Ende Gelände

SAASEN UND DIE PROJEKTWERKSTATT

Zwei Tötungsversuche, mehrere Brandattacken, endlos viel Sachbeschädigung: Die ersten zehn Jahre


1. Einleitung zur Attacke auf die Projektwerkstatt am 1.5.2001
2. Vorgeschichte: Acht Jahre Ausgrenzung und Angriffe
3. Zwei Tötungsversuche, mehrere Brandattacken, endlos viel Sachbeschädigung: Die ersten zehn Jahre
4. Was ist ein Pogrom?
5. Der "Mitte"-Mob* greift an: Bericht vom 1. Mai
6. Die Mitte setzt ihre Institutionen ein: Politische Äußerungen zum Geschehen
7. Walpurgisnacht-Vorfälle in Saasen haben Nachspiel
8. Das Trauerspiel geht weiter
9. Links zu 2001
10. Die Vorphase 2002 und das Verhalten verschiedener Teile der Gesellschaft
11. Berichte
12. Gegendarstellung (aus dem Dorf)
13. Die Monate danach
14. Scharmützel nach 2002
15. 2014 und 2015: Nazistress
16. Ende 2015: Eine Flüchtlingsunterkunft nach Saasen ...

Bevor es in Saasen losging: 3 Jahre Projektwerkstatt "Alter Bahnhof Trais-Horloff"
Die Projektwerkstatt wurde 1990 gegründet im "Alten Bahnhof Trais-Horloff", Gemeindegebiet Hungen. Zu dieser Zeit war bundesweit die Jugendumweltbewegung sehr stark, strebte nach Autonomie innerhalb der verkrusteten, staatsnahen und hierarchischen Umweltverbände. Es kam zu jahrelangem Streit und Machtkämpfen. Auf dem Höhepunkt schloß das Präsidium des Naturschutzbundes unter Führung des inzwischen im Bundesumweltministerium arbeitenden Jochen Flasbarth einen amtierenden Bundesjugendvorständler aus dem Verband aus. Mehrere Vorstände wurden aufgelöst, z.B. der Landesjugendvorstand Hessen durch die Führung des Nabu Hessen unter Fritz Jauker, Hartmut Mai und anderen. Mehrere Hundert Aktive beendeten daraufhin ihr Engagement in den Verbänden, blieben aber aktiv in den vielen bestehenden und neuen Projekten. Die unabhängige Jugendumweltbewegung entstand.

Als Organisierungsstruktur sollte kein neuer Verband gegründet werden, weil Vereins- und Verbandsstrukturen immer hierarchisch sind. Nach einigen Monaten Experimentierens bot sich in dem von einer Naturschutzbund-Ortsgruppe gekaufen ehemaligen Bahnhof Trais-Horloff die Möglichkeit, einen unabhängigen Treffpunkt zu schaffen. Dieser hieß einige Wochen "Naturschutz-Öffentlichkeitswerkstatt", dann "Naturschutz-Projektwerkstatt". Die Idee machte schnell die Runde, 1990 und 1991 gab es viele Seminare und Camps am "Alten Bahnhof Trais-Horloff" mit Menschen aus anderen Städten, die Ähnliches aufbauen wollten. Bis 1993 waren ca. 50 Projektwerkstätten entstanden. Von ihnen gingen viele Aktionen aus, die größte war das Festival "AufTakt" in Magdeburg 1993 mit 10.000 TeilnehmerInnen aus ganz Europa, von denen die Hälfte über riesige Fahrrad-Demonstrationen dorthin fuhr. Auch aus Freiburg über Frankfurt rollte ein Troß mit ca. 1000 RadlerInnen, an deren Organisierung die hessischen Projektwerkstätten in Darmstadt, Frankfurt, Friedberg, Kreis Gießen (gerade neu nach Saasen umgezogen) und Bad Hersfeld mitwirkten.

Kommunalpolitisch gab es um Naturschutzfragen, die Umgehungsstraße und einiges mehr Auseinandersetzungen in Hungen. Gegner war vor allem der CDU-Bürgermeister Wilfried Schmied.

Im Jahr 1992 erreichte die Säuberung der Naturschutzverbände von kritischen Personen auch die Ortsgruppe, der der "Alte Bahnhof Trais-Horloff" gehörte. Diese feuert die Projektwerkstatt und die dort Wohnenden. Ein neues Projekt wurde gesucht und in der Ludwigstr. 11 in Saasen gefunden. Der Umzug wurde vom Hessischen Rundfunk begleitet. Gegenüber diesem erwähnte der Reiskirchener Bürgermeister Döring, daß er vom Hungener Bürgermeister in ironisches "Viel Spaß" zugeschickt bekommen hätte.

Zur Geschichte der unabhängigen Jugendumweltbewegung und den vielen Projektwerkstätten und Aktionen Anfang der 90er Jahre befindet sich eine umfangreiche Materialsammlung im KABRACK!archiv in der Projektwerkstatt in Saasen.

Der Start im Dorf ... 1993
Mit den herrschenden Eliten im Dorf ging von Beginn an nichts. Noch bevor (!) die Projektwerkstatt überhaupt eingezogen war, hatten sich die Vereine und patriarchalen Dorfoberen verständigt, keinerlei Kontakt zuzulassen und die Projektwerkstatt zu isolieren. Neben Parteivertretern spielte der damalige Jäger und (absurd!) gleichzeitige Vogelschutzbeauftragte von Saasen (sonst immer mal wieder mit Nazi-Sprüchen aufwartend) eine prägende Rolle bei diesen Vorgängen. Dieses war den Projektwerkstättlern aber nicht bekannt. Ganz im Gegenteil - sie versuchten, sehr offensiv den Kontakt zu den dörflichen Vereinen, Kirche usw. herzustellen. Kurz nach dem Einzug wurde diesen der folgende Brief zugeschickt:

"Antrittsbesuch"

Sehr geehrte Damen und Herren!
Gut 2 Monate gibt es in Saasen jetzt die Baustelle in der Ludwigstraße 11. Dort entsteht die neue Projektwerkstatt im Kreis Gießen. Zwar gibt es schon erste Projekte, die zwischen Kartons, Kisten und Baumaterial ihre Arbeit beginnen oder fortführen, dennoch ist vieles ganz am Anfang.
Wir wünschen uns, mit möglichst vielen Menschen und ihren Gemeinschaften in und um Saasen zusammenzuarbeiten bzw. mindestens in einem freundschaftlichen Kontakt zu stehen. Das müssen auch Meinungsverschiedenheiten über Sachfragen bzw. Unterschiede im Arbeitsstil nicht verhindern. Wir wollen offen sein und mit allen den Kontakt suchen.
Darum schreiben wir Ihnen heute mit der Anfrage, ob wir in nächster Zukunft einmal zu Ihnen kommen können, um von Ihrer Arbeit zu hören, unsere Arbeit vorzustellen sowie Gemeinsamkeiten auszuloten. Gern können dann auch konkrete Ideen erörtert werden, z.B. die Jugendarbeit bzw. ein Jugendtreff in Saasen, die von uns entworfene Idee eines Ökohofes in Winnerod und einiges mehr.
Über einen Termin werden wir gern reden und warten auf Antwort. Ebenso gern zeigen wir allen Interessierten auch unser Haus und erläutern, was wo geschehen wird.


Mit freundlichen Grüßen ...

Auf dieses Schreiben gab es keine einzige Reaktion. In alle Briefkästen des Dorfes wurde ein Informationsschreiben eingeworfen und zu einigen Infonachmittagen mit Kino, Cafe usw. eingeladen. Einige DorfbewohnerInnen kamen auch - berichteten aber später, daß sie für diese Besuche kritisiert oder sogar angemacht wurden.

Durch den Kontakt mit einigen Jugendlichen erfuhren die ProjektwerkstättlerInnen, dass dort einige gerne ein eigenes Jugendzentrum haben wollen, aber die PolitikerInnen dieses verschleppten und die Saasener Vereine dagegen seien. Daraufhin boten die ProjektwerkstättlerInnen den Jugendlichen einen Raum in der Ludwigstr. 11 an. Gleichzeitig wurde an die Gemeinde ein Zuschußantrag zum Ausbau dieses Raumes gestellt. Damit entstand aber ein Konflikt: Die Gemeinde lehnte ab und die in dem Raum mit den Renovierungsarbeiten beginnenden Jugendlichen bekamen richtig Ärger - einige wurden von "wichtigeren" Jugendlichen sogar vermöbelt nach dem Besuch der Projektwerkstatt. So scheiterte dieser Versuch ...

Bereits wenige Wochen nach dem Einzug kam es zu ersten Übergriffen. Mehrfach wurden Teile der Projektwerkstatt zerstört und am 28.5.1993 das Aktionsmobil vom Hof runtergerollt, bis auf eine Wiese geschoben und dort ausgeraubt (wertvolle Teile der Musikanlage wurden geklaut, andere Geräte in einen Bach geworfen).

Nachdem einige Monate vergangen waren, fragten die ProjektwerkstättlerInnen bei den Vereinen nochmal nach:

Anfrage zu einem gemeinsamen Gespräch

Sehr geehrte Damen und Herren!
Vor deutlich mehr als einem halben Jahr haben wir Ihnen ein Schreiben übergeben mit der Bitte um ein gemeinsames Gespräch. Es war und ist unsere Überzeugung, daß Kooperation und Austausch im Sinne einer Mensch und Natur fördernden Arbeit nur gut sein können. Daher hatten wir bereits kurz nach unserem Einzug diese Briefe geschrieben ? nicht nur an Sie, sondern auch an andere Vereinigungen. Es war auch unser Ziel, falsche Informationen über unsere Arbeit von vorneherein zu vermeiden, indem wir offen das darstellen wollten, was unsere Ziele und Wege sind.
Bedauerlicherweise haben wir von Ihnen bis heute noch nicht einmal eine Antwort erhalten. Das ist schade, ist doch so die Möglichkeit von Austausch und Zusammenarbeit noch nicht einmal probiert.
Schade finden wir das auch, weil dieses Nicht?Miteinanderreden Grund ist für Entfremdung und Mißtrauen -und das spüren wir und andere in der kälter werdenden Gesellschaft immer deutlicher.


CDU-PressetextZudem sind ja in der Zwischenzeit einige Themenpunkte entstanden, die es allein schon wert wären, gemeinsam erörtert zu werden. Wir nennen beispielhaft die Streitereien um ein Jugendzentrum und von Jugendlichen in
Saasen -ja nicht erst nach dem jüngeren VandaIismus als brennendes Beispiel für die Verrohung und Langeweile mangels Betätigungsfeldern im Ort unübersehbar. Andere Beispiele wären Kulturarbeit (Theater, Musik usw.), gemeinsame Angebote an Fahrten, Seminaren sowie Anschaffung und Nutzung von Materialien.
Es wäre schön, wenn wir zu einem Gespräch kämen. Wir erwarten, daß wir in jedem Fall eine Antwort erhalten.


Mit herzlichen Grüßen

Doch auch hierzu gab es nie eine Antwort. Aus dem Kirchengemeindevorstand wissen wir, dass es zu einer Abstimmung kam und nur der damalige Pfarrer (der nicht im Dorf wohnte) dem Gesprächswunsch zustimmte.

Der erste krasse Übergriff ... 1994
Am 6.6.1994 betritt ein angetrunkener Einwohner des Ortes Saasen mit einer Sense bewaffnet das Grundstück der Projektwerkstatt. Er brüllt mehrfach den Namen einer dort aktiven Personen und dass er ihn umbringen wolle. Wie später zu erfahren war, wurde der Einwohner am Saasener Stammtisch zu der Aktion überredet. Mit der Sense wirft er nach den anwesenden Personen in der Projektwerkstatt (die gerufene Person war nicht anwesend) und zerstört Fenster, Zaun und einen Schuppen. Die BewohnerInnen verteidigen das Haus mit einem Feuerlöscher. Der Einwohner geht nach Hause und will mit einem Ölkanister und einer Eisenstange wiederkommen. Mittlerweile ist die Polizei eingetroffen. Fluchend geht die Person mit der Stange auf die Polizei los und wird von dieser in Kampfsporttechnik gestoppt. Die Delikte wären: Versuchter Totschlag, versuchte schwere Brandstiftung, versuchte gefährliche Körperverletzung und Widerstand gegen die Staatsgewalt mit versuchter gefährlicher Körperverletzung. Sicherlich ein Vorgang, der jeder beliebigen Person aus der Projektwerkstatt eine mehrjährige Haftstrafe eingebracht hätte. Gegen die Projektwerkstatt gerichtet wird das Verhalten jedoch gedeckt, obwohl selbst im ersten Polizeipressebericht (siehe Ausschnitt: "(P)" steht für Polizeipressebericht). Das Verfahren gegen die Person wird eingestellt (!!!), die örtliche CDU stellt sich verständnisvoll öffentlich hinter den Angriff.

Rechts: Pressetexte aus dem Reiskirchener Anzeiger mit einem Text der CDU Saasen

Unten: Veröffentlichung der Original-Polizeimeldung im Reiskirchener Anzeiger

Oben: Überschrift im Gießener Anzeiger

Polizei-Pressetext


Nach diesen Eskalationen schrieb die Projektwerkstatt erneut einen Brief, diesmal nicht nur an Vereine, Kirche usw., sondern auch an Parteien, Ortsbeirat und weitere FunktionsträgerInnen:

Offener Brief an
-Ortsbeirat Saasen
-Gemeindevorstand Reiskirchen
-Jugendpflege Reiskirchen
-Polizei Grünberg
-Evang. Kirche Saasen
-Regionale Presse
-BürgerInnen in Saasen

Eskalation oder Kooperation?



Liebe Saasener Bürgerinnen und Bürger,
liebe Bürgerinnen und FunktionsträgerInnen aus unserer Umgebung!


Die Auseinandersetzungen um die Projektwerkstatt in Saasen haben einen Punkt erreicht, wo Weg- oder Zuschauen nicht mehr aus der Verantwortung führen kann. Seit wenigen Wochen entsteht eine Eskalation von Gewalt und Anmache, die noch Schlimmeres befürchten läßt. Geht die Entwicklung weiter, werden Sachbeschädigungen zunehmen, Straftaten begangen oder gar Menschen zu schaden kommen.
Diese Entwicklung ist geschürt oder mindestens geduldet von einflußreichen Funktionsträgern in und um Saasen. Auch wir in der Projektwerkstatt haben sicher den einen oder anderen Fehler gemacht. Das jedoch kann kein Freibrief sein für jede Form von Aktion und Gewaltanwendung.

  • In der Zeit um Himmelfahrt nahmen Pöbeleien erheblich zu. Es ist kein Zeichen von Gastfreundschaft, wenn unsere Besucher schon am Bahnhof bei der Ankunft beschimpft werden. Fast täglich, teilweise sogar mehrfach, kamen Wagen der
  • Saasener Feuerwehr an der Projektwerkstatt vorbei. Am Steuer saßen Funktionsträger, außerdem Fenster lehnten Jugendliche und Kinder mit erhobenem Mittelfinger und Sprüchen wie "Öko-Schweine". Daß in einem Fall sogar ein Jugendlicher außen am schnell fahrenden Wagen hing, zeugt von einer unakzeptablen Grundeinstellung der Feuerwehrbetreuer, die zudem die Pöbeleien duldeten oder gar schürten. Mehrfach am Tag -das wäre ohne Billigung der Feuerwehr"chefs" schließlich nicht vorstellbar.
  • Am 30.4. wurde der Projektwerkstatt ein Haufen Mist vor die Tür gefahren. Für solche Späße sind wir durchaus zu haben. Daß es aber zwei 40?jährige waren, die vorher (erfolglos) versucht hatten, Jugendliche mit Geld zu bestechen, die Aktion durchzuführen, zeugt wiederum von dem Niveau, auf dem die ganze Auseinandersetzung läuft.
  • Über Pfingsten wurde in unserer Abwesenheit ein Holzschuppen auf unserem Grundstück völlig eingerissen.
  • Am Donnerstagabend darauf wurde von zwei Personen unsere Informationstafel vor dem Grundstück abgebrochen.

Wo endet dieses? Zwei Morddrohungen haben wir schon kassiert. Schon bevor wir nach Saasen zogen, wurde hier gegen die Projektwerkstatt polemisiert. Warum?

In vielen Fällen spielte Alkohol eine erhebliche Rolle. Das Tabu muß gebrochen werden. Alkohol und Stammtischmanieren regieren einen guten Teil von Saasen. Hierüber muß gesprochen werden. Es ist einfach wahr und alle wissen es, daß in Saasen (wie auch mehr oder minder schlimm in anderen Orten) Langeweile und Perspektivlosigkeit im Alkohol ertränkt wird. Jugendliche kommen sehr früh mit Alkohol in Kontakt. Der bislang am Ort entscheidenden Vereine wirken dem nicht entgegen, sie fördern den Alkoholkonsum durch leichtfertigen Umgang sowie durch Dorffeste, die keine Qualität mehr haben - die nur Saufen im Zelt sind!
Eine andere Rolle aber spielt der reine Machtkampf. In Saasen (und in vielen anderen Orten auch) herrschen wenige, meist Männer. Viele andere sind an den Rand gedrängt ? Kinder und Jugendliche ohne sinnvolle Aktivitätsmöglichkeiten, Frauen mit Kindern mit wenig Möglichkeiten (zum Glück nehmen sie zur Zeit ihre Dinge selbst mehr in die Hand, so daß einiges entsteht!), viele andere -wie auch wir ... ausgegrenzt! Wer nicht zur Feuerwehr, zum Stammtisch usw. gehört, ist am Rand.


Wir haben es immer offen gesagt: Diese ganze Machtstruktur ist nicht unser Weg! Wir wollen Vielfalt, wollen Offenheit, Kooperation, selbstbestimmte Arbeit, und wir wollen Zusammenarbeit mit möglichst allen. Schon wenige Tage nach unserem Einzug haben wir an Ortbeirat, einige Vereine und die Kirche einen Brief geschrieben und um ein Gespräch gebeten. Zur Gemeinde haben wir selbst schnell den Kontakt gefunden, zum Ortsbeirat und zum Vereinstreffen aller Saasener Gruppen sind wir gegangen. Aus Vereinen oder Kirche kam nichts zurück. Anfang 1994 fragten wir erneut nach ? die Kirche lehnte dann ab, überhaupt mit uns reden zu wollen. Die Feuerwehr hat sich bis heute nicht gemeldet. Funktionäre meiden den Kontakt, wechseln die Straßenseite, wenn sie uns begegnen ... Angst! Blanke Angst, die Macht zu verlieren?

Aber was bringt Macht, wenn sie diese Folgen hat? Wäre es nicht viel schöner:
  • Gemeinsame Fahrten und Lager mit Jugendlichen
  • Gemeinsame Arbeit in einem Jugendzentrum
  • Gemeinsame Aktionen
  • Jeder, terminlich abgestimmt, die eigenen Gruppentreffen und Aktivitäten
  • Gemeinsame Materialien und vieles mehr.

Dieser Streit ist nicht unsere Sache. Wir nehmen unsere Kritik an dem Arbeitsstil z.B. der Feuerwehr nicht zurück ? aber wir bekämpfen die Feuerwehr nicht. Sie hat ihren Stil, wir unseren. Wer aber ständig den Konflikt schürt, Jugendliche für Aggression zu bezahlen versucht usw., fördert eine Eskalation, deren Folgen jetzt noch niemand kennt.
Wenig erfreulich ist da auch die Rolle einiger Redakteure. Sie berichtet zum Teil über die Zerstörungen hier mit Anklagen gegen die, die Opfer sind. Auch so werden Täter ermutigt. Das ist wie der Bericht über eine Vergewaltigung, in dem nur lamentiert wird, ob die Vergewaltigte zum Verbrechen provoziert hat. Dieser Journalismus ist gefährlich!


Dieser Brief geht an die, die mithelfen können, die Eskalation zu vermeiden. Wir dürfen nicht abwarten, bis Schlimmeres passiert, um dann bedauernde Worte zu äußern und auszusagen, niemand hätte das vorhersehen können.
Was hier in Saasen geschieht, ist der klassische Fall des Versuchs, eine Machtstruktur ohne Argumente aufrechtzuerhalten. Streit wird geschürt, Gerüchte verbreitet usw. Gefördert von Alkohol und/oder Langeweile entsteht Gewalt. Auf dieser Schiene sind die braunen Schlägertrupps entstanden, die AusländerInnen prügeln, weil in ihrem Umfeld andere Menschen den Haß schüren. Das wollen wir nicht - auch in Saasen!


Bitte denken Sie darüber nach. Wir bitten um nichts anderes als eine Initiative zum Gespräch. Noch nie haben die Konfliktpartner in Saasen miteinander gesprochen, sie kennen sich teilweise gar nicht. Wir aus der Projektwerkstatt haben keine Mittel, die "geistigen Brandstifter" zum Gespräch zu zwingen. Wir wollen auch nicht Macht zerstören, um selbst Macht zu haben. Wir wollen eine offene Arbeit und Vielfalt. Saasen soll nicht nur Alkohol und Feuerwehr sein. Wir wollen die Feuerwehr nicht eh wegdrängen, aber sie muß sich (genauso wie einige andere Gruppen) öffnen der Kooperation und neuen Ideen.

Mit freundlichen Grüßen

... für alle Mitwirkenden der Projektwerkstatt

Es geschah nicht. Im Laufe der Jahre bis 2001 aber kommt es zu mehreren Körperverletzungen und Sachbeschädigungen gegen die Projektwerkstatt. Die ruft zwar nicht die Polizei, doch einige Male muss die Polizei kommen, weil z.B. auch Zäune u.ä. von Nachbarn in Mitleidenschaft gezogen werden. Verfahren gibt es nie, obwohl oft die TäterInnen bekannt sind.

Der traurig-dramatische Höhepunkt ... 1. Mai 2001
In der Nacht auf den 1. Mai 2001 kommt es zu einem bewaffneten Angriff von 48 Personen auf die Projektwerkstatt. Weitere EinwohnerInnen versorgen die AngreiferInnen mit Bier und Waffen (Eisenstangen, Knüppel usw.) - insgesamt eine pogromartige Stimmung. Es gibt drei Verletzte, die Polizei löst die Situation nach 3 Stunden im zweiten Anrücken durch Platzverweise auf. Etliche AngreiferInnen kommen dem erst nach einiger Zeit nach - Verhaftungen gibt es nicht. Die Aktionen sind strafrechtlich als schwerer Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung (Zuschlagen mit Knüppeln, Eisenstangen und Totschlägern, Werfen mit Steinen), versuchte gefährliche Körperverletzung, Bildung bewaffneter Gruppen und schwerer Hausfriedensbruch zu werten. Für alle war kein Antrag des Geschädigten nötig, alle Personen aus der Projektwerkstatt erklärte n öffentlich, statt Strafverfolgung lieber den direkten Kontakt zu suchen. Die Reaktionen aber sprachen für sich: Es wurde keinerlei Anklage erhoben trotz der klaren Beweislage, der bekannten TäterInnen und der Schwere der Strafen (ProjektwerkstättlerInnen wären für selbiges Verhalten sicherlich für einige Jahre inhaftiert worden). Nur wenige Tage nach dem Angriff durchsuchte die Polizei die Projektwerkstatt (mehr ...), wobei sie als Grund einen Vorgang benennen, der zu diesem Zeitpunkt fast 7 Monate zurückliegt. Seitens der Gemeinde Reiskirchen wurde ein Runder Tisch zur Aufarbeitung eingerichtet, aber die Projektwerkstatt davon ausgeschlossen (!). Kirche und Vereine aus Saasen verweigerten jeglichen Kontakt mit den Angegriffenen. Politiker aus dem Ort schütteten mit sozialrassistischen Sprüchen Öl ins Feuer und debattierten formale Schritte gegen die Projektwerkstatt. Im Dorf verteilten sie Internetausdrucke, die belegen sollten, dass die Projektwerkstatt eine terroristische Gruppe sei. Als Folge wurden Projektwerkstatts-Aktive mehrfach auf der Straße als BombenlegerInnen beschimpft. Der Giessener Anzeiger veröffentlichte am Folgetag eine vom damaligen Bürgermeister Döring komplett erfundene Story, dass Projektwerkstättler eine Gruppe Jugendlicher überfallen hätten, die das Hoftor der Projektwerkstatt zu klauen versuchten. Dass die Projektwerkstatt gar kein Hoftor hat, ist die lustige Seite der ansonsten skandalösen Vorgänge. AugenzeugInnen aus der Nachbarschaft, die gegenüber der Polizei und Presse den tatsächlichen Ablauf schilderten, wurden ebenfalls bedroht und ausgegrenzt.

Sonderseite zum Ablauf des 1. Mai 2001 ...

Danach ...
Nach dem 1. Mai versucht die Projektwerkstatt erneut, Gespräche mit Politik, Vereinen, Kirche usw. zu führen. Die lehnen weiterhin an und klären das Vorgehen unter sich.

Spätestens 2002 veränderte sich das Bild der Projektwerkstatt bei vielen im Dorf. Aus den "Öko-Schweinen" wurden jetzt "Bombenleger" (spannend ... wie reibungslos so eine Umdeutung gelingt). Die Dorfoberen verteilten Kopien mit Geschichten über die bösen AnarchistInnen usw. Zudem wurde die Polizei immer aktiver (mehr ...), schließlich setzte es umfangreiche Gerichtsprozesse (mehr ...), die Presse hetzte (mehr ...) und Anfang 2004 stieg auch die Baubehörde in die aktive Repression ein (mehr ...).

Ein Nachbar ließ sich als Polizeispitzel anwerben, kontrollierte BesucherInnen und leuchtete in Autos vor der Projektwerkstatt. In den 90er Jahren hatte schon ein anderer Nachbar als Spitzel für die Gemeinde Reiskirchen gearbeitet. Bei beiden zeigt sich auch, welche Wege PolitikerInnen und Behörden hier einzuschreiten bereit sind - denn beide sind für rechte Sprüche bekannt, einer für hohe Gewaltbereitschaft gegen Menschen. Doch gegen den gemeinsamen Feind sind alle Mittel recht!

Und wie viele im Kern des Dorfes ticken, zeigt auch eine zufällige Begebenheit im Mai 2007. Ausgangspunkt: Der SV Saasen (Herrenmannschaft) steigt auf. Es wird gefeiert, zweimal mit Autocorso. Bei der endgültigen Feier fährt ein Traktor ca. 20 Personen auf einem Hänger im Saasen-Trikot durchs Dorf. Lautstark brüllend geht es durch die Straßen - auch zweimal an der Projektwerkstatt vor. Beim ersten die typischen Pöbeleien, beim zweiten Mal wird eine Person, die gerade das Dach repariert, mit Sprechchören mehrerer Personen skandiert: "Absturz, Absturz". Was zu sehen ist: Niemand stoppt die Krakeeler. Nicht alle machen mit, aber der Rest guckt zu.
Es vergehen wenige Minuten, da berichtet auf der Straße eine Dorfbewohnerin einer anderen: "Also diese Fußballer. Die sind eben an mir vorbeigefahren und haben gebrüllt: Ausziehen, ausziehen!"
Kommentar überflüssig. Mindestens so erschreckend wie das Niveau der Brüller ist die Reaktionslosigkeit. Solange aber solche Handlungen akzeptiert oder gar als Heldentat gelten (was ist an sowas eigentlich irgendwie "stark"?), wird es weitergehen in Saasen. Und dass jedes Jahr wieder eine neue Generation jüngerer Nachwuchspöbler heranwächst, überrascht auch nicht ...

In der Nacht auf den 1. Mai 2010 suchte eine 17-/18jährigen-Gruppe mal wieder Stunk, zeigte faschistische Gesten (zwecks Provokation) - einer warf schließlich mit Steinen. Vorher hatten NachbarInnen der Gruppe klar gemacht, dass sie unerwünscht seien. Das war eine nette Unterstützung. Als die Gruppe um 4 Uhr nachts das zweite Mal kam, war aber leider niemand mehr wach in den umgebenden Häusern.
Ein Jahr später wurde das Haus gleich mit Steinen beworfen (siehe Foto der zusammengesammelten Steine rechts). Kurz danach kam es beim Festumzug zum 75-jährigen Bestehen des SV Saasen zu offen gezeigten Ausgrenzungen und faschistischer Symbolik. Niemand von den DorfbewohnerInnen am Rande der Straße oder im nachfolgenden Feuerwehrauto reagierte.

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