Schwarzstrafen

AKTIONEN GEGEN KONTROLLE, POLIZEI UND GERICHTE

Direct Action Days gegen Repression in Magdeburg


1. Direct Action Days gegen Repression in Magdeburg
2. Prozession für erweiterte Videoüberwachung

An mehreren Tagen fanden Workshops zu Themen direkter Aktion statt: Einführung in Direct Action, Subversive Kommunikation, Kreative Antirepression, Molly-Workshop (weiterer Bericht) und Tipps & Tricks. Im Vorfeld wurden diese offensiv beworben, was dazu führte, dass die Polizei ein erhebliches Interesse zeigte, mehr zu erfahren. Es gab da neben verschiedenen E-Mails, Einträgen in Termin- Internetseiten wie www.Termine-Online.NET und Presseinformationen eine "Werbepostkarte", die in ca. 60 Kneipen, kulturellen Einrichtungen und Diskotheken von einer kommerziellen Firma ausgelegt worden war. Diese Karte hat als Cover einen Stadtplanauszug des LKA (Landeskriminalamt), auf dem handschriftlich Tankstellen etc. markiert waren. Der Einsatzleiter des 25.10. fand das sehr ernst...

Broschüre Kreative Antirepression +++ Broschüre Subversive Kommunikation +++ Broschüre Antiknast +++ Liedersammlung

Am 23. Oktober kam es unverhofft zu einem Training in Kreativer Antirepression, als die Karstadt-Detektive zwei Leuten, die sich gerade im Kaufhaus aufhielten, Sachbeschädigung vorwarfen. Sie sollen Aufkleber mit antikapitalistischem Inhalt auf Produkte geklebt haben. Diese repressive Situation wurde sogleich für den Einsatz kreativer Antirepression genutzt. Die Karstadt-Wächter waren sichtlich überrascht, dass ihr autoritäres Auftreten diesmal kaum Eindruck machte. Mehrfach wurde die Polizei und eine Strafanzeige verlangt, was ursprünglich die Drohung der Detektive war. Erst nach längerer Freiheitsberaubung setzten sie diese dann in die Realität um.

Außenstehende berichteten von mit Blaulicht herbeieilenden Streifenwagen und aufgeregten Zivilbeamten, die nach einem Grund zur Festnahme suchten, aber keinen fanden. In Karstadt schienen manche Gerüchte herumzuirren. Eine Mitarbeiterin erzählte, nein, Ladendiebstahl wäre es wohl nicht, aber jemand hätte einen Molli werfen wollen...:-)

Zurück aus dem Kaufhaus war der Workshop "Kreative Antirepression" leider schon angelaufen. Aber die betreffenden hatten die Theorie bereits in der Praxis erproben können... Später gab es noch kleinere theatralische Aktionen mit der Polizei - die war nämlich der Meinung, den Veranstaltungsort alle paar Minuten anfahren zu müssen. Als sie ein weiteres Mal neugierig gaffend vorbeifuhren, stellten sich ein paar Leute mit dem Gesicht zur Wand, Beine breit und Häden an die Wand, wie bei einer Durchsuchung halt. Das verwirrte die Bullen wohl; sie fuhren schnell weiter. Überhaupt ist den FreundInnen und HelferInnen nichts unwohler, als in der Öffentlichkeit als UnterdrückerInnen und GewalttäterInnen demaskiert zu werden. In den nächsten Tagen verhielten sie die "BeamtInnen" dann auch sehr zurückhaltend - etliche Aktionen konnten ohne große Polizeipräsenz durchgezogen werden, wenngleich sie nicht angemeldet waren. Die Einheiten standen dann meist in irgendwelchen Seitenstraßen und warteten ab.

Am Samstag, den 25.10.03 gab es dann eine Jubeldemo (weiterer Bericht) des Bündnis "Mehr Sicherheit für Magdeburg", sozusagen als Gegenveranstaltung zur großen linksradikalen Anti-129a-Demo. Leider wurde sie in den Medien totgeschwiegen; die hatten von der Polizei wohl einen Wink erhalten, dass das alles nur Verarschung sei. Was zwar nicht stimmte, aber in diesem Filz von Polizei und Presse nützt es halt nichts, wenn die Herrschaften anderer Meinung sind.


Hintergrund: Magdeburger §129a-Verfahren
Im November 2002 wurden zwei Magdeburger Aktivisten mit dem Vorwurf der "Bildung einer terroristischen Vereinigung"; in Untersuchungshaft genommen. Im April 2003 folgte ein Dritter. Mitte Oktober sollte dann der Prozess gegen die drei beginnen (parallel dazu gibt es ein weiteres Verfahren gegen sechs andere Leute, denen der gleiche Vorwurf gemacht wird). Anlässlich des Prozessbeginns sollte es eine bundesweite Demonstration gegen den §129a in Magdeburg geben. Damit es nicht nur bei der üblichen Latsch-Veranstaltung hinter Polizei- Ketten bleibt, bei denen außer den DemonstrantInnen niemand was vermittelt bekommt, weil die Bullen alles fein abschotten, wurde zu den "Direct Action Days" aufgerufen.

Bericht von Beteiligten
Ein ganz gutes Beispiel für vielfältige Aktionen zum Umgang mit staatlicher Repression sind die Direct Action Days, die 2003 in Magdeburg stattfanden. Hintergrund war ein § 129a-Verfahren gegen mehrere Personen aus Magdeburg und eine deswegen angekündigte Großdemonstration. Einigen Leuten war eine "normale" Antifa-Demo zu langweilig und wollten deswegen weitere Aktivitäten entwickeln - nicht alternativ, sondern als Ergänzung der Demo.
Was dabei herauskam, war eine bunte Mischung aus legalen und weniger legalen Aktionen. Diverse Demonstrationen wurden parallel zur "offiziellen" § 129a-Demo angemeldet bzw. angekündigt. Es gab eine scheinbare Scheinbesetzung mit großem Polizeiaufgebot, eine Jubeldemo für mehr Innere Sicherheit und Polizeigewalt mit Kameragottesdienst, mehrere öffentliche Molly-Workshops, offensive Öffentlichkeitsarbeit und vieles mehr.
Das Ergebnis war Irritation, verbunden mit ungeahnten und auch nicht voll genutzten neuen Spielräumen, da die Polizei mit dieser Aktionsform offensichtlich nur schlecht umgehen konnte. Einen Molly-Workshop mitten in der Innenstadt nahmen sich ein halbes Dutzend Einsatzkräfte zum Ziel, zogen nach kurzer Zeit und ständigem Einforderung von hartem Durchgreifen durch das "Bündnis Mehr Sicherheit für Magdeburg" (BMS) mit der Bemerkung "Wir lassen uns hier doch nicht verarschen!" unverrichteter Dinge wieder ab. Nicht einmal Personalien wurden kontrolliert. Das BMS trat auffällig häufig dort auf, wo Kritik an Polizei und Staat geübt wurde und forderte mit schrägen überzogenen Parolen scharfe Bestrafung dieser "Kriminellen". Dass diese beiden Gruppen zusammengehören, fiel nur wenigen auf.
Den Auftakt der Direct Action Days bildeten mehrere Workshops mit einer Einführung in Direct Action und zu den Themen Subversive Kommunikation und Kreative Antirepression. Diese Veranstaltungen und ein Molly-Workshop vor dem Landeskriminalamt (LKA) waren im Vorfeld massiv beworben worden - u.a. mit einer Postkarte, die über eine Agentur in etwa 80 öffentlichen Einrichtungen in Magdeburg ausgelegt wurde. Hintergrund für das § 129a-Verfahren war u.a. übrigens ein versuchter Brandanschlag auf das LKA.
Schon Wochen im Vorfeld war die Polizei auf die Direct Action Days aufmerksam geworden und hatte auch etwas von der geplanten Fake-Demo mitbekommen. Seitens der Repressionsorgane wurde insbesondere wegen des Molly-Workshops, dessen Ausführung bewusst im Unklaren gelassen worden war, versucht, Druck auf die AnmelderInnen der § 129a-Demo auszuüben.
Schließlich wurde der Polizei der Gefallen getan und eine "Fake-Demo gegen ... " bei der Versammlungsbehörde angemeldet. Die eigentlich zu diesem Zeitpunkt schon geplante Demonstration sollte erst später von dem inszenierten BMS unter dem Motto "Für ein sicheres und sauberes Magdeburg" angemeldet werden. Einzelne Veranstaltungen wie der Workshop "Kreative Antirepression" wurden so offensiv beworben, dass auch der Polizei klar wurde, dass sie mit repressiven Maßnahmen nur das Gegenteil erreichen würde.
Irgendwie folgten dann unzählige weitere Demonstrationsankündigungen in einschlägigen Medien: 9 Uhr Demo gegen lange Demorouten (x-fach durch Magdeburg in Form eines Anarchie-Zeichens), 11.11 Uhr Demo gegen die bewusste Irreführung der Polizei, 12 Uhr Demo gegen jegliche Polizeipräsenz, 16 Uhr Demo gegen Polizeigewalt, 16.30 Uhr Demo gegen die Auflösung der § 129a-Demo, 19 Uhr Kundgebung gegen Verhaftungen. Außerdem kündigte der ADACMD eine "Demo gegen zuviele Demos am 25.10." an.
Im Verlauf der Aktionstage gab es diverse Polizeikontakte, die ausgiebig zum Probieren von offensiven Kommunikationsstrategien genutzt wurden. Die Mischung aus theoretischen Workshops und direkter Anwendung führten zu einem selbstbewussteren Auftreten gegenüber den OrdnungshüterInnen und zu einer gewissen Hilflosigkeit bei vielen PolizeibeamtInnen.

Ermittlungsverfahren gegen AktivistInnen
Einige Wochen nach den Direct Action Days hat sich der Repressionsapparat entschieden, eine öffentliche Plattform für die Kritik an den ganz alltäglichen staatlichen Einschüchterungsinstitutionen zur Verfügung zu stellen: Es wurdenen mehrere alberne Vorwürfe benannt, nach denen einige ausgewählte AktivistInnen nun verfolgt werden sollen. Einer davon ist das Bekleben von Flaschen bei Karstadt und der andere ist eine "grob ungehörige Handlung, die geeignet ist die Öffentliche Ordnung zu gefährden". Was die ganz konkret wollen und wie sie das juristisch untermauern wollen, wird spannend.

Nett ist aber schonmal, dass der Herr Polizei-Einsatzleiter von den 129a-Aktivitäten des 25. Oktober nochmal eine nette Unterhaltung mit uns möchte. Denn da wird er nicht drumherum kommen, als Zeuge in dem zu erwartenden Prozess geladen zu werden - er ist schließlich in der Gerichtslogik der glaubwürdigste Mensch für die Wahrheitsfindung... *gg*

Bei der Gelegenheit werden dann noch ein paar andere Persönlichkeiten vor Gericht zu Rate gezogen werden müssen, um Hintergründe und Ablauf der vorgeworfenen Taten zu ermitteln. Da sollen sich Kriminalpolizei und SchreibtischtäterInnen schon mal freuen. Begleitet wird diese lächerliche Polizeimaßnahme dann von kreativen Aktionen, die auch den Blick der Öffentlichkeit für dieses Treiben sensibilisieren sollen. Am Ende werden sollen sich so manche Law & Order - Junkies wünschen, nie auf die dumme Idee gekommen zu sein, mit solchen Aktionen etwas erreichen zu können. Aber das wird natürlich ein weiter steiniger Weg mit aufwendigen Ermittlungen und ohne viel Ergebnis:p

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