Schwarzstrafen

MODERNE FORMEN VON HIERARCHIE: FÜHRUNG IN HIERARCHIEKRITISCHEN GRUPPEN

Assimilieren - die sanfte Übernahme


1. Einleitung
2. Modern führen: Methoden für versteckte Dominanz
3. Assimilieren - die sanfte Übernahme
4. Herrschen, ohne dass es jemand merkt: Instrumentalisierung
5. Kontrolle der Außenvertretung
6. Geschichtsschreibung als Herrschaft
7. Bewegungsagenturen und -kraken
8. Aufstehen!
9. Von Staat und Bewegungsoligarchen gefürchtet: Unberechenbarer Protest
10. Links zu Alternativen ...

"Hirnstupser" ist eine Sammlung von Nachdenk-Texten, die aktuelles Zeitgeschehen aus emanzipatorischer, d.h. herrschaftskritischer Sicht beleuchten.
Der zwölfte Clip im Hirnstupser spezial zum aktuell laufenden Kampf um den Dannenröder Wald übt eine deutliche Kritik an bewussten oder fahrlässigen Versuchen, die starke Aufmerksamkeit jetzt für Organisierungsmodelle zu nutzen, die so gar nicht zum "Danni bleibt"-Widerstand passen. Der kam ziemlich labelfrei daher, bemühte sich um den Abbau von Hierarchien und war eine Kooperation der Unterschiedlichen. Jetzt rücken Label in den Vordergrund, zudem bilden sich Steuerungsgruppen heraus oder es werden gleich hierarchische Gebilde wie Parteien gewählt. Das wird viel kaputt machen - es sei denn, im Kern entwickeln mehr Menschen das Bewusstsein, dass für den Kampf um eine andere Welt weniger Fragen wie Legalität, Gewalt oder Ähnliches wichtig sind, sondern unsere Inhatle, die Aktionsformen und die Art der Organisierung. Daher endet der Clip mit einem erneuten Aufruf, kreativen und hierarchiefreien Widerstand weiter zu entwickeln statt jetzt auf etablierte, veraltete Konzepte zurückzufallen.


Die Seiten zum Aktivwerden in Sachen Verkehrswende und „Danni bleibt!“:

Der Link zum Film über Verkehrswendeaktionen: youtu.be/rR0pA_IQK-w

Zu diesen Beiträgen gibt es passende Texte auf dieser Seite projektwerkstatt.de/.
Alle Texte, Podcasts und Filme auf fb.com/hirnstupser und hirnstupser.siehe.website.

Methoden der Assimilation
Entrismus
Personen, bei Netzwerken auch ganze Gruppen, steigen in erfolgreiche Bewegungen oder Projekte ein, wirken dort mit und übernehmen Führungspositionen. Sollten diese aufgrund hierarchieloser Organisierung fehlen, versuchen sie, diese einzuführen. Ihre Motive sind dabei unterschiedlich und reichen von persönlicher Karriere über ideologische Einflussnahme bis zur Eroberung neuer Finanzquellen.
  • Beispiele: Nach dem schnellen Erfolg von FridaysForFuture schufen mehrere reiche NGOs Stellen für Personen, die dort mitwirken sollten. Einige Jahre vorher gründete die MLPD die sog. Umweltgewerkschaft, um in Anti-Atom-, Gentechnik- und jetzt Klimaschutzzusammenhängen unauffällig eindringen und Mitglieder abwerben zu können.

Materielle Förderung
Das neue, erfolgreicher werdende Projekt wird finanziell unterstützt. Dadurch verändern sich intern die Prioritäten und Arbeitsweisen von Selbstorganisierung zu bezahlten Leistungen (Arbeit, Produkte). Die innere Struktur richtet sich auf die Geldflüsse ebenso ein wie das Denken selbst. Daraus entstehen die Abhängigkeit von den Geldquellen und eine Ausrichtung darauf, diese wieder anzapfen zu können. Besonders stark ist das bei hauptamtlichen Stellen, die dann auch aus Eigennutz auf eine fördergeberfreundliche Ausrichtung pochen.
  • Beispiel: Zerschlagung des Netzwerkes unabhängiger Projektwerkstätten Mitte der 90er Jahre unter anderem durch die Bereitstellung von FÖJ-Stellen oder Fördermitteln für Hauptamtliche mit wachsenden Auflagen, sich von radikalen Gruppen und Werkstätten zu distanzieren.

Selbsternannte Sprecher*innen
Informelle Projekte, Kampagnen und Netzwerke haben, sollen sie hierarchiefrei organisiert sein, keine Sprecher*innen, stellt dies doch immer eine privilegierte Stellung dar. Dadurch entsteht die Chance für Außenstehende, sich einfach selbst zur Sprecher*in zu erklären. Wird dies von der Außenwelt, insbesondere den Medien, akzeptiert, ist das Projekt quasi übernommen, ohne an dieser Übernahme jemals beteiligt gewesen zu sein. Oft aber gewöhnt sich das Projekt an diesen Übergriff und neue Interessierte kommen schon unter der Prämisse hinzu, dass diese Sprecher*innen existieren.
  • Beispiele: In der Startphase von Attac Deutschland traten Peter Wahl und Sven Giegold als Sprecher auf. Es gelang ihnen, Attac ihre Inhalte zu diktieren, indem sie diese via Presse verkündeten. Kurz nach Entstehung von FridaysForFuture in Deutschland, damals als reine Schüler*innen¬kampagne, gelang es Luisa Neubauer, eine vielfliegende Studentin aus der grünen Partei, sich selbst zur Sprecherin zu ernennen.

Übernahme des Labels
Nicht das erfolgreiche Projekt, sondern dessen Label wird übernommen. Für die Außenwelt wird gar nicht sichtbar, dass ganz andere Kreise das ehemals unabhängige Projekt durchführen.
  • Beispiel: „Ende Gelände“ war 2015 eine von vielen Gruppen gemeinsam getragene, einmalige Aktion. Der Erfolg weckte bei einigen Strateg*innen den Wunsch, mit diesem Namen einen neuen Verband zu schaffen. Dieser ist inzwischen die dominierende Gruppe im Klimaschutz.

Übernahme des Themas
Ist ein Projekt erfolgreich, werden die Impulse und Themen von anderen Playern übernommen. Verfügen diese über die überlegenen Möglichkeiten der Öffentlichkeitsarbeit, verdrängen sie die Initiator*innen zumindest aus der Wahrnehmung. In der Regel wird die ursprüngliche Gruppe aber zerfallen, da der Mangel an eigener Wirksamkeit frustriert und der Wechsel zu erfolgreichen Gruppe nahe liegt.
  • Beispiel: Dieser Prozess findet immer statt. Die Hauptkultur übernimmt die Impulse des Neuen, wenn dieses erfolgreich wird.

Übernahme der Aktiven und Interessierten
Nicht immer werden das gesamten Projekt oder das von ihm initiierte Thema übernommen. Für NGOs und Bewegungsagenturen kann die Integration der dadurch Angesprochenen in ihrer Mitglieder- oder Spenderkarteien reichen. Dazu starten sie in der Regel eine eigene Scheinkampagne und sammeln so die Daten.
  • Beispiele: Zum Höhepunkt des Protestes gegen Stuttgart 21 schoss Campact mit großem Aufwand eine absurde Kampagne in die Bewegung. Es müsse jetzt unbedingt ein Appell an Kanzlerin Merkel gerichtet werden. Begründet war das nicht, aber viele werden sich gedacht haben: Egal – schaden kann es nicht. Tatsächlich hatte die Kampagne auch keine Bedeutung, aber danach besaß Campact (als einzige beteiligte Organisation!) fast alle Adresse derer, die gegen S21 protestierten. Ständig agiert change.org so. Der Konzern sammelt Adressen und lebt davon. Konkurrierend tritt der Campact-Ableger WeAct sehr ähnlich auf. Beide bieten viele Dienstleistungen an. WeAct rät politisch Aktiven, auf die einzig rechtlich wirksame Petitionsform beim Bundestag selbst zu verzichten und ihre Plattform zu nutzen. Hier wird Adressensammeln über politische Wirkung gestellt.

Scheinbar selbstlose Unterstützung mit Hintergedanken
Moderne Player bieten losen Initiativen und Kampagnen oft an, diese zu unterstützen. Dabei wird ein Interesse am Thema, werden gleiche politische Ziele behauptet. Das stimmt mitunter auch, ist aber nicht der Grund der Kontaktaufnahme. Denn die Unterstützung dient vor allem dem Ziel, an die Ressourcen der Gruppe heranzukommen. Das können Pressekontakte oder Adressen von Privatpersonen sein, die dann z.B. für Spendenanfragen genutzt werden. Typische Varianten sind Unterstützungsleistungen, bei denen sich Menschen dann bei der unterstützenden NGO melden müssen, oder das Zurverfügungstellen von Interneträumen. Wer zum Beispiel seine Petition über Plattformen wie AVAAZ oder WeAct macht, bekommt von denen viel Support. Das überrascht viele, ist aber schlicht ein Geschäftsmodell, um an die Adressen zu kommen.

Belobigung
Wer aus einer Protesthaltung einen Impuls setzt, gerät zunächst in Konflikt mit dem Bestehenden. Die einsetzende Assimilierung im Fall des Erfolgs eines Projektes kann begleitet werden von Belobigung zum Beispiel in Medien oder durch politische Kreise. Eine besondere Form sind Preisverleihungen. Diese werden, weil die Preisverleiher*innen sich mit der Verleihung immer auch selbst produzieren wollen, stets nur an Menschen verliehen, die schon öffentlich breitere Wahrnehmung erlangt haben. Die Verleihung selbst verpflichtet viele zur Anpassung. Allerdings muss mensch sich davon nicht beeinflussen lassen. Doch Verhaltensänderung durch Gelobtwerden verläuft eher unterbewusst und daher schwer kontrollierbar.
  • Beispiel: Auch dieser Prozess findet fast immer statt. Ein krasses Beispiel war die Umarmungsstrategie von Spitzenpolitiker*innen aller Art bis hin zu Bundeskanzlerin Merkel gegenüber FridaysForFuture.

Karriere Einzelner
Ist ein Projekt erfolgreich, können dort Aktive vor diesem Hintergrund außerhalb Karriere machen. Dann werden sie dazu neigen, das Projekt auf ein Verhalten zu verpflichten, was diese Karriere nicht wieder gefährdet.
  • Beispiel: Sven Giegold, ehemals militanter Anarchist, machte sich zum Sprecher von Attac und wurde deshalb Spitzenkandidat bei den Grünen. Dort vertritt er heute ungefähr gegenteilige Positionen, z.B. den Glauben an Wirtschaftswachstum ohne Umweltbelastung.

Ausgrenzung kritischer Stimmen
Assimilation ist eine Technik der Übernahme ohne Möglichkeit des Wehrens, weil die Übernahme selbst sich als Mitwirkung oder Unterstützung tarnt. Treten trotzdem Stimmen auf, die auf diesen Mechanismus hinweisen und ihn als Übergriff demaskieren, müssen diese zum Schweigen gebracht werden. Der Logik geräuschloser Dominanz folgend geschieht dieses vorzugsweise auf eine Art, die die Machtförmigkeit der Ausgrenzung nicht aufscheinen lässt, z.B. durch das Streuen von Gerüchten, die Distanz zu den Auszugrenzenden schaffen, oder technischen Ausschluss aus digitalen Kommunikationswegen.
  • Beispiel: Die Kampagne „Sand im Getriebe“ wurde von Hauptamtlichenapparaten inszeniert, um aus der – z.T. von gleichen Personen geführten – Klimabewegung Personen für ein neues Thema zu gewinnen und auf der Erfolgswelle der Klimaschutzaktionen mitzuschwimmen. Dazu musste den geplanten, harmlosen Großaktionen ein rebellischer Flair gegeben werden, etwa durch die Ankündigung von Blockaden, die nie geplant waren. Eine Person, die auf diese Belügung der eigenen Leute hinwies, wurde von der Mailingliste zensiert, ohne dass dieser Vorgang je transparent gemacht wurde.

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