Demokratiepropaganda eine große Rolle spielt, ließ sich bis-her nicht oder nur sehr mühsam er-wählen. So dauerte es bis 1971, bis in der Schweiz das Frauenwahlrecht eingeführt wurde. Im Kanton Appenzell Innerrhoden mussten Frauen sogar bis 1990 warten. Erreicht wurde ihr Wahlrecht per Klage vor dem Bundesgericht, also auf gar nicht so demokratische Weise. Die bis dahin allein wahlberechtigten Männer hatten auch 1990 noch den Frauen das Wahlrecht per Volksabstimmung verweigert. In Basel scheiterte Ende 2024 ein Volksbegehren zum zweiten Mal, alle Einwohnis der Stadt als wahlberechtigt zu erklären.
Bei direkten Abstimmungen agiert die Masse Mensch so, wie es „Volksherrschaft“ im originären Sinn meint – und wie es das Konzept der „Volkssouveränität“ in rech-ten Kreisen vorsieht. Die Probleme, die bei der Formierung eines Gemeinwillens aus der Vielfalt der Unterschiedlichen entstehen, treten hier offen zutage. Sie sind nicht hinter Repräsentation versteckt. Das Volk agiert selbst, die Einzelnen sind in ihm und im Mainstream aber untergegangen. Die Ergebnisse der Abstimmungen richten sich nach den herrschenden bzw. gemachten Meinungen. So fielen in der Schweiz Abstimmungen zu Klimathemen sehr unterschiedlich aus, je nachdem wie stark das Thema gerade die öffentliche Debatte bestimmte. Im Juni 2023 stimmte eine Mehrheit für mehr Klimaschutz . Es war das letzte Jahr, in dem der Klimawan-del noch viel Raum in der öffentlichen Debatte einnahm und hohe Zustimmungs-werte erzielte. Danach flaute das Interesse ab, wurde durch Kriegs- und Wachs-tumspropaganda ebenso verdrängt wie durch die ausufernde Angstdebatte um Migration. In der Folge stimmte im Februar 2025 eine deutliche Mehrheit gegen einen Klimaentscheid.
Die Verkürzung auf Ja-Nein-Fragen tut sein Übriges zu der Zuspitzung. Menschen können keine eigenen Vorschläge einbringen und müssen im Zweifel das kleinere Übel wählen. Neben der Beeinflussung öffentlicher Diskurse entscheidet die Fragestellung oft über Erfolg und Misserfolg. Auch dabei sind die Menschen, die spä-ter als „Volk“ die vermeintliche Entscheidungsgewalt haben, ausgeschlossen. Ihnen bleibt nur, ein fertiges Paket abzunicken oder scheitern zu lassen. Wobei die Sache mit der Fragestellung in konsensdemokratischen Abstimmungen noch wichtiger ist, wirkt das dort allen Abstimmenden zukommende Vetorecht doch jeweils nur in eine Richtung. Hieße die Frage beispielsweise „Darf hier geraucht werden?“, würde ein Veto den Bereich, für den die Abstimmung stattfindet, rauchfrei ma-chen. Hieße die Frage aber „Soll hier Rauchen verboten werden?“, würde theore-tisch eine Person mit Mut zum Veto reichen, um das Rauchen zu erlauben.
Die Folge: „Volksabstimmungen sind sehr anfällig für populistisch agierende Perso-nen und Parteien“. Dadurch haben die bestehenden Eliten nur einen unsicheren Vorsprung gegenüber spontan in Debatten um Volksentscheide aufkommenden, vor allem populistischen Positionen oder rhetorisch gewandten bzw. über Medien reichweitenstarken Personen. Darum will „die deutsche Elite von direkter Demo-kratie nichts wissen“. In der repräsentativen Demokratie können sie sich sicher sein, immer die überwältigende Mehrheit der Funktionseliten zu stellen und so das Geschehen einigermaßen gut im Griff zu haben.
Angesichts des laufenden Rechtsrucks könnten direkt-demokratische Elemente schnell eine weitere Zuspitzung mit sich bringen, da die aktuelle angstbesetzte Aufladung der Gesellschaft die Chance erhöht, mit populistischen Positionen Mehrheiten zu generieren. Die rechten Parteien sind sich dessen bewusst und „fordern Volksentscheide nach Schweizer Vorbild auch für Deutschland. Denn die uneingeschränkte Volkssouveränität in ihrer seit fast 200 Jahren bewährten Gestal-tung hat dem eidgenössischen Bundesstaat eine fortwährende Spitzenstellung in Wohlstand, Frieden und Freiheit gesichert.“ Schon 2021 brachte die AfD einen Gesetzentwurf für Volksabstimmungen in den Bundestag ein, der an den anderen Parteien scheiterte.
In den AfD-Formulierungen versteckt sich ein grundsätzliches, demokratietheoreti-sches Problem. Wenn das Volk, sei es über direkte Sachabstimmungen in direkter Demokratie oder über Wahlen von Repräsentantis, die dann die Entscheidungen fällen, die volle Souveränität haben soll, also „alle Gewalt vom Volke ausgeht“ (Art. 20 GG), dann dürfte es keine Schranken geben. Zu jedem Thema und in jede Rich-tung dürfte entschieden werden. Einen Krieg anzetteln, alle Nichtdeutschen verja-gen, wieder Konzentrationslager errichten oder die Todesstrafe einführen, Frauen an den Herd zurück zwingen, die Prügelstrafe für Kinder erneut legalisieren, Ge-fängnis für Abtreibungen verhängen – die Liste der vorstellbaren Entscheidungen, die je nach populistischer Aufladung eine Mehrheit erhalten könnten, ist lang. Dass dies nicht nur Theorie ist, zeigt die Geschichte. Der Übergang von Demokratie zum autoritären Staat erfolgte in der Regel auf demokratischen Wegen.
Tatsächlich sehen viele genau diese uneingeschränkte Herrschaft des Volkes, d.h. in der Praxis dann derer, die als Volk aufzutreten und zu agieren privilegiert sind, als Wesensmerkmal der Demokratie. „Das Prinzip der Volkssouveränität bestimmt das Volk zum souveränen Träger der Staatsgewalt“, schreibt Wikipedia, und fügt verstärkend hinzu, „das Volk in seiner Gesamtheit [stehe] einzig über der Verfas-sung“. Die Regierungsinternetseite für Kinder schreibt ähnlich: „Mit ‚Souverän‘ bezeichnet man den unumschränkten Herrscher eines Landes. Früher waren das Kaiser und Könige. In den modernen Demokratien ist es das Volk, von dem alle Macht im Staat ausgeht.“ Laut Regierungsplattform für Erwachsene ist Volkssou-veränität „ein verfassungsrechtliches Prinzip aller Demokratien, das besagt, dass die höchste Gewalt des Staates und oberste Quelle der Legitimität das Staatsvolk selbst ist.“
Das ist offensichtlich falsch. In allen Demokratien gibt es Grund- oder Verfassungs-rechte, „checks and balances“ und einiges mehr, die unumstößlich gelten und nach den eigenen Mantras auch von Mehrheiten nicht gekippt werden dürfen. Verfassungsgerichte oder ähnliche Institutionen wachen darüber. Praktisch han-delt es sich also um konstitutionelle Demokratien, und damit nicht wirklich um Volksherrschaft oder Volkssouveränität. Was ein Glück ist, denn der größte Fehler in der (u.a. von der AfD geforderten) Volkssouveränität ist, dass „Volk“ eben nicht die unterschiedlichen Menschen in einer reflektierten Debatte sind, sondern der entfachte Mainstream bzw. Diskurs, der eher den lautesten Stimmen entspricht als einer bewussten Entscheidungen der Vielen. „Volks“souveränität wäre also
eher die Diktatur der Volks(ver)führis, denn „in einer Gesellschaft der Massen-
medien gerät das Referendum leicht zur Waffe derjenigen, die sich eine Medien-kampagne leisten können und es verstehen, die Empörung eines ‚gesunden Volks-empfindens‘ aufzustacheln“.
Für das Offensichtliche sind viele aber blind. Es gab sogar mal eine Partei, deren einziger Zweck die Durchsetzung von Volksabstimmungen war. Sie kritisierte die klassische Demokratie: „Das Volk betreffende Grundsatz- und Schicksalsfragen [...] werden von der demokratischen Obrigkeit entschieden, auch bewußt gegen den Willen der Bevölkerungsmehrheit. Das Volk wird nicht gefragt. Das Volk hat im gegenwärtigen System tatsächlich keinen Einfluß auf die Staatsgewalt.“ Das wäre zutreffend, wenn da nicht der Begriff des „Volks“ genutzt würde. Denn das, was mit „Volk“ gemeint ist, ist nur seine Elite. Die Menschen, nicht das Volk, werden in der Demokratie ignoriert, mitsamt ihrer Individualität und Vielfalt. Volksabstimmungen sind kein Gegensatz zur repräsentativen Demokratie, sondern nur ein anderes Mittel, Vielfalt und Eigenarten der Menschen in der Masse verschwinden zu lassen.
Die Dissonanz zwischen Volkssouveränität und Grundrechtsstaat prägt viele Demo-kratiedebatten. Angesichts der offensichtlichen Gefahr treten viele für die Begren-zung der Macht des Volkes ein. Es müsse Grenzen geben, die nicht übersprungen werden dürfen. Faktisch ist das auch so geregelt, doch der Streit spitzt sich im po-pulistischen Schlagabtausch immer wieder zu. Die Fronten sind dabei sehr inter-essant und zeigen vor allem eines: Alle sehen in der Demokratie die Basis ihrer eigenen Privilegien – und wünschen sich die dazu passende Form einer Demokra-tie. Die Funktions- und Deutungseliten, in ihrer Selbstinszenierung zur Rettung der Demokratie, betonen das, was die Volkssouveränität begrenzt. Von CDU/CSU bis zu Grünen und oft auch den Linken feiern alle die Stärke des Rechts ab, glorifizieren Justiz und das durch Gesetze geordnete Gemeinwesen, während AfD und viele andere rechte bis rechtspopulistische Gruppen, die vom Führer- oder zumindest autoritären Staat träumen, die absolute Entscheidungsmacht der Mehrheit über alle propagieren. Die einen sehen sich selbst an den Hebeln des Rechts, die ande-ren hoffen auf eine Führerschaft durch populistische Hoheit über die Volksmei-nung. So ist es insgesamt ein Machtkampf zwischen Lagern, die alle nicht wirklich die Menschen stärken wollen und auf Selbstermächtigung setzen. Die oben zitierte Partei für Volksabstimmungen wandelte sich auch schnell in eine offen rechtsext-reme Organisation unter dem Namen „Bündnis für Deutschland“, verschwand dann aber mangels Erfolg.
Im gesamten Streit geht es nur darum, wer Hegemon ist, nicht um den Abbau von Hegemonie und mehr Selbstbestimmung der Einzelnen. Direkte Entscheidung durch das Volk ist kein Gegensatz zur Entscheidung durch Stellvertretis, denn schließlich existiert das Volk nur in Form seiner Stellvertretung.
AfD und andere rechte Strömungen hoffen, durch eine Verschärfung autoritärer Verhältnisse die Grundrechte schleifen zu können. Immer wieder äußerten ihre Spitzenvertretis Sympathien für Regimes wie Russland oder China, so zum Beispiel die AfD-Chefin am Beginn der Corona-Pandemie, als sie ein hartes Durchgreifen und einen totalen Lockdown forderte. China benannte sie dabei als Vorbild.
Im Fanclub der direkten Demokratie geht es nicht nur um Sachabstimmungen. Auch die führenden Politikis sollen direkt gewählt werden statt, wie heute, durch die Parlamente. Laut Hans Herbert von Arnim hätten direkt gewählte Regierungs-chefs „dann die für kraftvolles Regieren nötige demokratische Legitimation“. Das ist Klartext und legt nahe, dass „kraftvoll“ hier durchaus im Sinne von „autoritär“, also von oben nach unten, ausgestattet mit verstärkten Machtmitteln, gemeint ist. Die NPD klatschte Beifall. „Hans Herbert von Arnim fordert mehr direkte Demo-kratie. Dahinter steht keine emanzipatorische Perspektive, sondern das Konzept einer „Führerdemokratie“ zum Schutz kapitalistischer Herrschaft“, entgegnet Thomas Wagner in der Jungen Welt. „Die demokratische Legitimationsgrundlage dafür will er durch die plebiszitäre Selbstentmachtung des Wahlvolkes schaffen.“
Angesichts dessen, dass Direktwahlen des Führungspersonals in einer Demokratie die vorhandenen Hierarchien weiter steigern können, überrascht es wenig, dass auch die AfD fordert: „Der Bundespräsident, als höchster Repräsentant des Staa-tes, soll direkt vom Volk gewählt werden.“ Wie ein solcher Wahlkampf dann auch hierzulande aussehen würde, gäbe es eine Direktwahl des Staatsoberhauptes, lässt sich mit Blick auf die USA, Türkei, Frankreich oder Venezuela erahnen? Er wäre zugespitzt auf Personen, ihre Ausstrahlung, die von ihnen entfachten Stimmungen. Das „Volk“ kommt nur noch als gedankenlose Jubelmasse vor, die ihre Popstars anhimmelt, auch die dümmsten Bemerkungen, Lügen oder Gesten ver-zeiht, wenn nicht abklatscht – und dann wählt. Die deutsche Geschichte lehrt ei-gentlich ausreichend, welche Gefahr von personenzentrierten Führungskämpfen ausgeht. Eine Direktwahl des Bundespräsidenten würde nur Sinn machen, wenn dieser auch mit echten Befugnissen ausgestattet würde. Das würde den heute stattfindenden Übergang der Demokratie in den autoritären Staat der historischen Vorlage vom 30. Januar 1933 ein Stück ähnlicher machen.
Der aktuelle Rechtsruck verläuft in den Ländern schneller, in denen die Führis direkt gewählt werden. In Deutschland geschieht dieses in geringerem Maße, aber auch deutlich erkennbar. Parteien mit klaren Führungsfiguren neigen stärker zu populistischen Auftritten und Inhalten, wie BSW, Freie Wähler (mit ihrem Chef
Aiwanger) und zum Teil die CSU zeigen.
Parteien wie die AfD, die für die Überwindung der Demokratie Richtung autoritä-rer Republik eintreten, wissen um die Chancen, die auf charismatische Führungs-personen zugeschnittene Wahlkämpfe bieten – Trump lässt grüßen! Diese Ansicht teilen auch andere rechte und konservative Kreise wie die Freien Wähler oder das Magazin Cicero . „Unbedingt sollte der Bundespräsident vom Volk gewählt werden“, forderte selbst ein ehemaliger Bundespräsidentenkandidat von Bündnis 90/Die Grünen. Es ist einer der vielen Punkte, bei denen die verschiedenen poli-tischen Lager sehr ähnlichen Vorstellungen über immer mehr Demokratie anhän-gen – verbunden mit der Illusion oder bewusst täuschenden Propaganda, dass noch mehr Demokratie, hier in Form von noch mehr Wahlen, die Welt verbessern würde.
Beim Blick auf konkrete Beispiele verdunkelt sich dieses Bild sogar noch weiter. Es ist keine Seltenheit, dass sich auch Diktatoris der Wahl stellen oder sie ihre Ent-scheidungen durch Volksabstimmungen absegnen lassen – ein leichtes Spiel, wenn mensch die Hoheit über Meinungsbildung und Diskurse hat. So wurden und wer-den „Abstimmungen auch gerne von faschistischen Systemen inszeniert, um dem Volk das Gefühl zu geben, die Entscheidungen mitgetragen zu haben, oder seine Maßnahmen gegenüber dem Ausland zu rechtfertigen.“ Daher: „Formale Demo-kratie kann auch in autokratischen Gesellschaften gegeben sein.“ Grund- und Menschenrechte, die gesellschaftliche Ordnung als Verfassungsstaat – das alles kann auch in einer konstitutionellen, also durch garantierte Rechte beschränkten Monarchie oder einem Präsidialsystem gelten. Es ist nicht das Alleinstellungs-merkmal der Demokratie. Es ist sogar überhaupt kein obligatorischer Bestandteil von Volksherrschaft, auch wenn viele dies zu ihrer Ehrenrettung behaupten. De-mokratie kann, wie andere Staatsformen, an Rechtstaatlichkeit gebunden sein oder auch nicht. Sie ist es oft, muss aber nicht. Auf jeden Fall würde diese hochgehalte-ne Rechtsstaatlichkeit im Prozess hin zu autoritären Regierungsformen verloren gehen, so dass Demokratie keinen vollständigen Schutz für die Grundrechte schafft. Bevorzugt geschieht dieser Abriss des Rechtsstaates auf vollständig demo-kratische Art und Weise – wie im Moment an vielen Orten der Welt.
Der Trend von Demokratien zum Autoritären ist, wie gezeigt, bereits aus sich selbst heraus unaufhaltsam. Versuchen in höchste Ämter Gewählte aktiv, dauerhaft ihre Machtposition zu erhalten, werden sie schnell zu Diktatoris. Das ist aus herrschafts-theoretischer Perspektive keine Überraschung. Wer die Instrumente der Macht in der Hand hält, handelt schlicht funktional, sie auch zu verwenden sowie zwecks zukünftiger Nutzung abzusichern oder zu erweitern. Herrschaft ist nie neutral, sondern selbst Antrieb seiner Anwendung.
Beispiele gibt es zuhauf, auch in der jüngeren Vergangenheit. Immer wieder be-richten Medien über den türkischen Ministerpräsidenten Erdoğan, einen demo-kratisch gewählten Politiker, der ganz offen durch Parteiverbote, Verhaftungen von Oppositionellen und unabhängigen Journalistis, Verfassungsänderungen und einseitiger Besetzung aller Ämter mit eigenen Leuten den Staat in eine Diktatur umbaut. Die Präsidenten von Argentinien, Venezuela und Nicaragua, Milei, Maduro und Ortega, verhalten sich ähnlich. In den USA ist dieser Versuch unter Präsident Trump ebenso unübersehbar und schon weit fortgeschritten.
Trotzdem feiern viele Organisationen, Strömungen und Einzelpersonen, die ein kritisches Verhältnis zum Staat haben, die direkte Demokratie. Sie sei eine Metho-de, die „befreit und befriedet“.
In manchen Bemerkungen wird offen zugegeben, dass es gar nicht um die Ermäch-tigung der Menschen geht – nicht einmal als Masse –, sondern um Akzeptanzbe-schaffung: Direkte Demokratie als Schmieröl der Aristokratie. „Sie ist ein wichtiges Instrument, um Identifikation von Bürgern mit dem Staat zu steigern.“
Die absurdeste Unterstützung der direkt-demokratischen Ideen kommt aus dem anarchistischen Spektrum. Definitionen legen eigentlich nahe, es gäbe dort „keine staatliche Gewalt“ , den „Zustand der Abwesenheit von Herrschaft“ oder einfach „ohne Herrschaft, ohne Obrigkeit, ohne Staat“. Da für die Abgrenzung von Ab-stimmungsgemeinschaften wie dem Volk eine staatliche oder zumindest ähnliche Struktur nötig wäre, ist Anarchie mit demokratischen Logiken unvereinbar.
Doch was passiert? Viele, im deutschsprachigen Raum sogar die meisten anarchisti-schen Strömungen vertreten die Ansicht, besonders gute Demokratis zu sein. „Anarchie als Direkt-Demokratie“ heißt zum Beispiel eines ihrer Bücher, und auf ihren Internetseiten stehen Sätze wie: „Demokratie, radikal verstanden, käme der Anarchie, Akratie, also Herrschaftslosigkeit gleich.“ Auch Wikipedia erklärt Anar-chie zu einer Form der (direkten) Demokratie.

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