Schwarzstrafen

OFFENER RAUM - WAS IST DAS?

Offene Wohnungen


1. Einleitung
2. Kontrollfreier und bedingungsfreier Raum
3. Merkmale, Probleme und Lösungsmöglichkeiten verschiedener Räume
4. Debatten um konkrete Experimente offener Räume
5. Offener Raum versus Schutzraum?
6. Offene Wohnungen
7. Abschreckendes Vorbild: Linke "Frei"räume als Übungsfeld für Hierarchien
8. Links zu mehr ...

Aus "Fragmente zur Geschichte der Offenen Arbeit Berlin und der Kirche von unten" (S. 136ff)
Offene Wohnungen
Eine Art "anders" zu sein, war das Leben in den offenen Wohnungen. Zu diesem Zweck montierte man an die Wohnungstür außen eine Türklinke die es jedem gestattete, diese Wohnung zu betreten. Das hatte zunächst für die Bewohner und Bewohnerinnen den ganz praktischen Vorteil, daß sie bei jedem Klingeln nicht mehr bis zur Tür latschen mußten. Die offenen Wohnungen waren nicht ausschließlich eine Lebensform der OA, und nicht alle OA-Leute lebten in offenen Wohnungen. Es gab sehr viele junge Leute, die eine Türklinke an der Wohnungstür hatten oder die, wenn sie zu Hause waren, einfach ihren Schlüssel an der Außentür stecken ließen.
Von Laienpsychologen unter uns wurde das als ein Zeichen der Offenheit nach draußen interpretiert, als einen praktisch gelebten Versuch, "Schwellenängste" abzubauen. Für die Freunde war die Türklinke zwar eine unmißverständliche Geste, aber man schätzte sie vor allem wegen ihrer Unkompliziertheit. Immerhin ersparte man sich, nachdem mit einer wichtigen Neuigkeit die Treppen erklommen wurde, das ungeduldige Warten vor der Wohnungstür. Man wußte sofort, ob jemand da war oder nicht.
Allerdings gehörte manchmal nicht wenig Überwindung dazu, sich zum Offenmachen der eigenen Wohnung zu entschließen. Dabei spielten unkonkrete Ängste eine Rolle, etwa der Gedanke, daß auf einmal wildfremde Menschen in der Wohnung stehen würden, die einem alles schmutzig und kaputt machen oder gar alles mitnehmen würden. Doch bald merkte man, daß gerade diese Ängste unbegründet waren. Normale Nachbarn und amtliche Besucher akzeptierten meist die Wohnungstür und warteten brav, bis man ihnen öffnete. So konnte man schon im Wohnzimmer am Klingeln feststellen, daß dort Fremde vor der Tür standen.
Es gab aber auch gewisse Nachteile für das Leben in den offenen Wohnungen. Beispielsweise konnte man, wenn das rechtze1tige Abschließen der Wohnungstür vergessen wurde, in wirklich allen Lebenslagen überrascht werden, zu denen dann das trällernd genossene Vollbad als eine der harmlosesten gelten kann. Allerdings gehörte eine Badewanne nicht gerade zum Standard unserer Wohnungen. Außerdem war es in den offenen Wohnungen besser, manche Vorsorgen getroffen zu haben. Einige von uns verhängten ihre Bücherregale mit Rollos besonders wenn verbotene Westliteratur in ihnen stand. Es kam vor, daß Sicherheitskräfte offene Wohnungen als "Öffentlichkeit" interpretierten und somit Plakate, Fotos und Sprüche an den Wänden als "demonstrative Handlungen" auslegten und sanktionierten. Natürlich machte es sich auch nicht besonders gut, seine wenigen Wertsachen frei herumliegen zu lassen.
Ein Nachteil der offenen Wohnungen ist übrigens nie thematisiert worden, trat aber auch nicht häufig auf: Seit der Montage einer Klinke an die Wohnungstür, zu der manche einfach eine Zimmertürklinke abbauten, fehlte diese bei einigen Leuten manchmal monatelang an ihrer alten Stelle, was dann oft Ursache für sinnlose Streßsituationen war. Aber immerhin, hatte man sich für diese alternative Lebensformen entschieden, dann nahm man eben auch gewisse Nachteile dafür in Kauf.

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