Schwarzstrafen

SEILSCHAFTEN AUF GRÜNER SEITE: FILZ DER NGOS, GRÜNEN PARTEIEN UND BIOLANDBAUVERBÄNDE

Die Rolle der Medien


1. Einleitung
2. Schwächen der Gentechnikkritik von NGOs und Bewegungsagenturen
3. Umwelt- und Biolandverbände fordern mehr Genversuchsfelder und -gelder!!!
4. In einem Boot? Die überraschende Nähe zwischen Ökos und Gentechnikfirmen
5. Warum passiert das? Von kulturellen Hintergründen verbandlicher Arbeit
6. Sonderfall Kirche: Für und gegen Gentechnik
7. Spalten, abgrenzen, distanzieren: Umwelt-NGOs und direkte Aktionen
8. Bio-Firmen als Nutznießer
9. Die Rolle der Medien
10. Gentechnikkritik von rechts oder aus dem Off
11. Links und Materialien

Kommen wir zum letzten Abschnitt dieses Kapitels und damit zu einer weiteren Akteursgruppe in der Auseinandersetzung, den Medien. Bei 80 Prozent Ablehnung in der Bevölkerung mag mensch davon ausgehen, dass die größte Zahl der Medien kritisch berichtet. Das ist aber nicht der Fall, auch wenn es einen bedeutenden Anteil gibt, der Kritik übt. Aber Medien und vor allem deren führende Kreise haben das gleiche Problem wie die Eliten der Umweltverbände: Sie gehören zu den Funktionseliten dieser Gesellschaft. Dort leben sie im kulturellen Code dieser Führungsschicht. Was bedeutet: Unabhängige AktivistInnen ausblenden. TitelträgerInnen Platz geben. Seriös und normal rüberkommen. GentechniklandwirtInnen kritisieren und die ForscherInnen in den Himmel loben. Denn Letztere gehören der eigenen kulturellen Gruppe an. Diese Identität ist wichtiger als der Inhalt.

Medien als Propagandisten der Agro-Gentechnik
Top-Journalistin der Seilschaften ist die FAZ-Wissenschaftsredakteurin Caroline Möhring. Sie hat ihre Finger, ganz Seilschafterin, in mehreren Kreisen - darunter einen Sitz im Beirat des staatlichen Julius-Kühn-Instituts. Zudem redigierte sie die DFG-Broschüre zur grünen Gentechnik und die Selbstdarstellungsbroschüre des PTJ Jülich, der die staatlichen Fördergelder zur Gentechnik verteilt.

Im Original: Medienleute in Lobbyverbänden

Oben: Ex-ZDF-Intendant und Ex-Saarbrücker-Zeitungschef in einem InnoPlanta-Gremium
Unten: Auch der MDR steht parteiisch für Dienste auf dem Lobbyistentreffen zur Verfügung - ein Redakteur moderiert eine völlig einseitige Veranstaltung. Wenig überraschend war da die nachträgliche, einseitige Berichterstattung auf den MDR-Sendern, in der ausgerechnet die völlig einseitige Propagandaschau als "differenziert" tituliert wurde.

Wieso kommt es zu solch einseitigen Verflechtungen?
Wie bei den NGOs steuert die eigene Einbindung gerade leitender RedakteurInnen oder VerlagsleiterInnen in die Geflechte herrschender Eliten deren Wahrnehmung von Interessen. Das komplizierteste, in seiner Tragweite aber deutlichste Fallbeispiel ist "Wikipedia". Dieses zunächst als offene Enzyklopädie gestartete Internetlexikon bekam in etlichen Untersuchungen bescheinigt, hinsichtlich Fehlern sogar traditionellen Anbietern in Buchform wie dem altehrwürdigen Brockhaus oder weiter verbreiteten Volkslexika überlegen zu sein. Dennoch wurde auf die MacherInnen eingeprügelt und jeder Einzelfall gerade von etablierten Medien genutzt, um mehr Kontrolle einzufordern. Das ist inzwischen geschehen - und mit der Kontrolle nehmen auch die Fehler zu. Denn die KontrolleurInnen sind nicht irgendwelche Personen, sondern welche mit mehr Handlungsmacht. Zumindest steigen sie kraft dieser Macht in den Kreis der diskurssteuernden Eliten einer Gesellschaft auf - und übernehmen die Codes. Der Drang zur Normalität steigt und macht aus einem pluralen Projekt eine Kampfplattform des Normalen. Doch normal ist nicht einmal im Sinne von durchschnittlich zu verstehen - was bereits wenig Qualität andeuten würde. Es ist das, was 'mainstream', also das diskursiv Prägende ausmacht. Praktisch zeigt sich diese Einseitigkeit auf der Seite über Grüne Gentechnik: "Derzeit sind insbesondere Pflanzen auf dem Markt, die beim Anbau weniger Pflanzenschutzmittel benötigen." Als Quelle dient ohne weitere Erklärung die ISAAA, eine internationale Lobbyorganisationen pro Gentechnik. Bei den Erträgen wird "eine Mehrproduktion von 6,7% bis 13,4% gegenüber herkömmlichen Maissorten" angegeben. Quelle ist Monsanto. Für Umweltschäden gäbe es "keine wissenschaftlichen Beweise". GentechnikgegnerInnen seien vor allem die dummen Bevölkerungsteile: "Die Zustimmung für gentechnisch veränderte Lebensmittel ist am höchsten bei Menschen mit postgradualen Abschlüssen. " Zu der bedrohlichsten Anwendung der grünen Gentechnik, der Terminatortechnologie, ist lapidar zu lesen, diese Methoden "sind ein biologischer Mechanismus zum Schutz von geistigen Eigentumsrechten und bieten damit einen Anreiz für private Forschung und Entwicklung, was die Wohlfahrt steigert."
Wie schnell und einseitig bei Wikipedia manipuliert wird, lässt sich beliebig ausprobieren. Besuchen Sie einen solchen Artikel, bei dem politische Interessenslagen bestehen. Korrigieren Sie irgendeine der hanebüchenen Behauptungen und vergessen nicht, einen Screenshot von Ihrer Arbeit zu machen. Warten Sie eine Weile und schauen dann nochmals nach: Ihre Korrektur ist zensiert. Die Falschbehauptung steht wieder da.

Im Original: Zensur auf Wikipedia - nachgestellt
Wikipedia zu "Feldbefreiung" Anfang August: Das Schauermärchen vom zusammengeschlagenen Wachmann auf dem Versuchsfeld in Sagerheide hat Eingang in die Enzyklopädie gefunden (Bericht hier, siehe unter 2009)


Dieser Unsinn wird korrigiert - durchaus vorsichtig. Es wird nicht das Gegenteil behauptet, sondern nur darauf hingewiesen, dass es abweichende Meinungen gibt. Am 8. August 2010 ab 23.11. Uhr sieht die Seite so aus:


Der neue Inhalt schafft es aber nur bis kurz nach Sonnenaufgang. Kaum sind die Zensoren erwacht, ist es Schluss mit dem Hinweis. Ab 9. August 2010, 9.51 Uhr steht da wieder:


Ein Blick auf die Versionsgeschichte zeigt den Grund: Die angegebene Quelle sympathisiere mit den Gewalttätern. Dabei wird auf der Seite ja gerade die Frage aufgeworfen, ob es die sog. Gewalttat überhaupt gab. Aber Wikipedia interessiert sich nicht für den Inhalt. Wegzensiert wird, was von der falschen Seite kommt. Richtig ist, was den Herrschenden dient.

Als Zensor trat im benannten Fallbeispiel ein "Fafner" auf. Er zensierte und manipulierte auch kräftig auf anderen Seiten zur Grünen Gentechnik mit. Ein Klick auf seine Personenseite zeigte wenig - nur ein Zitat von Hans von Storch. Aber das hatte es in sich: "Es gibt Wissenschafter, die sagen, wenn die Temperaturerhöhung 2 Grad überschreitet, passieren furchtbare Dinge. Ich halte das für Gerede. Um politischen Druck auszuüben, ist eine ganze Menge Spekulation zu endgültiger Wahrheit aufgemotzt worden." Solche Leute bestimmen, was "Grüne Gentechnik" ist. Die Zeit, wo Wikipedia die - oft uneinheitliche - Fülle der unterschiedlichen InternetnutzerInnen, ihres Wissens und ihrer Meinungen widerspiegelte, sind unwiderbringlich vorbei ... ++ Extra-Seite zu Wikipedia ++ Text "Umkämpfes Wikipedia" im GID Februar 2012 (S. 13-14)

Im Original: Wikipedia und seine Quellen
Wikipedia zu Grüne Gentechnik - der Text enthält neben Ideologie auch etliche sachliche Fehler:
Derzeit sind insbesondere Pflanzen auf dem Markt, die beim Anbau weniger Pflanzenschutzmittel benötigen. ...
Die Ziele der Grünen Gentechnik unterscheiden sich prinzipiell nicht von denjenigen Jahrtausende alter traditioneller Pflanzenzucht. Es geht um eine Verbesserung der Eigenschaften von Pflanzen ...
Die konventionelle Züchtung beruht dabei auf dem Prinzip von Kreuzung und anschließender Selektion. Bei Kreuzungen wird jeweils das gesamte Erbgut der Elternorganismen gemischt. Das Erbgut in den Tochterorganismen lässt sich dabei nicht exakt vorhersagen. Deshalb müssen in den weiteren Generationen die Organismen mit den gewünschten Eigenschaften selektiert werden. Im Gegensatz dazu werden mit der Grünen Gentechnik gezielt aus anderen Arten oder Organismen Gene hinzugefügt, die für eine bestimmte Eigenschaft verantwortlich sind. Es wird darauf hingewiesen, dass diese Methode gezielter sei und sich Eigenschaften züchten lassen, die sich auf konventionellem Weg nicht erreichen lassen ...
Die bisherigen Feldversuche zur Trockenresistenz lieferten bei der Firma Monsanto für Mais eine Mehrproduktion von 6,7% bis 13,4% gegenüber herkömmlichen Maissorten. ...
Um einen bewussten Einsatz der Gentechnik von einer zufälligen, technisch nicht mehr beeinflussbaren Beimischung rechtlich abzugrenzen, werden Schwellenwerte eingeführt. In der EU beträgt dieser Wert für Futter- und Lebensmittel 0,9 %, auch für Bio-Lebensmittel. ...
Dass Schadinsekten bzw. Unkräuter auch bei Einsatz der grünen Gentechnik Resistenzen gegen Bt-Toxine bzw. Glyphosat entwickeln können, ist wissenschaftlich unbestritten, bisher aber in geringerem Ausmaß aufgetreten als beim konventionellen Pflanzenschutz. ...
Transgene Pflanzen können den Umweltschutz verbessern, was bereits in Anbauländern nachgewiesen wurde. ... Ein 2007 veröffentlichtes Review von wissenschaftlicher Literatur und Studien internationaler Organisationen aus 10 Jahren kam zu dem Schluss, dass keine wissenschaftlichen Beweise für Umweltschäden durch die bisher kommerzialisierten transgenen Pflanzen existierten. Vor der Zulassung einer neuen transgenen Sorte zum Anbau sind umfangreiche Sicherheitsstudien erforderlich, die in der Regel mehrere Jahre dauern. Eine neue Sorte darf nur dann zugelassen werden, wenn eine Unbedenklichkeit für die Umwelt bestätigt wurde.
Die Zustimmung für gentechnisch veränderte Lebensmittel ist am höchsten bei Menschen mit postgradualen Abschlüssen. ... Die Ablehnung der Grünen Gentechnik in reicheren Ländern sei deswegen stärker, weil sich aus der ersten Generation gentechnisch veränderter Pflanzen hauptsächlich Nutzen für Landwirte in Entwicklungsländern, aber kaum Vorteile für reiche Konsumenten ergeben würden. ... Seitens der Wissenschaft wird die Vorgehensweise der Kritiker selbst kritisiert. So kommt die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften zu dem Schluss, Kampagnen gegen die Grüne Gentechnik mangele es an wissenschaftlicher Grundlage. 2009 gab es eine "Gemeinsame Erklärung der Wissenschaftsorganisationen zur Grünen Gentechnik" und eine "Stellungnahme der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina", in denen von der Politik gefordert wurde, für eine Versachlichung der Diskussion einzutreten und verlässliche Rahmenbedingungen für die Forschung zu schaffen.


Wikipedia zur Terminatortechnologie
Nachdem das USDA und der Saatguthersteller Delta and Pine Land (heute Monsanto) im März 1998 in den USA ein Patent auf eine gemeinsam entwickelte V-GURT zur Saatgutsterilität mit dem Namen Technology Protection System erhielten, wurde diese von der kanadischen NGO Rural Advancement Foundation International (RAFI, heute ETC Group) als "Terminator-Technologie" bezeichnet. Unter diesem Namen wurde die Technologie zur Saatgutsterilität in der Öffentlichkeit bekannt. NGOs äußerten seither verstärkt Bedenken gegen die mögliche Verwendung von V-GURTs, da diese ihrer Meinung nach Ernährungssicherheit, Biodiversität und Technologiezugang gefährden würden. ...
GURTs sind ein biologischer Mechanismus zum Schutz von geistigen Eigentumsrechten und bieten damit einen Anreiz für private Forschung und Entwicklung, was die Wohlfahrt steigert. ... Unter der Annahme, dass der Schutz durch GURTs (im Gegensatz zu Patenten) zeitlich unbegrenzt ist, liegt das Ausmaß des Schutzes von GURTs für das simulierte Szenario des flächendeckenden Einsatzes im US-amerikanischen Maissektor über dem sozialen Optimum.


Umweltinstitut München zur ISAAA (Kritiklos übernommene Quelle auf Wikipedia):
Die Organisation wurde von den größten Gentechnik-Konzernen der Welt gegründet und wird bis zum heutigen Tag von diesen finanziert. Unter den Geldgebern finden sich neben Lobbyverbänden auch alle prominenten Firmen aus diesem Sektor, unter anderem Bayer Crop Science, Monsanto, Syngenta, Pioneer und Dupont. Zahlreiche ehemalige Führungskräfte dieser Konzerne sind in den Führungsetagen von ISAAA tätig, deren Direktor Clive James eine der zentralen Figuren des internationalen Gentechnik-Lobbyismus ist. Als Reisender in Sachen Gentechnik propagiert er auch die Zulassung der international geächteten „Terminator-Pflanzen“, deren Erntegut durch ein „Selbstmord-Gen“ nicht mehr keimfähig ist und deshalb von Landwirten nicht nachgebaut werden kann.
Das alleinige Anliegen von ISAAA ist laut Selbstauskunft im Internet die globale Verbreitung gentechnisch veränderter Pflanzen, vor allem in den so genannten Entwicklungsländern. Die Zentrale der Organisation befindet sich in den USA an der Cornell Universität, New York. ISAAA unterhält Dependancen in Kenia, Großbritannien, Japan und auf den Philippinen. ... Dass etliche der Angaben der Lobbyorganisation über den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen einer Überprüfung nicht standhalten, zeigen alternative Quellen, die für einige Länder zur Verfügung stehen.

Zudem spielen für Medien in der Debatte um Umweltschutz und Gesundheitsfragen direkt (als AbonnentInnen), vor allem aber indirekt (als BetrachterInnen von Anzeigen und daher als Motiv für die Schaltung von Anzeigen) die zum reichen BürgerInnentum aufgestiegen Ex-Ökos eine herausragende Rolle. Diese, in ihrer weitesten Entwicklung heute als 'Lohas' eingruppierten Personenkreise, zeichnen sich durch eine weitgehende Entpolitisierung aus bei starkem Interesse an Gesundheits- und Wellnessthemen, oft auch mit spirituellen Praxen verbunden. Ein Infragestellen von Herrschaft findet nicht mehr statt. Dass Markt und Staat den Umbau von Energiewirtschaft oder anderen ehemals umkämpften Themen organisieren, trifft auf Akzeptanz - Ansätze einer Politik von unten, wie sie im Netzkauf von Schönau oder der Direktvermarktung landwirtschaftlicher Produkte wenigstens durchschienen, sind in einem hochmobilen und überdurchschnittlich reichen BürgerInnentum Schnee von gestern.
In solchen Milieus stoßen direkte Aktionen, noch dazu mit der Attitüde der Kritik am Machtgehalt bestimmter Techniken auf wenig Gegenliebe. Angesagt sind vielmehr Symbole - als Handlung undSuggestion gesunder Lebensweise allein aus dem Konsumverhalten.Produkte sollen weiter einem schnelllebigen Alltag gemäß aufbereitet, verpackt und angeboten werden. Doch der freundliche Hinweis auf die ökologisch korrekte Herstellung und die Gentechnikfreiheit sollen hinzukommen. Dem folgen die Medien, die solche Bevölkerungsteile als Zielgruppe haben - von Ökotest über die derart ausgerichteten TageszeitungenFR, SZ oder taz bis zu Verbandsorganen von Umwelt- und Verbraucherverbänden bzw. Grünen. Niels Spielker hat in einer Studie den Wandel des BUND-Verbandsmagazins über die Jahre nachgewiesen: Weg von grundlegenden Artikeln und Kommentaren hin zu kurzen Verbrauchertipps und einem hohen Anteil von Werbung, die das zahlungskräftig gewordene Publikum für gehobene bis Luxusprodukte begeistern soll.

Aus Niels Spilker (2010): "Von der konservativen Utopie zum neoliberalen Mainstream" (S. 27 f.)
Die Zeitschrift hat sich im untersuchten Zeitraum in ihrem Erscheinungsbild stark verändert, zum einen was das Layout und die abgedruckten Bilder betrifft - eine vergleichende Bildanalyse zum Beispiel der Titelseiten über einen größeren Zeitraum wäre sicher aufschlussreich und interessant - , zum anderen, was den Umfang der Zeitschrift betrifft. Dieser hat sich von 1976 bis 1997 fast verdoppelt. Die Jahrgänge bis 1987 beinhalteten in erster Linie Kommentare, Berichte und Stellungnahmen. In den Jahrgängen 1996 und 1997 finden sich daneben auf der einen Seite Service-Teile mit Verbraucher-Tipps, die sich über mehrere Seiten erstrecken, auf der anderen ein mehrseitiges Magazin mit sehr kurzen Artikeln oder Ankündigungen für Ausstellungen und Veranstaltungen; außerdem eine Reihe ganzseitiger Werbeanzeigen (in den Jahrgängen bis 1987 gab es keine Werbung, abgesehen von der Werbung für den "BUND-Versand"). Dieser größere Umfang der Zeitschrift spiegelt sich zum Teil auch in der Anzahl der im jeweiligen Zeitraum untersuchten Artikel wieder. Letztlich hat die Zahl der untersuchten Artikel aber nur eine sehr eingeschränkte Aussagekraft, da die Artikellänge zum Teil stark abgenommen hat.

Angst
Schließlich hält noch ein weiterer Grund manche Medien von kritischer Berichterstattung ab: Die Angst vor den Konsequenzen. Anfang Dezember 2009 wollte die Junge Welt, immerhin ein eher marxistischen Kreisen zuzurechnendes Blatt, eine Themenseite zu den Gentechnikseilschaften in den neuen Bundesländern veröffentlichen. Anlass war der Beginn des Maulkorbverfahrens in Saarbrücken. Der Text war schon fertig, alles geklärt - da hagelte es eine Absage aus der Redaktion. Die Zeitung hatte Angst vor Klagen durch die GentechniklobbyistInnen. Andersherum scheinen sie weniger Probleme: Am 7.9.2006 ließen sie ausgerechnet den Marktradikalen Thomas Deichmann, später InnoPlanta-Preisträger, schreiben. Am 13.1.2011 durfte dann die Gentechnik-Seilschafterin Marianna Schauzu vom BfR in der Jungen Welt behaupten, Firmen wie Monsanto seien gute Entwicklungshelfer. Ähnliches geschah im zweiten Quasi-Linken-Parteiblatt ,Neues Deutschland' miteinem Text, der die GentechnikkritikerInnen niedermachte. Er war verfasstvon Johannes Bergler, der am gentechnikbetreibenden Bio-Fachberecht der Uni Erlangen tätig ist.
Fraglos ist die Angst der Medien auch wieder eine Folge der ökonomischen Zwänge. Denn hinter allem steht ja nicht die Furcht davor, sein Rückgrat gebrochen zu bekommen, sondern seinen Arbeitsplatz oder gleich den ganzen Betrieb zu verlieren. Medien sind damit auch nicht allein. Dass sich WissenschaftlerInnen wie Christoph Then, Antje Lorch oder Andreas Bauer, die sich frei finanzieren müssen, im Maulkorbverfahren von Saarbrücken ängstlich wegduckten, ist ebenfalls ihrer Angst vor Image- und Auftragsverlusten zuzuschreiben. Wer innerhalb des Systems zu agieren versucht, spürt seine Grenzen ziemlich schnell. Das macht stromlinienförmig.

Strategische Einflussnahme auf Protestkonzepte
Auch bei Themen und dargestellten Aktionen prägen solche Medien die öffentliche Wahrnehmung. Dazu gehört die Fokussierung der Agro-Gentechnikkritik auf die Firma Monsanto und deren Produkt MON810. Viele der gentechnikkritischen Redaktionen haben über die (gute?) deutsche, überwiegend universitäre Forschung kaum berichtet. So fanden sich in der Frankfurter Rundschau kaum Berichte über den Versuch mit transgener Gerste in Gießen, obwohl dieses Feld zeitweise der einzige Acker mit gv-Pflanzen im Erscheinungsgebiet der Zeitung war. Ausnahmen bilden nur Lokalredaktionen, deren Wahrnehmungsschwelle auch bei kommunalpolitischen Auseinandersetzungen über Versuchsfelder etliche Male übersprungen wurde.
Die gezielte Wahrnehmung bestimmter Protestformen war ebenso Sache vieler überregionaler Aktionen. Die spektakulären Feldbesetzungen und -befreiungen der vergangenen Jahre haben bislang fast nie den Weg in Umwelt- oder VerbraucherInnenzeitungen gefunden. Dort dominieren, wie in den den schon benannten Tageszeitungen und Magazinen auch, Darstellungen solcher Aktionen, die zwar die Gentechnik ablehnten, aber die dahinterstehenden Machtinteressen verschwiegen, auf VerbraucherInnenverhalten setzten und die deutschen Forschungsfelder unangetastet ließen. Lieblingskind wurde schnell die Kampagnenagentur Campact mit Sitz in Verden. Geradezu euphorisch wurden deren Mitmachangebote für das vielbeschäftigte BildungsbürgerInnentum begrüsst. taz und FR räumen der fast komplett professionell geführten Protestfirma immer wieder herausragende Platzierungen für Artikel, Werbeanzeigen oder -banner ein. Dass solche Entscheidungen nicht nur aus der kulturellen Nähe zueinander rühren, sondern durchaus aus politische Strategie sind, zeigte sich in Strategiedebatten. Nicht nur einmal haben FR & Co. in Kommentaren und Artikeln den Führungspersonen moderner Bewegungsapparate geraten, mehr Ordnung und Kontrolle in soziale Proteste zu bringen und sich von radikalen Elementen deutlicher abzugrenzen.

Geldgeile Blödheit: JournalistInnen als oberflächliche Fülltexter zwischen Anzeigen
Journalismus wird immer oberflächlicher. Magazine leben von Anzeigeneinnahmen, LeserInnen wollen einfache Kost. Das verändert die Art, Reportagen und Texte zu schreiben. Inzwischen sind viele RedakteurInnen einfach nur noch strohdumm, d.h. sie kennen sich in ihren Themen überhaupt nicht aus und schreiben irgendwas. Wer das mal besichtigen will, kann sich den ARD-Presseclub im Januar 2013 angucken, wo ein FAZ- und ein Spiegelfachredakteur einen Unsinn zusammenstammeln, dass einem die Worte fehlen. So meinte der FAZler: "Wir wollen die Landwirtschaft in Südamerika stärken" - und meinte damitImporte, also das gv-Soja, welches kontinentweit BäuerInnen und Regenwald verdrängt. Der
Spiegelredakteur bezeichnete Biolandbau pauschal als "Esoterik" und lobte chemische Lebensmittelzusätze als Fortschritt.

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