Schwarzstrafen

GEWALTFREIHEIT: STRATEGIE, UTOPIE ODER DOGMA?

Kritik an dogmatischer Gewaltfreiheit


1. Die Argumente pro Gewaltfreiheit - und was davon zu halten ist
2. Offene Fragen und blinde Flecken der dogmatischen Gewaltfreiheit
3. Gut und Böse: Identitätsstiftende Kraft der Gewaltfreiheit
4. Der Machtanspruch gewaltfreier Dogmatik
5. G8-Gipfel 2007 Heiligendamm: Dogma und Kontrolle
6. Staat und Gewalt
7. Kritik an dogmatischer Gewaltfreiheit
8. Links

An der dogmatischen Gewaltfreiheit gibt es viel Kritik, die folgenden Texte sind nur eine kleine Auswahl.

Im Original: Gerade von der eigenen Harmlosigkeit
Aus einem Interview mit Peter Gelderloos, in: UntergrundBlättle am 19.3.2024
Ich habe festgestellt, dass Gewaltlosigkeit – ausschliessliche Gewaltlosigkeit – stark mit historischer Amnesie verbunden ist. Sie steht in engem Zusammenhang mit Bewegungen, die ihre Vergangenheit vergessen haben. ...
Es ist sehr, sehr hilfreich, wenn die Leute denken, dass die Gewaltlosigkeit der Antikriegsbewegung der entscheidende Faktor für die Beendigung des Krieges gegen Vietnam war. Das ist natürlich historisch gesehen eine absolute Manipulation: Das ist überhaupt nicht der Fall. Aber die Befürworter*innen der Gewaltlosigkeit haben ihre eigenen Lügen geglaubt, und der Staat und die kapitalistischen Medien haben ihnen dabei geholfen, so dass es 2003, als die USA, Grossbritannien und andere Länder sich anschickten, erneut in den Irak einzumarschieren, all diese Menschen gab, die glaubten, dass eine friedliche Protestbewegung die Invasion tatsächlich verhindern könnte. Nach den grössten Protesten in der Geschichte der Menschheit im März 2003 – die in den meisten Ländern ausschliesslich oder fast ausschliesslich gewaltfrei waren – sagten alle gewaltfreien Aktivist*innen voraus, dass es für diese Staaten unmöglich sein würde, in den Irak einzumarschieren, weil sie diese Bewegung hatten, die sogar grösser war als die Friedensbewegung im Vietnamkrieg. Und das war natürlich ein Irrglaube; das hat hat sich am Ende nicht bewahrheitet. Das ist also ein sehr direktes Beispiel dafür, wie der Staat – indem er dazu beitrug, eine gewaltfreie Version der Geschichte zu verbreiten – in der Lage war, sich vor echtem, kraftvollen und gefährlichen Widerstand zu schützen.

Werner Pirker, Der gewalttätige Pazifismus, in Junge Welt am 30.11.2001
Der gewalttätige Pazifismus
... Das Dogma der absoluten Gewaltfreiheit kann deshalb auch nie zur politischen Praxis werden. Gandhis "gewaltfrei" errungener Sieg war kein Sieg des Pazifismus, sondern einer richtigen Taktik, angewandt zum richtigen Zeitpunkt und am richtigen Ort. ...
In der taz hat im Verlaufe des Krieges, zumindest was den neuen Pazifismusdiskurs betrifft, eine Globalisierungslinke die Meinungsführerschaft übernommen, die wie Sibylle Tönnies, in der vollen Durchsetzung des imperialistischen Monopols die glückliche Vollendung der Menschheitsgeschichte erblickt. ... erhofft sich die gute Frau Gerechtigkeit allein über die Herstellung eines Weltgewaltmonopols, einer Weltpolizei. Die Weltpolizei als Freund und Helfer aller Weltbürger, im Gemeinbesitz aller friedlichen Nationen, dazu da, den sozialisierten Teil der Welt zu schützen nd den anderen in Erziehungsheimen und Arbeitslagern unterzubringen. ... Der Polizeistaat als internationale Einrichtung - eine linksliberale Verheißung. Damit konnte wirklich keiner rechnen, dass liberale Linke in der Tradition des 68er-Antiautoritarismus einmal alle Befreiungshoffnungen auf die Polizei setzen würden. Frau Tönnies stellt die polizeistaatliche Umgestaltung der Welt auch noch so dar, als wäre dies der letzte Schritt, den die Menschheit zu ihrer völligen Emanzipation noch zu gehen habe. "Die Menschheit ist reif, ein globales Gewaltmonopol aufzubauen." ...
Die Errichtung eines westlichen Gewaltmonopols über die Welt, was sonst ist das Weltgewaltmonopol, bedeutet die Verhängung des permanenten Kriegszustandes. Eine schöne Weltzivilgesellschaft, die uns von einer postmarxistischen Linken da verheißen wird.

Aus Anonym: "Einige Notizen zu aufständischem Anarchismus"
Es mag unter Umständen individuelle Gründe geben, die Erreichung der eigenen Ziele mit gewalttätigen Mitteln anzuzweifeln. Aber wenn Gewaltlosigkeit auf die Ebene eines gewaltlosen Prinzips gehoben wird und wenn die Realität gespalten wird in "gut" und "böse", dann verlieren die Argumente an Wert und alles schlittert in Bahnen der Unterwürfigkeit und des Gehorsams. Die Offiziellen der Anti-Globalisierungs-Bewegung haben durch ihre Distanzierung und den Denunzierungen von anderen einen Punkt speziell klar gemacht: dass sie ihre Prinzipien - zu denen sie sich verpflichtet fühlen - als einen Anspruch zur Macht über die Bewegung als Ganzen sehen.

Doch so viel anders ist die Gegenseite gar nicht. Auch hier regiert ein Fetisch, nur lautet er diesmal Militanz - ersetzt aber oft ebenso Inhalt und Vielfalt.


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